Donnerstag, 24. August 2023

Kein Mathe können, revisited


Es ist kein Zufall, dass kulturpessimistische Untergangspropheten so oft dem nationalen/patriotischen Lager  nahestehen. In streng nationaler Nabelschau wirkt alles noch mal so schlimm. Deutschland am untergehen! Fangt schon mal das Beten an! Sooo schlimm war es noch nie! Und die Grünen sind schuld! Ein Blick über den Tellerrand und die Erkenntnis, dass auch in anderen Ländern Regierungen mehr oder weniger holprig durch die "Multikrise" (Tooze) tapern, würde da nur stören. (Auch Teile der Linken lieben den streng nationalen Blick und verbitten sich mitunter Hinweise auf ebenfalls schlimme Zustände woanders, denn das sei bloßes Relativieren.)

In unserer nach Aufmerksamkeit gierenden Gegenwart, ergibt das auch Sinn. Generiert doch weniges zuverlässig so viel Aufmerksamkeit und wohligen Schauder wie die Erzählung vom überall abgehängten Vaterland, wo nix mehr funktioniert, die Schulen anarchische Chaosbuden sind und die verwöhnten, gepamperten, vor allen Zumutungen verschonten Schüler inzwischen zu doof für 2 plus 2. Das lässt sich zum einen wunderbar mit einer rassistischen Agenda verknüpfen, in der Gevatter Migrant an allem schuld ist, und hilft zum anderen beim Aufwerten des eigenen Egos. Weil: Wir damals, wir haben noch...

In diesen Chor stimmte vor einiger Zeit auch der Paderborner Mathematikprofessor Bernhard Krötz ein, der sich mithilfe eines indischen und eines chinesischen Uni-Aufnahmetests in Mathe über den Nordrhein-Westfälischen Kernlehrplan Mathematik ereiferte und was hier auch Thema war. Sein Fazit: Deutsche Schulen sind nur mehr bessere Klippschulen, alles immer schlimmer, wir damals, wir haben noch...

Jetzt hat sich Dr. Tom Crawford, Dozent an der Universität Oxford, nicht gerade als Hilfsschule bekannt, die bayerische Abiturprüfung in Mathe von 2019 vorgenommen. Einmal ist er tatsächlich nicht weitergekommen. Hatte allerdings auch das Handicap, ohne Deutschkenntnisse auf Google-Übersetzungen angewiesen zu sein.


(Video im erweiterten Datenschutzmodus, anklicken generiert keine Cookies.)

 
Spoiler: Crawford siedelt den Schwierigkeitsgrad des bayerischen Mathe-Abiturs im internationalen Vergleich im oberen Mittelfeld an: Vor den US-amerikanischen und britischen Abschlussprüfungen, aber hinter der brutal harten STEP-Aufnahmeprüfung (Sixth Term Examination Papers) für die Uni Cambridge. Ok, ja, ist Bayern. Trotzdem: Klippschule scheint mir irgendwie anders.

Ist also doch nicht alles verloren? Kulturpessimisten hassen diesen Trick.







 

3 Kommentare :

  1. Naja, einen gewissen Unterschied zwischen „Mathe können“ und „das Hirn sehr spezifisch darauf hin gemästet haben, korrekte Lösungswege für die typischen Aufgabestellungen typischer bairischer Abiturprüfungen im Fach Mathematik laut entsprechender Aufgabensammlungen auszukotzen“ möchte ich da aber schon noch behaupten. Been there, done that (Fachabitur 1996, BOS Bayreuth 1994–1996).
    Gilt auch für das Fach Physik.

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  2. Mathematik-Unterricht gab mir nicht viel. Die einzige Regel, die ich verstand, war Minus mal Minus ergibt Plus. Was bedeutete: du kannst zweimal richtig Mist bauen, und du kommst immer noch gut weg. Das war in Ordnung.

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