Sonntag, 28. September 2014

Ich glotz' TV!


Irgendwann muss es ja raus. Wir haben schließlich alle so unsere Spleens, Macken und schwachen Seiten. Außerdem sind öffentliche Geständnisse ja sehr angesagt seit einiger Zeit. Also könnte ich zur Abwechslung auch mal was öffentlich gestehen. Und weil Sonntag ist, mache ich sogar zwei Geständnisse.

Geständnis Nummer eins: Ich besitze einen Fernseher und gucke tatsächlich noch Fernsehen. Auf dem Sofa, wie früher. Nicht dauernd, aber durchaus gern. Ich habe die Kiste nicht abgeschafft und werde es auch nicht tun. Seinen Fernseher abgeschafft zu haben, oft gepaart mit missionarisch vorgetragener Pauschalablehnung des Mediums, gilt in gebildeten Ständen ja als Zeichen besonderen Gebildetseins. Ist natürlich Quatsch, denn so ein Gepluster ist kein Zeichen von Bildung, sondern von Dünkelhaftigkeit und dafür, es aus irgendwelchen Gründen gewaltig nötig zu haben.

Frühere Nachbarn meiner Eltern waren überzeugte Anthroposophen. Daher hatten sie nicht nur eine tief sitzende Abneigung gegen rechte Winkel, sondern auch gegen die verderbliche Flimmerkiste. Und so stand alle paar Wochen Herr Nachbar mit einem Sixpack Bier vor der Tür und fragte an, ob vielleicht gerade UEFA-Cup geschaut würde und er sich eventuell dazu gesellen dürfe. Nein, im Gegensatz zu diesen Klischee-Studienräten und anderen Volkserziehern, die jeden, der sich als Fernsehkonsument outet, sofort in die Neandertaler-Schublade stecken, habe ich es immer mit Marcel Reich-Ranicki gehalten. Der tat einmal den klugen Ausspruch, Fernsehen vermöge die Dummen dümmer und die Klugen klüger zu machen. Nimm dies, Bildungsbürger!

Weiterhin ist es ja sehr in Mode und auch in sich up to date wähnenden Kreisen akzeptiert, Fernsehen, wenn überhaupt, nicht mehr auf einem Fernsehgerät, sondern nur noch in Form von Streams auf dem Laptop zu oder Tablet schauen. Natürlich nur die allerneuesten US-Serien. Die scheinen mir neben Röhrenjeans, Zauselbart, Nerd-Brille, Lebensmittelunverträglichkeiten und Soya Chai Latte inzwischen eine Art intellektuelles Must Have für das 'Bobo' oder 'Hipster' genannte Herdentier von heute zu sein. Ich will gar nicht bestreiten, dass unter den aktuellen Serien viel Gutes ist, aber wenn ich etwas deswegen schauen soll, weil das im Moment alle tun, die dazugehören wollen, schalte ich in der Regel auf Durchzug. Eine gute Serie ist auch nach zwei Jahren noch eine gute Serie. Außerdem bekommt man dann die DVDs - ja, ich besitze DVDs, wenn auch nicht viele - förmlich hinterhergeschmissen.

Auch dieses Gehabe, zwar Fernsehen zu schauen, aber ausschließlich und grundsätzlich nichts anderes als Phoenix, 3Sat und arte, ist ziemlich banane. Nicht zuletzt, weil es eh meist gelogen ist. Klar, so ein arte-Themenabend ist was Sinnreiches und Schönes, bei dem man meist wirklich etwas lernen kann. Gebe ich mir gern einmal. Aber auch Thrash ohne jeden Bildungsanspruch und nur mit dem Ziel, einen ein wenig abzulenken von den Zumutungen des Daseins, hat seine Berechtigung. Vorausgesetzt, es handelt sich um sauberen Thrash ohne diesen fiesen propagandistischen Subtext, mit dem viele Scripted-Reality-Formate hiesiger Privatsender unterlegt sind. Um dem deutschen Durchschnittsnormalo zum Beispiel zu vermitteln, dass Arbeitslose asozial, faul und überhaupt selbst schuld sind, auf dass er fröhlich weiter nach oben buckele und nach unten trete. 

So lange man nicht überdosiert (was nie gesund ist), kann Thrash also völlig in Ordnung gehen. Und weil das so ist, folgt hiermit das zweite Geständnis. Einer meiner Lieblingssender ist, Emma Watson möge sich meiner erbarmen: DMAX. Ja, richtig, DMAX. Der Männersender, der Kerlekanal, der Machoverstrahler, die Phallokratenspielecke. Wo Männer noch Männer sind. Uga, uga. Warum? Weil man sich bei DMAX traut, Sinnfreies zu senden, das nichts weiter sein will als unterhaltsam zu sein. Kein im hohen Tone vorgetragener Bildungsanspruch, kaum Propaganda. Thrash pur, aber alles andere als dumm und meist auch noch gut gemacht. Vor allem aber im Original mit Voiceover, denn deutsche Abklatsche ausländischer Erfolgsformate sind meist eine reichlich traurige Angelegenheit.

Zum Beispiel die drei durchgeknallten Briten von 'Top Gear'. Die semmeln PS-strotzende Autos über einen stillgelegten Flugplatz dass es nur so qualmt oder absolvieren mit selbstgebauten Gaga-Vehikeln absurde Aufgaben. Dabei haben sie einen Spaß wie pubertierende Jungs und hauen sich in einer Tour dumme Sprüche um die Ohren. Politisch Korrekt ist das nicht, und das ist auch gut so. Oder die nicht minder angeschrägten 'Gebrauchtwagen-Profis' Mike Brewer und Edd China, die alte Klapperkisten aufmöbeln und dabei demonstrieren, dass man als Gebrauchtwagenhändler auch im unteren Preissegment nicht zwangsläufig ein halbkrimineller Strizzi mit Goldkettchen und Ölfrisur sein muss.

Angeln ist eine Beschäftigungstherapie für ältere Herren, die eine Ausrede brauchen, tagelang an irgendwelchen Ufern zu sitzen und Bier zu trinken? Nicht wenn man dem kenntnisreichen Biologen Jeremy Wade dabei zuschaut, wie er sich auf die Jagd nach 'Flussmonstern' begibt und nebenbei Mythen über tödliche Angriffe durch aggressive Wasserbewohner auf den Grund geht. Apropos Mythen: Da müssen natürlich auch die Bastelzausel von 'Mythbusters' genannt werden, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Filmmythen mit empirischen Methoden und absurden Konstruktionen Marke Eigenbau zu überprüfen.

Und, klar, auch die andauernd futternden Weltenbummler Anthony Bourdain ('Eine Frage des Geschmacks') und Andrew Zimmern ('Der Alles-Esser'). Die nehmen sich jedesmal ein anderes Land oder eine andere Stadt vor und erkunden die dortige Esskultur. Ich mag ihre totale Offenheit und Vorurteilslosigkeit einfach, die kindliche Begeisterung, mit der sie alles probieren und vor nichts zurückschrecken. Ja, man ertappt sich, dass man selbst gern so leben würde. Über den ganzen Globus reisen, sich überall durchschnabulieren und auch noch Geld dafür kriegen - herrlich.

Selbstverständlich ist auch bei DMAX nicht alles Gold, was glänzt. Einiges nervt schon ziemlich in seiner aufdringlichen Virilität. Aber man muss ja nicht einschalten. Dafür sind die guten Sachen meist ordentliches, ehrliches Handwerk, das Spaß macht. Mehr braucht es manchmal nicht. Überhaupt muss niemand sich Sorgen machen, dass ich viereckige Augen hätte. Bücher lese ich nach wie vor gern, und zwar auch ganz altmodisch aus Papier, nicht auf einem Lesegerät. Und geschrieben werden will hier gelegentlich auch etwas.




11 Kommentare :

  1. Da muss ich vehement widersprechen, lieber Stefan - ich bin entsetzt, dass Du ein offenbar so unkritisches Verhältnis zum privatisierten Medium der Menschheitsverblödung durch das Fernsehen hast.

    Der Weg, der vor dieser verkommenen Menschheit liegt, wenn sie nicht aussterben oder ins völlig Groteske und damit in den Abgrund abgleiten will, ist offenbar noch viel steiniger als befürchtet.

    Entsetzte Grüße!

    Charlie

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    1. Habe kein Problem damit, dass du da anderer Meinung bis als ich, aber mir deswegen ein grundsätzlich unkritisches Verhältnis zum TV zu unterstellen, ist schon reichlich unfair und stimmt auch nicht (steht auch im Artikel). Ich leiste mir den Luxus einer differenzierten Meinung und kann in den o.g. Sendeformaten, im Gegensatz zu vielen anderen, jenseits ihrer möglicherweise sedierenden Wirkung nur wenig wirklich Problematisches sehen.

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    2. Wow, da malt ja jemand mit düsteren Farben!

      Outing meinerseits: Der Duderich guckt Dschungelcamp!
      Kann ich dann noch ein Linker sein, Charlie?

      Bist Du jetzt die Geschmackspolizei - habe ich da was verpasst?

      Belustigte Grüße (über Deine Ernsthaftigkeit)

      Dude

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    3. @ Stefan: Du hast recht, das Wörtchen "unkritisch" ist in diesem Zusammenhang falsch, ich hätte vor dem Kommentieren besser nachdenken sollen - tut mir leid. Im Übrigen bleibt meine Meinung zum TV aber dieselbe, und ich werde sie, wie ich dem Duderich bei mir drüben schon angekündigt habe, in den kommenden Wochen überprüfen, indem ich mich unbarmherzig dem TV-Programm aussetzen werde. Mal schauen, was dabei herauskommt. ;-)

      Liebe Grüße!

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    4. Ein ambitioniertes und mutiges Unterfangen - ich drücke die Daumen, dass das keine ernsten Spuren hinterlässt. Für den Fall, dass schnell ein Gegenmittel hermuss, im Nofall hier klicken.

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  2. "Seinen Fernseher abgeschafft zu haben, oft gepaart mit missionarisch vorgetragener Pauschalablehnung des Mediums, gilt in gebildeten Ständen ja als Zeichen besonderen Gebildetseins. "

    Voll auf den Punkt gebracht.
    Das ist offenbar nicht totzukriegen , und wenn überhaupt , dann gilt nur das als Niveau , was sich Autorenfilm nennt ,
    "mit 10-minütigen Einstellungen eines nassen Hundes , der grau und bedröppelt an einem trostlosen Strand hin - und herläuft" ,
    so (in etwa) die wunderbare Beschreibung von Sybille Berg.
    Aber wehe wehe , das Format ist eine Serie , ist amerikanisch oder es wird gar gelacht wie in diesen kulturzersetzenden Sitcoms , dann ist sofort Schluß mit lustig , und der Untergang des Abendlands ist nicht mehr fern.
    Oberflächlich , das geht auch auf alternative Art.

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  3. Man kann sich den ganzen Crap im TV natürlich auch schönreden bzw. legitimieren, indem man die TV-Kritiker diffamiert. Schrott bleibt aber Schrott. Das (und nur das!) ist bei mir der Grund, warum ich kein TV mehr schaue.

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    1. Nun - sag mir, ob ich mich täusche - aber behandelt euer Blog (sogar etwas nerdig angehaucht) ;) nicht auch sehr gerne das Thema PC-/Konsolen Spiele? Ist dies dann nicht auch eher klassisches Entertainment der sedierten Unterschicht? Ihr sitzt dabei auch vor nem Bildschirm. Könnte man da auch nicht Stunden drüber philosophieren, ob über diese Spiele nicht auch eine grds. (verblödende) Message mit transportiert wird...? Oder: "Killerspiele"... ;) Letztlich nur: Zeitvertreib...

      Das Thema ist so ein klassisches "wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein". Ich seh es mit der Glotze so - das Problem ist der überwiegende Schrott, der gesendet wird - nicht das Medium/Gerät. Es ist nicht die Schuld der Flimmerkiste, dass für solche Sendungen wie die Anstalt nur 2% der Sendezeit vorgesehen sind...!

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    2. *applaus*
      Ich habe einen TV - schaue darauf aber fast nur DVD. Zur Zeit noch auf BBC Doctor Who und gelegentlich das Montagskino im ZDF (okay - während der Fussball-WM habe ich dann doch den ein oder anderen Match geschaut)
      Alle anderen gelegentlich Versuche werden spätestens durch die nächste Werbung beendet. Das muss natürlich nicht jedem so gehen, aber mich widert vor allem die Werbung an. Und ist es nicht die Werbung, dann sind es so Knallköppe wie Lanz, die mich dazu gebracht haben, TV als eher ärgerlich anzusehen denn als Medium, das man vernünftig nutzen kann.

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  4. Lieber Herr Rose,auch ich habe keinen Fernseher mehr.Was manchen entsetzt^^Nun,leider muss ich sagen,dass ich ein Junkie war,der Extremzapping betrieb und jeden Sch...s ansah.Dazu kam noch,dass ich viel Spätdienst machte,ergo nachts schaute=>Da wo TV Programm besonders grauslig ist.Um mich(und meinen Verstand) zu schützen,verschenkte ich meinen Fernseher.Ob TV allgemein nur Schrott ist,kann ich nicht beurteilen.Auch ich schau gerne mal was á la DMAX(das mit den Mythen aufklären ist geil)GNTM(ich hör schon ein aufjaulen aller Frauenrechtlerinnen,Gutmenschen und Müttervereinen) und Supertalent(da kommen auch echt gute Akts drin vor).Gegen TV zu sein,finde ich etwas überheblich.Klar wird das TV immer schrottiger.Wenn Brot und Spiele gefordert werden,dann sind die TV Macher schön dumm,wenn sie den Forderungen nicht nachgeben.Lieber Epikur,sicher kennst Du auch den Spruch:Wes Brot ich ess,des Lied ich sing.Von den wenigen kulturbeflissenden "Arte Sehern"kann man keine guten Werbezeiten bekommen.

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  5. Also ich habe auch noch ein TV und schaue tatsächlich bevorzugt arte, 3Sat, SF, ORF, ZDF und die Doku-Sondersender usw.. Nicht selten bemühe ich sogar Streams/Mediathek/youtube, weil es halt zeitlich nicht immer passt. Interessantes läuft häufig mitten in der Nacht, wenn ich mit den Sternchen spielen möchte.

    Aber, ich schalte auch hin und wieder zu DMAX (zur Erinnerung, bin tatsächlich weiblich, kein Fake). Flussmonster oder solch andere Abenteuerreisen, irgendwas mit LKWs in fernen Ländern, Goldsucherkrams. Abenteurern zuschauen, bequem von der Couch aus (wie das alles immer heißt, vergesse ich leicht).

    Und natürlich schaue ich auch mal Privat-Sender. Bin bspw. ein Trekkie-Fan (und sie laufen überwiegend nur dort). Egal, welche dieser Serien, die eine lieber, die andere weniger. Doch nichts schaue ich regelmäßig. Mehr spontan, wenn Lust und Zeit sich kreuzen.

    Finde, man muss ich auch mal einfach entspannen können und ich wüsste nicht, warum das nicht gestattet sein soll. Wenn es sich nicht gerade menschenverachtende Materie handelt, eben diese sog. Reality-Verdrehungskisten (dafür fehlt mir in der Tat das Verständnis). Persönlich nenne ich das »Brüll-, Schrei- und Kreischfernsehen«. Dabei erstaunt mich schon, dass es Menschen gibt, die das offensichtlich ertragen können. Mir fällt schon beim Zappen vor Schreck die Fernbedienung runter. Neben dem unguten Gefühl, dass Häme und Hetze für manche Menschen offensichtlich einen gewissen Unterhaltswert besitzen muss sowie manche sich halt auch anschauen, wie sich andere Menschen zum Affen machen (lieber wäre mir, dass nicht ... doch verbieten, nein ...).

    Ok, die Werbung bei den Privatsendern nervt. Neige dazu, deswegen zwischen zwei solcher Serien hin und her zu zappen. Funktioniert das nicht, also Werbung gleichzeitig, steige ich meistens aus (kann Werbung in jeder Form nicht mehr ertragen. Werbung über TV empfinde ich als besonders penetrant, schon der laute Ton ... die ewig gleiche Betonung .. dieses Verkaufs-Waren-Anpreisegewäsch-Sprech ... brhhhh). Als Folge davon, bekomme ich natürlich nicht mehr alles aus der jeweiligen Serien-Folge mit. Macht aber nichts (leichte Kost), das ist ja das schöne ;)).

    Wenn das Leben nur noch aus Ernst bestünde, man sich gar nichts Leichtes mehr gönnte, würde ich ein solches Leben als ziemlich einseitig gelebt betrachten. Das gilt natürlich nur für mich. Jeder sollte das für sich selbst entscheiden und das auch entscheiden dürfen.

    Man sollte das m.E. alles von keiner Seite aus verallgemeinern und pauschalisieren. Wer seine Unterhaltung nicht auch irgendwo im TV findet, der sucht sie halt woanders. Ist doch eigentlich völlig wurscht, wie man es macht.

    Aber einen Grund - rein aus seiner eigenen Praxis rekrutiert - auf andere herab zu schauen, die es anders halten, dafür finde ich nirgendwo eine Berechtigung, die einer detailliert logischen Auseinandersetzung stand halten würde.

    Gruss
    Rosi

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