Sonntag, 23. April 2017

War's das? (2)


Dass die AfD sich so schwer damit tut, eine Richtigstellung ihrer gewohnt ekelhaften Hetze über den Sprengstoffanschlag auf den Mannschaftsbus des BVB vorletzte Woche vorzunehmen, hat einen simplen Grund: Die Truppe ist gerade mit anderem beschäftigt. Etwa damit, genau das zu tun, was schon zahlreiche andere Veranstaltungen getan haben, die sich rechts der CDU zu positionieren trachteten, nämlich sich sauber zu zerlegen. Das tut sie aus zwei Gründen. Wiewohl jede junge Partei im Aufbau Glücksritter und Durchgeknallte magisch anzieht, sind in rechten Parteien oft besonders ausgeprägte, zu Kompromissen unfähige Egos unterwegs. Der zweite liegt in einer Besonderheit der deutschen Parteienlandschaft.

Netter Versuch (uebermedien.de)
Will man als politische Partei auf Dauer erfolgreich sein, dann ist es hilfreich, eine Art Markenkern zu haben, wie Marketingleute das ausdrücken würden. Ein Thema, ein Narrativ, auf das alle sich über alle Gräben und Differenzen hinweg immer irgendwie einigen können. Die CDU zum Beispiel hat nicht deswegen so hohe Ergebnisse bei den letzten Bundestagswahlen eingefahren, weil Angela Merkel so eine feurige, mitreißende Rednerin ist, sondern weil die Partei nach wie vor das verspricht, womit sie seit Adenauers Tagen auf Tour ist: Kontinuität. Keine Experimente. Die herrschenden Verhältnisse bleiben im Kern wie sie sind. Auch die Grünen verfügten mal über so ein Narrativ, das ihnen lange Zeit stabile Ergebnisse jenseits der 10 Prozent bescherte: Wer grün wählt, lautete das Versprechen, war für gesellschaftlichen Fortschritt. Für mehr Vielfalt, für Akzeptanz alternativer Lebensentwürfe und Lebensformen usw. Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Pazifismus waren da eher sekundär. SPD und Linke haben nichts Vergleichbares zu bieten, was einen großen Teil ihrer Probleme ausmacht.

Die AfD, wir erinnern uns, war ursprünglich eine neoliberale, eurokritische Honoratioren- und Professorenpartei. Nachdem die Gründer um Bernd Lucke herausgeputscht oder von selbst ausgetreten waren, versuchte die neue Spitze um Frauke Petry und Alexander Gauland, die Partei rechts von der Union zu positionieren. Die Zeit schien sogar reif dafür, zumal sich in der Bevölkerung eine Menge Frust angestaut hatte. Über das Fehlen einer echten Opposition im Bundestag, über tendenziös berichtende Medien ('Lügenpresse!'), darüber, dass Vorbehalte gegenüber Zumutungen der Moderne scheinbar von keiner der etablierten Parteien zur Kenntnis genommen wurde und anderes. Nur gibt es in Deutschland ein Problem, das noch jeder Partei, die das versucht hat, früher oder später das Genick gebrochen hat. Irgendwann steht man vor der Gretchenfrage: Wie hältst du's mit der rechten Szene? Oder: Wie weit nach rechts soll es gehen?

Bei der AfD wollte man nach dem großen Schwenk vor allem zwei Milieus ansprechen: Frustrierte CDU-Anhänger, denen ihre Partei zu weit in die Mitte bzw. nach links gerückt war und völkisch-nationalistisch Gesinnte, die teilweise ihr Kreuz bei der NPD gemacht hätten. Pegida-nahe Kreise, von denen man sich offiziell distanzierte, denen man aber sofort darauf keck zuzwinkerte. Das Dumme daran ist, dass diese beiden Milieus eigentlich unvereinbar sind. Von einzelnen Grenzgängern mal abgesehen, setzen CDU-sozialisierte Konservative sich nicht mit bräunlich müffelndem Gesocks an einen Tisch, da in ihrem politischen Koordinatensystem rechts von ihnen nur noch die Wand kommt. Man kann der Union einiges vorwerfen, zum Beispiel ihre unrühmliche Offenheit für alte Nazis nach dem Krieg, aber in Bezug auf Neonazis hat diese rote Linie im Prinzip immer gehalten und nie zur Disposition gestanden.

Es sei denn, es gibt ein Thema, auf das alle sich einigen können. Und das bekam die AfD ab dem Sommer 2015 in Gestalt der so genannten Flüchtlingskrise frei Haus geliefert. Im Frühjahr desselben Jahres hatte es ja schon danach ausgesehen, als würde der Laden den Bach runtergehen. Normalerweise zitiere ich mich nicht selbst, aber hier ist es doch einmal angebracht, das in Erinnerung zu rufen, was ich am 20. Mai 2015 ventilierte:

"Sollte die ganze Veranstaltung nun im Orkus der Bedeutungslosigkeit versinken, dann würde die AfD zum jüngsten Mitglied jener stolzen Reihe strunzdämlicher deutscher Rechtspopulisten werden, die sich für das wahre Deutschland hielten, aber allesamt zu blöd zum Milchholen waren. Zwei, drei Jahre mit dicker Hose rumlaufen und einen auf große Volkspartei machen, dann aber zunehmend reden wie ne durchgebratene Splitterpartei und sich zur Lachnummer machen wie einst die yogischen Flieger von der Naturgesetz-Partei."

So wie der Fall der Berliner Mauer 1989 die Kanzlerschaft des eigentlich schon erledigten Helmut Kohl rettete, wischte die Flüchtlingskrise alles beiseite und brachte die AfD in ungeahnte Höhen. Als noch die Kölner Silvesternacht 2015/16 geschah, schien alles klar. Die von Frauke Petry geführte AfD ist auf dem besten Weg in den Bundestag, man wird sich dauerhaft mit ihr abfinden müssen. Jetzt, da vieles sich entspannt hat, Weltuntergang und Umvolkung weitgehend ausgeblieben sind und die Monstergos wieder das Ruder übernommen haben, stellt sich heraus, dass der Höhenflug der letzten knapp zwei Jahre eine Blase war, die ihr in den Schoß gefallen war. Nach gestern spiele ich erneut das Orakel. Will die AfD in Zukunft mehr sein als eine krawallige Splitterpartei, dann wird sie ein erneutes Wunder brauchen. Aus eigener Kraft wird sie's nicht schaffen.


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