Samstag, 17. Dezember 2022

Praktisches Weihnachtsfilmlexikon, A-Z


Da nunmehr der Geburtstag des Religionsstifters wieder einmal naht, gibt es, verehrte Lesende, nach mehreren Jahren der Pause heuer wieder einen Weihnachtsservice bei den Fliegenden Brettern. Nach "Was hat es mit diesem Brauchtum auf sich?" und "Was will dieses Geschenk mir sagen?" heißt es nunmehr: "Welchen Film soll ich an Weihnachten bloß gucken?" Nicht dafür!

Batman returns (USA 1992)
Gilt als der beste der frühen 'Batman'-Verfilmungen. Mit dem bühnenerfahrenen Michael Keaton als Batman, der hinreißenden Michelle Pfeiffer als Catwoman und Danny DeVito als Supergangster Pinguin, der diverse Weihnachtsfestivitäten schreddert.

Der kleine Lord (GB/USA 1980)
Dieser Film hätte den britischen Royals als Warnung dienen können. Zeigt er doch sehr schön, was passiert, wenn man sich eine junge, kreuzdoofe, manipulative, von der eigenen Großartigkeit besoffene Ami-Schnatze ins Haus holt, die nichts gelten lässt außer ihren eigenen Wahrnehmungen und Wertvorstellungen. Der achtjährige New Yorker Halbwaise Cedric entpuppt sich als englischer Adelsspross und Alleinerbe des Earl of Dorincourt. So wird Cedric nach England umgetopft, um ihn auf seine spätere Rolle vorzubereiten. Dort angekommen, findet der blonde Bengel alles voll doof, was er nicht sofort versteht, also quasi alles, und terrorisiert alles und jeden, vor allem seinen Großvater so lange mit moralischem Druck, Tränen und Hundeaugen, bis er seinen Kopf durchgesetzt und seine spießigen Familiy Values etabliert hat. Ein Film, der zum Nachdenken anregt. Etwa darüber, ob es wirklich eine gute Idee war, die amerikanischen Kolonien in die Unabhängigkeit zu entlassen.

Dinner for One (NDR 1963)
(Ok, ist kein Weihnachtsfilm, aber Silvester kommt ja immer schnell.) Verfilmung eines Sketches von Freddie Frinton. Die Kamera hält volle fünfzehn Minuten gnadenlos drauf, wie ein tüddeliger Butler sich im Rekordtempo alkoholisiert, sich dann erstaunlicherweise immer noch relativ viele Namen merken kann und andauernd über einen Teppich stolpert. Immerhin rutscht er nicht auf einer Bananenschale aus. Das muss dieser hintergründige britische Humor sein. Am Ende erweist die neunzigjährige Hausherrin sich als Lustgreisin und er muss zur Feier des Tages mit ihr in die Kiste. Worüber auch wieder sehr gelacht wird. In Großbritannien weitgehend unbekannt. Diente westdeutschen Kriegskindern vor allem dazu, einmal im Jahr Weltläufigkeit zu demonstrieren. Sich dafür zu feiern, dass man in der Lage war, eine Viertelstunde lang einem nicht übermäßig komplexen, in undeutschem Idiom vorgetragenen Geschehen zu folgen. Dabei half natürlich die alljährliche Wiederholung. Nach dem zehnten Mal hatte es auch der anglophobste Ostfront-Opa halbwegs kapiert.

Drei Haselnüsse für Aschenbrödel (ČSSR/DDR 1973)
Verfilmung eines Märchens von Božena Němcová (1820-1862) um eine aufsässige Prinzessin, die sich nicht alles gefallen lässt und auch mal nur Strumpfhosen trägt. Eine Koproduktion zwischen dem staatlich tschechoslowakischen Filminstitut und dem Kombinat 'Märchenfilm' Kötzschenbroda. Ersteres steuerte das Drehbuch bei und Libuše Šafránková (+), letzteres Schloss Moritzburg und Rolf Hoppe (+). Bei Innenaufnahmen sieht alles aus wie aus Pappmaché, bei Außenaufnahmen wie Schwarze Pumpe 1987. Alle laufen rum wie auf dem Tuntenball. Gilt als emanzipatorischer Klassiker und im 'Osten' als Kultfilm. Muss man gut finden, sonst fühlen sie sich gegängelt und bevormundet, latschen gegen die 'Filmdiktatur' ("Wie in der DDR!") durch die Straßen, pardon, 'gehen spazieren' und wählen AfD oder 'Freie Sachsen'. Aber die Musik ist nett.

Eyes Wide Shut (GB 1999)
Stanley Kubricks letzter Film hat nur insofern mit Weihnachten zu tun, als dass Schnee liegt und gelegentlich ein Weihnachtsbaum im Hintergrund zu sehen ist. Ansonsten eine meisterhafte, an Arthur Schnitzlers 'Reigen' lose angelehnte Auseinandersetzung mit Liebe, Begehren und Erotik. Groß.

Jesus-Filme, amerikanische
Waren in Wahrheit Kalte-Kriegs-Propaganda. Man beachte die meist riefenstahlmäßige Inszenierung des schneidigen römischen Militärapparates. Vermixt mit einer radikal individualistischen Lesart des Neuen Testaments, wurde dem ungläubigen Ostblock so einst cineastisch heimgeleuchtet.

Ist das Leben nicht schön? (USA 1946)
Wiedergängerrührstück von Frank Capra. Gern genommen von Leuten, die sich ein Mal im Jahr eine Auszeit vom Atheismus nehmen. Alibi: Filmklassiker, muss im historischen Kontext gesehen werden.

Kevin allein zu Haus (USA 1990)
Auch dieser Film lässt sich auf zwei Arten anschauen: im Spaß- und im ideologiekritischen Spaßbremsen-Modus. In ersterem ist das ein durchaus gut gealterter, klassischer Slapstickfilm, bei dem Freunde eher körperbetonten Humors auf ihre Kosten kommen. In letzterem bekommen wir zu sehen, wie ein bourgeois durchgeformtes Kind in der Maske des süßen Fratzes das amerikanische  Weihnachts- und Kernfamilienidyll mit Zähnen und Klauen gegen Eindringlinge von außen verteidigt und sich berechtigt fühlt zur Anwendung brutalster Gewalt. Entscheiden Sie selbst.  

Nightmare Before Christmas (USA 1993)
Auf einer Geschichte von Tim Burton beruhendes und von ihm produziertes Weihnachtsgrusical. Überaus reich an filmhistorischen Anspielungen und daher ideal für Cineasten, die mit ihrem Filmwissen angeben wollen.

Schöne Bescherung (USA 1989)
Die gnadenlose Konsequenz, mit der in den 'National Lampoon'-Filmen um die Familie Griswold alles, aber auch absolut alles schiefgeht, was irgendwie schiefgehen kann, und noch ein wenig mehr, vermag bis heute zu beeindrucken. Vielen gilt 'Schöne Bescherung', bei dem lustvoll ein Weihnachtsbrauch nach dem anderen durch den Wolf gedreht wird, und Familienoberhaupt Clark, in bester Absicht, versteht sich, immer alles nur noch schlimmer macht, als der beste. Ein wirksames Gegenmittel zu weihnachtlichem Familien- und Verwandtschaftsterror.

'Sissi'-Trilogie (AUT/BRD 1955-1957)
Halbdokumentarische Spielfilmreihe über eine falsch geschriebene, anorektisch veranlagte österreichische Monarchin. Wir lernen, dass aller Pracht und allen Prunkes des Ancien régime zum Trotze und mit einem feschen, schneidigcharmanten Kaiser als Ehemann an der Seite das Leben einer Kaiserin auch kein reines Zuckerschlecken ist. Superreiche kennen dieses Gefühl nur zu gut. Obacht! Diabetiker sollten sich allein wegen des Sprechduktus' der jungen Hauptdarstellerin vorab eine Extradosis Insulin zuführen.

Stirb langsam! (USA 1988)
Das Charmante an John Mc Tiernans Weihnachtsfilm ist, dass Weihnachten nicht direkt vorkommt, sondern lediglich als Auslöser für die actiongeladenen Ereignisse dient. Polizist John McClane hat eigentlich Urlaub und ist nur nach Los Angeles gekommen, um mit seiner von ihm getrennten Familie Weihnachten zu feiern. Gab es je ein schöneres Weihnachtsmotto als "Jippiyayeah, Schweinebacke!"?

Weihnachten bei Hoppenstedts (BRD 1978)
Als Satire missverstandenes Reality-TV. Achten Sie bitte, so noch nicht geschehen, gleich in der ersten Einstellung im Spielwarenladen auf das Sortiment (90 Prozent Kriegsspielzeug), die blutüberströmte Babypuppe unter der Guillotine (am rechten Bildrand) und auf die Sensibilität, mit der Loriot und Evelyn Hamann sich schon damals der Gender-Thematik näherten ("Ich meine, hat das Kind denn ein Zipfelchen?" -- "Mein Enkelkind hat alles, was es braucht!" *PAFF*).






18 Kommentare :

  1. Für mich gehört neben "Schöne Bescherung" auch immer "Meuterei auf der Bounty" mit Marlon Brando dazu.

    AntwortenLöschen
  2. @ Dinner for One:
    Das Kuriose an dem “Butler James“-Sketch und dem unübertrefflich “typisch britischen Humor“ ist ja, dass er in Wahrheit eine Sternstunde deutscher öffentlich-rechtlicher Fernsehunterhaltung darstellt.
    Im wirklichen Leben trank Freddie Frinton übrigens niemals Alkohol, sondern war strikter Anti-Alkoholiker.

    AntwortenLöschen
  3. Ich gestehe - ich liebe "Ist das Leben nicht schön?" Aber der wird ja seit Jahren unterschlagen oder es läuft im Ösi-Privatsender eine colorierte (coloriert! HILFE!) Version. Und einer fehlt noch: "Tatsächlich Liebe", der einem inzwischen als ultimativer Weihnachtsfilm untergejubelt wird. Und dann noch eine der zahlosen Versionen der Weihnachtsgeschichte von Dickens - meinetwegen auch die durchgeknallte mit Bill Murray - selten sah man einen Weihnachtsgeist (oder Geistin?) mit so einer Schlagkraft.
    Und an Silvester bitte noch "Die Zeitmaschine" und zwar die alte Version - die neue kann man getrost ignorieren. Und ja, ich weiß, daß der Film mit dem Buch von Wells nicht mehr so viel zu tun hat. Die neue Version aber noch weniger.
    Same procedure as last year...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Bei Tatsächlich Liebe fand ich es immer etwas grausam von Richard Curtis', die zum Zwecke der internationaleren Vermarktbarkeit gecastete Frau Makatsch ausgerechnet dem großen Alan Rickman zur Seite zu stellen, wodurch die Grenzen ihres Talents schmerzhaft sichtbar werden. Ansonsten aber ein sehr brauchbarer Weihnachtsfilm.

      Die beste Version von Dickens' Christmas Carol ist ganz klar die mit den Muppets. Die ist im Gegensatz zu den meisten anderen nicht mit erträglich sondern tatsächlich amüsant.

      Löschen
  4. ... night on earth von jim jarmusch!

    gruss
    jens

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Jo, Jarmusch. Und auch gern gesehen "Sleepless in Seattle", mein Lieblingsliebesfilm.

      Löschen
  5. Wer "Stirb langsam" einmal zu oft gesehen hat, kann gerne zu "Lethal Weapon" - Film nicht Serie - greifen. Spielt auch zu Weihnachten. Und zu Beginn springt eine bedröhnte Trulla vom Balkon nach dem im Vorspann "Jingle Bell Rock" gespielt wurde. Nach vier Wochen Weihnachtsmusik-Terror kann ich diese Reaktion nur zu gut verstehen.

    AntwortenLöschen
  6. Wo bleibt "Und das nicht nur zur Weihnachtszeit" nach einer Satire von Heinrich Böll? https://de.wikipedia.org/wiki/Nicht_nur_zur_Weihnachtszeit_(Film)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Nett, dass Sie da ergänzend drauf hinweisen (thx auch an jens). @anonym/17.12.: Dass keine der unzähligen Verfilmungen von Dickens' Christmas Carol aufgeführt ist, könnte daran liegen, dass ich eine tiefsitzende Abneigung gegnen diesen moralinsauren Kitsch habe und keine einzige bis zum Ende durchhalten konnte, bedaure.
      @nömix: Interessant. Umso höher ist wohl die schauspielerische Leistung zu bewerten. Aber auch der jüngst verblichene Karl Merkatz soll ein ganz wundervoller Mensch gewesen sein und damit 180 Grad anders als Mundl.

      Löschen
  7. bezugnehmend auf HomeAlone1990; inwieweit das verehrte kommentariat und der salonbetreiber hier mit RedLetterMedia vertraut ist, entzieht sich meiner kenntnis, aber nichtsdestotrotz meine schwerste empfehlung zu folgender folge ihrer klassischen serie BestOfTheWorst, in der ein grossartigst "gealterter" Macaulay Culkin seinen senf zu schlechten filmen zum besten gibt, unter anderem -wie könnte es anders sein- zu HomeAlone4. culkins einsatz als jay baumann ab 07:30.

    youtube dot com/watch?v=a_FURNuBeQg

    bonus-wheinachtsfolge mit culkin:

    youtube dot com/watch?v=ScgaYFvuBFM

    ernsthaft; lohnt sich!

    AntwortenLöschen
  8. Meine Highlights der letzten Wochen:
    "Neuland" Serie ZDF
    "Bodyguard" Serie ZDF
    "Jeder gegen jeden" Film ZDF (noch 2 Tage)
    "So laut Du kannst" Film ZDF
    "Das Haus" Film ARD
    "Ramstein, das durchstoßene Herz" Film ARD
    "Und ihr schaut zu" Fil ARD
    "Das Netz" Filme Staffel 1 und 2 ARD (sehr sehr gut und spannend)

    Alles noch in der jeweiligen Medieathek. Darunter aber auch Filme ab 16, für die Ihr Euch mit Perso anmelden müßt.

    AntwortenLöschen
  9. Ich würde die Liste unbedingt um "Tödliche Weihnachten" mit Geena Davis und Samuel L. Jackson (https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%B6dliche_Weihnachten) ergänzen. Und dann ist da noch "Die Geister, die ich rief..." mit Bill Murray (https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Geister,_die_ich_rief_%E2%80%A6), zwar auch eine VErfilmung von dem Dickens-Schmalz, aber erfrischend boshaft.

    AntwortenLöschen
  10. Ich finde "Das Leben des Brian" (https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Leben_des_Brian) darf auf keinen Fall in der Liste fehlen.

    Am besten schaut man ihn am Heilig Abend morgens im (meist übervollen) Kino. Leider haben auch schon Nazis versucht diese schöne traditionelle Veranstaltung für ihre Propaganda zu mißbrauchen: https://www.google.com/search?q=leben+des+brian+maier+afd

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. In meinem Sprengel gehört 'Life Of Brian' eher zum Osterbrauchtum. Es gab immer Sondervorstellungen am Karfreitag.
      @Chris: Gut, ok, ein Film mit Bill Murray kann eigentlich nicht wirklich schlecht sein.
      @DKT: RedLetterMedia ist mir bestens vertraut; eine wärmste Empfehlung meinerseits an alle geht hiermit raus.
      @anonym, 7:36: Der lästigen Altersbeschränkung kann man sehr gut hiermit abhelfen.

      Löschen
    2. "Die Geister, die ich rief" läuft übrigens, wie ich gerade sehe, am 24.12. um 16:10 auf SAT1.

      Löschen
    3. Noch praktischer als Mediathekview ist übrigens https://mediathekviewweb.de
      Funktioniert einfach so im Browser.

      Löschen
  11. Die Weihnachtsfolgen von Michel und Pippi zum Zeitvertreib beim Bescherungswarten, Und täglich grüßt das Murmeltier hilft beim Plätzchen verdauen.

    AntwortenLöschen
  12. Bad Santa mit Billy Bob Thornton fehlt noch in der Liste ;)

    AntwortenLöschen

Mit dem Absenden eines Kommentars stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zu. Zu statistischen Zwecken und um Missbrauch zu verhindern, speichert diese Webseite Name, E-Mail, Kommentar sowie IP-Adresse und Timestamp des Kommentars. Der Kommentar lässt sich später jederzeit wieder löschen. Näheres dazu ist unter 'Datenschutzerklärung' nachzulesen. Darüber hinaus gelten die Datenschutzbestimmungen von Google LLC.