Dienstag, 20. Oktober 2015

Cocooning ist keine Lösung...


... und Ängste machen dumm. Einige ungeordnete Gedanken zum ersten Geburtstag von 'Pegida'

In den Achtzigern prägten Soziologen den Begriff des 'Cocooning'. Frei übersetzen könnte man das mit 'sich verpuppen/in einen Kokon zurückziehen'. Beschrieben werden soll damit das Phänomen, dass Menschen in unsicheren Zeiten dazu neigen, sich in aus Sehnsucht nach Sicherheit und Geborgenheit in eine private Komfortzone zurückzuziehen. Es mag ein wenig hinken, dem Terminus vielleicht nicht ganz gerecht werden, aber vieles um das Phänomen Pegida kommt vor wie Cocooning im großen Stil. Deutsche zuerst. Grenzen dicht. Alle ausweisen aus meinem Vorgarten. Die da oben sind böse und jeder, der was anderes behauptet, will mir was.

Kann man gern machen, ist legitim. Allein, es ist die Reaktion von Hasenfüßen und Verzagten, mit denen auf Dauer kein Staat zu machen ist. Die reden sich, befeuert durch gegenseitiges Bestärken in sozialen Netzwerken, ein, das Volk zu sein, versammeln sich bei diversen Events, von denen der vor einem Jahr entstandene, passiv-aggressive Massenauflauf namens Pegida in Dresden das langlebigste und größte ist.

Nazis? Klar, sicher sind welche dabei. Waren sie aber vorher schon. So blöd sind die nicht, dass sie sich eine Chance, als besorgte Bürger mit besten Absichten Präsenz zu zeigen, durch die Lappen gehen ließen. Der überwiegende Rest: Enttäuschte, sich zu kurz gekommen fühlende, diffus angepisste, staatshörige Kleinbürger, die sich als Opfer sehen. Der Staat, von dem sie sich vieles erhofften, liefert nicht so wie sie das wollen, deswegen schmollen sie jetzt halt rum. So dackeln sie einem Vorbestraften hinterher, provozieren wie die Sechsjährigen, die es nie gewesen sind und dehnen dabei die Geschmacksgrenzen.

Und provozieren, das ist seit den Neunzigern bekannt, kann man nun mal am besten durch unverbindliches Flirten mit Rechts. Kuck mal, ein Galgen, hihi. Oooch, war doch nicht so gemeint, kleiner Scherz. Hihi, er hat KZ gesagt!  Ach komm, der Onkel macht doch nur Spaß. Merkel in Naziuniform? Also wirklich, welch blühende Phantasie aber auch! Oder sie werden bockig, wenn sie nicht gleich in mehr oder minder offene Drohungen verfallen ("Ich rede mit keinem von euch mehr ein Wort. Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt!").

Natürlich wäre es leichtfertig zu verharmlosen, dass Teile von Pegida sich offenkundig in faschistischer Rhetorik üben. Wer in die von Michael Bittner verlinkte Streitschrift 'Der Nazi-Sozi' hineinsieht, die Joseph Goebbels 1927 verfasst hat, wird Frappierendes entdecken. Angst zu haben ist aber noch viel größerer Quatsch. Denn Ängste sind nicht nur schlechte Ratgeber, sondern machen leider auch zuverlässig dumm. Wie sehr, kann man schön an all jenen studieren, die vor lauter Angsthaben und Angstmachen zu nichts anderem mehr zu kommen scheinen. Angst haben, hieße, das Spielchen der sich als besorgte Bürger Tarnenden mitzuspielen und ihrer Panikmache auf den Leim zu gehen.

(Apropos Panikmache - Fun Fact: Wenn etwa jemand erzählt, er kenne direkt oder indirekt jemanden, der ein total guter, vertrauens-/glaubwürdiger Freund/Bekannter/Kollege sei, beruflich irgendwie in Auffanglagern, Unterkünften etc. zu tun habe, etwa als Polizist, Sozialarbeiter, Sicherheitskraft, Hausmeister o.ä. und der unsagbare Geschichten über die Hölle auf Erden erzähle, die dort herrscht, er aber leider einen Maulkorb bekommen hätte – dann kann man mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass es sich um eine sogenannte Moderne Sage ('Urban Legend') handelt und frei erfunden ist. Muss man wissen!)

So wie ich keine Angst habe vor einer "Flüchtlingswelle", noch nicht einmal besorgt bin deswegen, mir sie auch nicht einreden lasse, so wenig lasse ich mich von Pegida-Komikern ins Bockshorn jagen. Meine Prognose: Weil die Veranstaltung meilenweit davon entfernt ist und bleibt, 'das Volk' zu sein, wird sie weiter stagnieren. Ihre Provokationen werden deswegen immer derber werden, irgendwann werden sie anfangen, die Grenze zur Volksverhetzung und zum Gewaltexzess zu überschreiten und die Staatsanwaltschaft am Hals haben.

Dann werden die Hardcore-Rechten unter ihnen, die sich sowieso schon längst aus der Gesellschaft verabschiedet haben, wieder was von Diktatur krakeelen, in der man nicht mal mehr sagen darf, die übrigen werden den Schwanz einkneifen und sich nach Hause trollen. Der einzige Unterschied zu vorher wird sein, dass sich in Sachsen die AfD mit der FDP um die Fünfprozenthürde kloppen wird. Möge ihnen im Moment auch noch so sehr die Siegesrhetorik aus den Hälsen quellen, exakt so wird es kommen.


4 Kommentare :

  1. Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann und nicht nur im Kreis laufen muss. Deshalb empfehle ich den "Paukenschlag am Donnerstag" von Egon W. Kreuzer
    http://www.egon-w-kreutzer.de/002/PaD412015.html

    Mit freundlichen Grüßen
    Margitta Lamers

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  2. Nanu, wo sind denn die übrigen Kommentare hin?

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    1. Wegen eines ausgesprochen dummen Versehens meinerseits sind einige Kommentare im Orkus verschwunden, als ich den Spam-Ordner leeren wollte. Ließen sich auf normalem Wege auch nicht wiederherstellen. Sorry. Was ich anbieten kann, wäre, dass ich welche aus meinem Maileingang per copy & paste wiederherstelle.

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    2. Ach, ich glaube, die Mühe ist es nicht wert… Mich stört eigentlich nur, daß der erste Link zu einem meiner Meinung nach gefährlich dummen Text plötzlich ganz unkommentiert dasteht. Also sage ich es einfach noch mal:
      Der Text von Herrn Kreutzer hat nichts mit unkonventionellem Denken zu tun, sondern breitet eine wahnhafte Sicht der Welt aus, in dem die eingebornen Europäer nach einem Plan finsteren Machteliten ausgelöscht und durch eine muslimische Bevölkerung ersetzt werden soll. Und in dem PEGIDA und Freunde den Widerstand einer - natürlich meist schweigenden - Mehrheit gegen diesen Finsteren Plan anführen würden.

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