Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Sonntag, 15. November 2015
Krieg und westliche Werte
Es heißt, die IS-Killer von Paris hätten deswegen in einem Konzert um sich geballert, weil sie Musik für ein Zeichen westlicher Dekadenz halten, das sie bei sich zu Hause streng unterbinden. Wie Schweinefleisch, Alkohol, Erotik, Humor. Ja, ich weiß, wir, der Westen, sollten uns nicht einfach hinstellen und mit dem Finger auf die unserer Meinung nach Schuldigen zeigen. Den IS und vergleichbare Veranstaltungen vor ihm haben wir, der Westen, mit unserem Verhalten erst herangezüchtet und so richtig erfolgreich gemacht, ist mir bewusst.
Das bedeutet aber nicht, dass ich mich deswegen genötigt sähe, auch nur einen Funken Verständnis aufzubringen für Menschen, die sich aus lauter Heiligkeit für berechtigt halten, anderen schöne Dinge wie Musik mittels blauer Bohnen und anderer Mordwerkzeuge abklemmen zu dürfen. Ein jeder mag meinethalben gläubisch sein nach seiner Facon, aber das ist so ein Punkt, an dem meine Bereitschaft zum Differenzieren definitiv erschöpft ist.
Donnerstag, 12. November 2015
Ronny des Monats - November 2015
Angesichts dessen, was in diesem Land inzwischen binnen weniger Tage so an Meldungen zusammenkommt, kam mir spontan die Idee, einen neuen Preis auszuloben: Den Ronny des Monats. Ich weiß noch nicht, ob diese nicht dotierte Auszeichnung zu einer regelmäßigen Einrichtung wird bzw. werden muss. Ich hoffe nicht, ich fürchte ja. Ob ich nicht der Meinung bin, damit alle anständigen Ronnys, die es zweifellos auch gibt, vor den Kopf zu stoßen und zu diffamieren? Nu ja, sagen wir so: Die BRAVO verleiht auch seit Ewigkeiten diesen 'Otto' und drängt Promis, die meist nicht recht wissen, wie ihnen geschieht, eine hässliche Nippesfigur auf. Und? Gehen die Ottos der Nation auf die Barrikaden deswegen? Also!
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Ronny des Monats
Samstag, 7. November 2015
Mütter, sperrt die Töchter ein!
"In der moralischen Entrüstung schwingt auch immer die Besorgnis mit, vielleicht etwas versäumt zu haben." (Jean Genet)
Es gibt Leute, die sind so freundlich, die Welt unaufgefordert wissen zu lassen, was sie im Innersten umtreibt. Jürgen Mannke, Vorsitzender des Philologenverbandes Sachsen-Anhalt, hat in der aktuellen Ausgabe der Verbandszeitschrift ein von seiner Vize Iris Seltmann-Kuke mitunterzeichnetes Editorial verbraten, das sich mit den Gefahren befasst, die entstehen, wenn "viele junge, kräftige, meist muslimische Männer" hier einwandern und sich möglicherweise ganz bald schon an hiesigen Mädels vergreifen oder sie gar, "sicher oft attraktiv", wie sie nun mal sind, in "ein oberflächliches sexuelles Abenteuer" hineinzuquatschen trachten.
Es gibt Leute, die sind so freundlich, die Welt unaufgefordert wissen zu lassen, was sie im Innersten umtreibt. Jürgen Mannke, Vorsitzender des Philologenverbandes Sachsen-Anhalt, hat in der aktuellen Ausgabe der Verbandszeitschrift ein von seiner Vize Iris Seltmann-Kuke mitunterzeichnetes Editorial verbraten, das sich mit den Gefahren befasst, die entstehen, wenn "viele junge, kräftige, meist muslimische Männer" hier einwandern und sich möglicherweise ganz bald schon an hiesigen Mädels vergreifen oder sie gar, "sicher oft attraktiv", wie sie nun mal sind, in "ein oberflächliches sexuelles Abenteuer" hineinzuquatschen trachten.
Freitag, 6. November 2015
Das China-Komplott
Im Nachhinein bin ich ja ganz froh, dass es zu meinen jüngeren Jahren noch keine All-you-can-eat-Chinabuffets gab. Wäre das nämlich so gewesen, dann wäre ich mindestens einmal pro Woche da gewesen und hätte mich auf eine Weise ins Koma gefressen, dass ein Anfänger wie Obelix bei dem Anblick heulend sein drittes Wildschwein in die Ecke gefeuert hätte und ein Möchtegern wie Gérard Depardieu aus Frust in einem Zen-Kloster verschwunden wäre, um den Rest seines verpfuschten Daseins bei trockenem Reis, Wasser und Meditation zu fristen.
Mittwoch, 4. November 2015
Jaja, die Unterschicht
Mehr Koinzidenz geht kaum: Erst Burkhard Schröders schönen Artikel, dann den nicht minder schönen, von ihm zitierten Artikel Britta Steinwachsens gelesen, nachmittags dann beim Friseur warten müssen und insgesamt eine knappe Stunde vom RTL-Nachmittagstrash vollgemüllt worden. 'Mitten im Leben'. 'Familien im Brennpunkt'. 'Betrugsfälle'. Mit Laiendarstellern besetzte, holprig inszenierte, ordinäre Brüll- und Anpöbelhöllen. Such dir nen Job, du faule Sau! Ey, isch hab nen neuen klargemacht. Na warte, du Schlampe! Darum bitten, dass das abgeschaltet oder wenigstens leiser gemacht wird? Keine Chance. Ich wette, das Gerät kann nur RTL und die Fernbedienung liegt in einem mit Zeitschloss gesicherten Tresor. Nach einigen Minuten ist es mir zum Glück gelungen, Smartphone und Ohrhörern sei Dank, das, was da den berühmten Tick zu laut aus dem Lautsprecher quoll, einigermaßen auszublenden.
Montag, 2. November 2015
Durchlauferhitzte Krähwinkelei
"History does not repeat itself but it rhymes." (Mark Twain)
Es gibt in Deutschland diese Tradition, Staatswesen, demokratisches gar, nicht als gemeinsame Aufgabe aller Bürger zu begreifen, sondern als Obrigkeit, an die man die Verantwortung für die Politik weitgehend abtritt, die man mal machen, von der man sich bereitwillig regieren lässt und sich ansonsten heraushält. Das ist natürlich höchst bequem, denn wenn's mal schief läuft, dann ist man's auch nicht gewesen als Bürger, sondern "die da oben", die "eh machen, was sie wollen". So bin ich mir alles andere als sicher, ob es sich nur um eine Einzelmeinung handelte, wenn etwa meine selige Großmutter zu sagen pflegte, am zweiten Weltkrieg sei ausschließlich und allein "die Politik" schuld gewesen. Es könnte sich als größte, nachhaltig schädliche Folge der Kanzlerschaft Merkels erweisen, dieser Art von Aversion gegen die Politik mit ihrer jegliche Kontroverse erstickenden Art Politik zu machen massig Futter gegeben zu haben.
Samstag, 31. Oktober 2015
Alibikirgisen
Der Geschichtslehrer, den man mir in der Oberstufe zugeteilt hatte, war schon älter und riss sich keine zwei Beine mehr aus für seinen Job. Das wurde ihm aber von den meisten nachgesehen, weil er ein prima Kerl war. Dem konservativen Bürgertum jedoch, aus dem die Mehrheit der Schülerschaft sich rekrutierte, war er ein Dorn im Auge. Er war Ende der Sechziger als Junglehrer einer der ersten gewesen, der es gewagt hatte, ohne Krawatte zum Dienst zu erscheinen und er war wohl einmal von einem Lokalreporter auf einer Veranstaltung der DKP, deren Mitglied er nie war, fotografiert worden. Daher hatte er seinen Ruf als eisenharter Kommunist weg, als fünfte Kolonne Moskaus, der unschuldige Kinderseelen mit seinen gottlosen Lehren zu indoktrinieren trachtete. Als der Mann auch noch Schulleiter wurde, sahen sie endgültig den Untergang des christlichen Abendlandes gekommen. Gab es also damals auch schon, so ein hysterisches Gehuste und es war damals schon Blödsinn.
Dienstag, 27. Oktober 2015
Leben ist lebensgefährlich
... ob mit Wurst oder ohne
Schlechte Nachrichten für Atheisten. Dass Religiösität, Kirchen und traditionelle Frömmigkeit in unseren Breiten tendenziell an Bedeutung verlieren, heißt keineswegs, dass entsprechende Mechanismen und Denkweisen mit ausstürben. Wenn einem dort, wo das Christentum herrschte, früher etwas abgeklemmt werden sollte, das man gern tat oder mochte, dann hieß es, das sei Sünde und man käme in die Hölle, wenn man das nicht schleunigst bleiben ließe. Heute heißt es mit einiger Wahrscheinlichkeit, davon könne man Krebs kriegen.
Samstag, 24. Oktober 2015
Schade, dass er gegangen ist
Wolfgang Lieb, sicher den allermeisten der hier Lesenden und Kommentierenden als Mitherausgeber der NachDenkSeiten bekannt, verlässt diese mit sofortiger Wirkung, wie gestern bekannt gegeben wurde. Seine Erklärung dazu, die freundlicherweise noch veröffentlicht wurde, drückt sehr gut aus, wie auch meine Bauchschmerzen sich anfühlen, die mich angesichts der - freilich großen, diffusen, vielgestaltigen - linken Szene seit einiger Zeit immer öfter und immer stärker befallen. Ich wollte mich schon länger zu einigem äußern, was mir an Teilen des linken Spektrums zunehmend missfällt und auch beunruhigt. Da gärte was, allein, mir fehlte ein wenig der Anlass. Der ist jetzt da. Lieb meint unter anderem:
Dienstag, 20. Oktober 2015
Cocooning ist keine Lösung...
... und Ängste machen dumm. Einige ungeordnete Gedanken zum ersten Geburtstag von 'Pegida'
In den Achtzigern prägten Soziologen den Begriff des 'Cocooning'. Frei übersetzen könnte man das mit 'sich verpuppen/in einen Kokon zurückziehen'. Beschrieben werden soll damit das Phänomen, dass Menschen in unsicheren Zeiten dazu neigen, sich in aus Sehnsucht nach Sicherheit und Geborgenheit in eine private Komfortzone zurückzuziehen. Es mag ein wenig hinken, dem Terminus vielleicht nicht ganz gerecht werden, aber vieles um das Phänomen Pegida kommt vor wie Cocooning im großen Stil. Deutsche zuerst. Grenzen dicht. Alle ausweisen aus meinem Vorgarten. Die da oben sind böse und jeder, der was anderes behauptet, will mir was.
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