Samstag, 25. November 2023

Jenseits der Blogroll - 11/2023


Die Fundstücke des Monats wieder. Die hässliche Fratze der "Polykrise" (Tooze) zeigt sich darin, dass die Welt aus dem Krisenmodus quasi gar nicht mehr herauszukommen scheint. Zu den in unserem Horizont augenfälligsten Großkrisen (in anderen Gegenden der Welt hieße es nur: Willkommen im Club!) Klimawandel und Ukraine-Krieg, gesellte sich im Oktober der Angriff der Hamas auf Israel und die Antwort Israels darauf. Was unbequemerweise viele der wohlfeilen hiesigen Bekenntnisse von Israels Sicherheit als deutscher Staatsräson als das hohle Geschwätz entlarvte, das es wahrscheinlich schon immer war.

Politik. Bernd Rheinberg zu der Frage: Dürfen sich die Juden wehren?

"Israel braucht eine verlässliche Lobby. Die UN sind es nicht. Da sind nur die USA, drei kleine osteuropäische Staaten und ein paar pazifische Inseln, die sich in der UN-Vollversammlung gegen einen fragwürdigen Beschluss gestemmt haben, der den Terror der Hamas verschwiegen und das Selbstverteidigungsrecht Israels nicht bekräftigt hat. Die EU ist es bestimmt auch nicht. Deutschland, der ewige Stimmenthalter und zweifelhafte Saubermann, ist es ebenso nicht. Israels Sicherheit als deutsche Staatsräson ist eine Farce. Deutschland könnte sich ja nicht einmal selbst verteidigen, geschweige denn seine jüdische Bevölkerung. Es würde mich nicht wundern, wenn die Juden in Deutschland, Frankreich, Belgien usw. den Juden in Israel darin folgen, sich selbst zu bewaffnen. Das Wissen um die Bedeutung von Sicherheit ist Deutschland völlig abhanden gekommen. Und in der Gesellschaft grassiert die Überzeugung, dass der Holocaust ein übertriebener Glaubenssatz ist, ein hinderlicher Fetisch. Was also haben Juden in Deutschland zu erwarten?" (Rheinberg, a.a.O.)
 


Großes Thema war auch das Schulden-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Ob das tatsächlich ein solches politisches Beben war wie behauptet, halte ich noch für offen. Es passt halt sehr schön in jenen kurrenten Trend im Journalismus, die 'Ampel' unbedingt schlecht- oder gar gleich wegschreiben zu wollen. Die Schuldenbremse in der Verfassung steht für ein Verständnis von Staatsfinanzen und -finanzierung, das längst erodiert und nicht mehr zeitgemäß ist. Heiner Flassbeck dazu. Auch Christian Rath sieht noch Spielräume.

Stefan Sasse war wieder sehr umtriebig in letzter Zeit. Einmal mit einem dreiteiligen Essay zum Thema: Was ist mit der Schule los? Teil 1: Problemanalyse - Teil 2: Stellungnahme - Teil 3: Abschluss

Und ein Beitrag über die Sackgasse in der Migrationspolitik sowie linke und rechte Lebenslügen.

Interview mit Herfried Münkler. "Das Risiko, auf Atomwaffen zu verzichten, ist einfach zu groß." So sieht es wohl aus.

Thomas Laschyk befasst sich mit der Frage, warum rechte Politiker so oft so komische Frisuren haben.

Georg Seeßlen zum Rechtsruck in Bayern.

Kultur/Gesellschaft/Gedöns. Gerhard Schweppenhäuser zum Antisemitismus im Kulturbetrieb.

Ja, Clickbait-Content, aber ausnahmsweise guter. Wenn man auf nutzloses Wissen steht.

Herbstzeit ist Laubbläserzeit. Patrick Bernard, seit 41 Jahren als Gärtner in der Stadt Heilbronn unterwegs, erklärt im Interview, warum die lästigen Dinger leider nur sehr schwer zu ersetzen sind. (Fun fact: Heilbronn ist die deutsche Kommune mit den meisten Stadtbäumen.)

Markus Liske über das Sterben linker Zeitungen.

Musik. Marti Fischer zeigt uns, wie man einen ABBA-Song baut. Das Ergebnis finde ich schon ziemlich überzeugend.


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Sport. Philipp Köster und Alex Raack mit 25 Fakten über Christoph Daum.

Die '11Freunde' mit einem Sonderheft zur Vertreibung der Juden aus dem deutschen Fußball nach 1933. Wichtig.

Ministerialrat a.D. Wilhelm Schlötterer über Gerd Müller, den Freistaat Bayern und die Kriminalgeschichte des FC Bayern München.

Es freut mich über die Maßen, dass Kollege Kurbjuhn offenbar auf dem Wege der Besserung ist. Zumindest häufen sich die Indizien. Unter anderem diese lesenswerten Überlegungen zum momentanen Zustand der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Männer.

Essen/trinken/gut leben. Michael Brake hat sich auf einen kulinarischen Roadtrip durch die USA begeben.

"Schließlich blicken wir auf andere Esskulturen immer durch ein schmales Fenster, wobei wir zwar meist das Richtige, aber eben bei Weitem nicht alles sehen. Oder glaubt noch irgendwer, dass die standardisierten 30 bis 60 Gerichte, die es in Deutschland beim »Griechen«, »Italiener« oder »Vietnamesen« gibt, die kulinarische Bandbreite dieser Länder abbilden? [...] Das Fenster in die USA ist für viele Leute McDonald’s, und dadurch sehen sie: Hamburger und Pommes. Und das stimmt natürlich auch, einen Burger fand ich auf meiner Reise auf fast jeder Speisekarte. Aber es ist eben längst nicht alles." (Brake, a.a.O.)

Stefan Gärtner über die richtigen Fragen und Overtourism.

Das Rezept. Heute widmen wir uns einem deutschen Küchenklassiker wie es ihn deutscher kaum gibt: Der Rinderroulade. Zwar existieren meines Wissens nach Varianten als Zrazy in Polen und Teilen Osteuropas (mit Pilzfüllung) und als Involtini in Italien (meist vom Kalb), aber ansonsten scheint mir die Sitte, Rindfleischlappen mit einer Füllung zu belegen, fest zusammenzurollen und weichzuschmoren, eine ziemlich deutsche Affäre zu sein. Rouladen sind vermutlich eines dieser Gerichte, die, ähnlich Coq au vin und Rindsgulasch, in die Welt kamen, wenn es galt, zähes, faseriges Fleisch eines alten Viechs genießbar zu machen. Eine Möglichkeit ist, das Fleisch tagelang in eine Essigmarinade zu legen und als Sauerbraten zuzubereiten, eine andere, es in dünne Scheiben zu schneiden und diese dann mürbe zu klopfen.

Der Variationen sind viele. Ich habe schon Rouladen mit Gemüsejulienne gegessen, was nicht übel war, und mit mächtiger Hackfleischfüllung. Ich halte aber nach wie vor die klassische Form mit Senf, Speck, Zwiebeln und Gurken für die beste. Vorausgesetzt, man verwendet keinen minderwertigen Billigsempf ("Wenn auf der Tube Senfmehl steht, dann Hände weg, dann ist es Dreck.") und macht sich die Mühe, den (durchwachsenen) Speck und die Zwiebeln vorher anzudünsten und die Gurken in ausreichend kleine Würfel zu schneiden. Aber natürlich gibt es noch Glaubenskriege, etwa um die Frage, ob die Sauce mit Schmorgemüse und Rotwein angesetzt wird oder nur mit Zwiebeln und Brühe. Die Unart, Rouladen wie einst meine selige Oma mit dicken glibbrigen Streifen grünen Specks zu füllen, was mir die Sache einst fast verleidet hätte, hat sich, wie es aussieht, wohl erledigt. Stevan Pauls Variante scheint mir geeignet, das klassische Sonntagsessen auf eine neue Stufe zu heben.









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