Mittwoch, 7. September 2022

Schmähkritik des Tages (61)

 
Heute: Leon Igel über BWL-Studenten

Hier. (FAZ, 21. August 2022)

(Der Artikel ist recht kurz, mehr eine Glosse, und schnell gelesen. Daher würden längliche Zitate nicht recht lohnen. Weiß auch nicht, wie es da mit dem Urheberrecht aussieht. Lieber nichts riskieren)

Anmerkung: Die FAZ zieht also über BWL-Studenten her. Fast könnte man hier von einem schweren Fall von Blitzmerkerei reden. Davon, dass endlich im bürgerlichen Lager angekommen scheint, wovon unsereins sich seit Schulzeiten den Mund fusselig redet. Alter, die fu****g FAZ! Fürs Protokoll. Wahrlich, weit ist es gekommen.

Mit BWLern ist es gelaufen wie mit Computernerds. Letztere waren in den Achtzigern die blassen, pickligen Stubenhocker mit Cordhose und Kassengestell, die keine Freunde hatten und nie ein Mädchen bekamen. Heute beherrschen sie die Welt. Die, die sagten, dass sie BWL studieren gingen, waren einst an einem mittelkleinen Provinzgymnasium mit überwiegend bildungsbürgerlicher Klientel wie meinem ebenfalls eine Lachnummer. Kamen mit ledernem Aktenköfferchen und ab dem 18. im von Papa finanzierten Golf GTI zur Schule (Aufkleber: "Eure Armut kotzt mich an!" oder "Bock auf Zukunft!"), Mädels gern mit dem Corsa-Sondermodell 'Steffi special', laberten mit 18 schon von Altersvorsorge, Aktienfonds und Sylt.

Und wurden schon mal mit dem Arsch in den Papierkorb gesteckt. (Natürlich nie von mir, bewahre! Auch nie die Mädels, wir wussten schließlich noch, was sich gehörte. Und auch nicht die, deren Papa Anwalt war. Wer das war, wusste man genau, denn sie erzählten es allen oft genug.)

Es waren gar nicht mal so sehr ihre Klamotten die so nervten, ihr Wetgel auf der Wichtigtuerbirne oder ihr synthetischer, uninspirierter Musikgeschmack. Es war mehr dieses von keinem Anflug an Selbstzweifel, geschweige denn Selbstkritik getrübte und durch kein Argument zu erschütternde Bewusstsein, demnächst zur Elite zu gehören, das sie verströmten wie der explodierte Reaktorblock von Tschernobyl Gammastrahlung. Dieses gnadenlose Angepasstsein und dem System in den Arsch kriechen, das uns karriereungeile Tunichtgute so triggerte. Nun ja, was soll man sagen, 20 Jahre später beherrschten sie die Welt. Haben erfolgreich auch den letzten Winkel des Daseins einer kapitalistischen Verwertungslogik unterworfen und tun es immer noch.

Einer von ihnen ist übrigens mein Versicherungsmann und macht mir echt faire Konditionen. Gibt mir alle Rabatte, die so gehen. Regelt Shit auf dem kleinen Dienstweg. Kannste echt nicht meckern. Allerdings muss ich sagen: Der Typ war zu Schulzeiten in der Metal-Ecke unterwegs, hat damals nie erwähnt, dereinst Vaterns Agentur übernehmen zu wollen und erst spät die Kurve Richtung BWL genommen.






5 Kommentare :

  1. Ach, an den Autoaufkleber musste ich letztens auch denken:
    https://ruhr.social/@flumen_calculi/108949909106639295

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  2. Als ich studiert habe, waren die Sportstudenten und die BWLer die dümmsten Rübenschweine auf dem Campus. In der sozialen Hierarchie ganz unten. Aber von den Unternehmen wurden sie später bevorzugt, glatte Zahnräder im Getriebe. Die Schlauen landeten im öffentlichen Dienst oder fuhren Taxi.

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    1. ... kariertes Hemd udn Samenstau, der Jung studiert Maschinenbau.
      Auf der FHS Wuppertal wurden die Drucktechniker Anfang der Achtziger von den Architekten und Designern "Drupos" genannt, weil sie wochenlang vorher (und nachher sowieso) schon von der Messe Drupa in Düsseldorf schwärmten.

      Gruß
      Jens

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  3. Sind BWL-Studenten nicht auch wieder nur ein Spiegel dieser Gesellschaft - schneller-weiter-höher dank Selbstoptimieren und dabei immer fein die Ellenbogen raus und nach unten getreten auf der Karriereleiter?

    Und so manche Realität ist besser wie jedes Klischee, was auf das Studienfach BWL sehr zutreffen dürfte. Sicher sind da auch ein paar wirklich Interessierte dabei, die meisten sind diese glatten Karrieristen, aus denen sich das ganze Unwesen der Beraterfirmen und dergleichen speist. Der zweite Running Gag dürfte dann gleich die Nummer mit den Jura-Studenten sein, die dann auf Politik machen und den jur. für den Titel brauchen, weil sie sonst ernsthaft studieren müssten. Die diesem Fach ebenfalls ernsthaft Anhängenden mit einem späteren Beruf im Rechtswesen mögen mir verzeihen!

    Der beste Satz ist im Artikel der mit der durchökonomisierten Bologna-Universität als gleichsam übergreifendes Bild, wozu Bildung durch die Bank in diesem System hauptsächlich dienen soll. Wenig Kosten für eine große Masse an willfährigen und scheuklappentragenden Fachidioten vom Hiwi bis zur geistigen "Elite", die in Stromlinie nur auf sich bedacht sind und ansonsten abseits keine allzu schwierigen Fragen stellen oder unbequem werden.

    Das deswegen Schirrmacher wieder auferstanden ist oder die FAZ ein revolutionäres Kampfblatt wird, halte ich trotzdem für unwahrscheinlich. Entweder war das ein formeller Gegenstandpunkt, um dem Affen in Form des bürgerlichen Spießers etwas Zucker zu geben oder der Zensor war halt pinkeln;-)

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  4. ... ich empfehle zu dem Thema gerne das Buch "Gestatten, Elite" von Julia Friedrichs. Sehr erhellend!

    Gruß
    Jens

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