Samstag, 20. September 2014

Endlich. Shoppen. Können.


Seit ein paar Jahren gibt es in Dortmund ein Einkaufszentrum namens Thier-Galerie (der Name rührt daher, dass es auf dem Gelände der ehemaligen Thier-Brauerei steht). Dortmund hat gut eine halbe Million Einwohner, in der Galerie gibt es insgesamt 117 Geschäfte. Jetzt hat auch in meiner Heimatstadt nach gut zweijähriger Bauzeit ein nicht minder klotziger Konsumtempel eröffnet. Zum Vergleich: Mein Heimatstädtchen hat gut 115.000 Einwohner und in dem neuen Shoppingghetto befinden sich nicht weniger als 120 Geschäfte. Kawumm! Die umliegenden Städte können sich warm anziehen.

Schöner als vorher ist es schon, das muss man sagen. Nein, sagen wir lieber, es ist weniger hässlich als der Vorgängerbau. Nur hätte das auch ein Architektur-Erstsemester aus der Unbegabtenabteilung der Fachhochschule Dummsdorf hinbekommen, denn was da vorher stand, war ein Betonklotz aus den frühen Siebzigern. Ich erinnere mich noch, dass dass schon ein Jahr nach der Eröffnung die endlosen, dunklen Flure allgemein als Drogenumschlagplatz verschrieen waren und Eltern ihren Kindern verboten, sich dort aufzuhalten. Ein typisches Siebzigerjahre-Projekt eben, das schon am Tag der Eröffnung verranzt aussah. Ach ja, wohnen konnte man in diesem Alptraum auch. Man hatte ein nicht minder hässliches Hochhaus mit Eigentumswohnungen oben drauf geflanscht.

In den frühen Neunzigern versuchte man noch etwas zu retten, indem man im Baumarkt ein paar Paletten Wandfarbe kaufte und das ganze Teil weiß strich. Ferner pflanzte man Efeuranken, zog hier und da ein paar verglaste Wanddurchbrüche ein und verlegte neue Fliesen. Nu ja, schön war immer noch was anderes, aber in pädagogischer Hinsicht sollte ja auch das Bemühen gebührend gewürdigt werden. Normalerweise war der einzige Grund für mich, das Ding überhaupt zu betreten, die Filiale eines großen Multimediaramschers, der nun einmal in kleineren Städten auf nicht wenige Artikel quasi ein Monopol hat, wenn man etwas sofort braucht und nicht im Internet bestellen will.

Der Wohnturm wurde an einem sonnigen Sonntagvormittag publikumswirksam gesprengt. Der Abriss eines großen Gebäudes per Sprengstoff ist ja heute nicht mehr Teil der Arbeitswelt, sondern ein Event für die Massen. Wir feierten das im Kreise lieber Leute bei einem schönen Frühstück auf der Dachterrasse eines Freundes mit Blick auf das Geschehen. Als es knallte und der Klotz in einer Riesenstaubwolke in sich zusammenfiel, wurde der Sekt entkorkt. Das Ding war einfach zu hässlich gewesen.

Jetzt steht das neue Teil da und okkupiert zirka zehn Prozent der verwinkelten Altstadt. Fotos von mir gibt es hier keine, weil ich noch nicht da war. Werde ich hingehen? Ja, demnächst wohl mal, wird sich sicher nicht vermeiden lassen. Dabei zögere ich gar nicht mal so sehr aus ideologischen Gründen. Im Gegenteil, in einer Stadt, in der es noch kleine, inhabergeführte Geschäfte gibt, kann sogar ich einem Schaufensterbummel etwas abgewinnen.

Mich zieht dort nichts hin, weil diese Shoppingmalls so endlos, endlos langweilig sind. Zusammengeballte Kettenfilialen. Das ganze nur nicht unter freiem Himmel und ohne die Zumutungen des öffentlichen Raums, sondern in gediegenem, gebohnerten Hochglanzambiente und mit größerem Sortiment. Zara, Hasi und Mausi, Mediamurks, C & A, P & C, Toys 'R' Us, Apollo Optik, Christ, dm, Esprit, Deichmann und so weiter und so fort. Dazwischen die übliche Systemgastronomie. Keine Überraschungen, keine Kreativität, alles standardisiert. Kennste eine, kennste alle. Booooring!

Überflüssig zu sagen, dass es auch einen Sicherheitsdienst gibt, der orts- und branchentypisch jeden, der es wagen sollte, die Heiligen Hallen mit so etwas wie einem Lebensraum zu verwechseln, des Ortes verweisen wird.

'Palais', so haben sie den Komplex übrigens getauft und damit, wohl unfreiwillig, offenbart, was die wahren Paläste sind in einer Zeit, in der Menschen vor allem als Kunden interessant sind. Die Nachbarstädte sind natürlich schon seit längerem besorgt ob des zu befürchtenden Abflusses an Kaufkraft und überlegen, wie sie nachrüsten können. Auch in der hiesigen Innenstadt, in der durch die Neueröffnung so etliches leer steht, wird in eine der vakanten Immobilien wohl der textile Billigstheimer Primark einziehen. Die Spirale dreht sich immer weiter. Sie muss. 




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