Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Sonntag, 30. September 2018
Warum, ach sag', warum
Michael Spreng, seines Zeichens ehemaliger Chefredakteur des meistverkauften Presseerzeugnisses der Nation, muss sich doch sehr wundern. Wieso ist sein früherer Arbeitgeber in letzter Zeit bloß so komisch? Die Gazette "[...] zersetzt [...] systematisch den Respekt vor den Institutionen und Repräsentanten des Staates und delegitimiert die liberale deutsche Demokratie. Die Zeitung macht sich damit freiwillig oder unfreiwillig zur Vorfeldorganisation der AfD." Der nicht mehr gar so neue Schriftleiter "[…] Julian Reichelt hat offenbar eine Truppe von selbsternannten Kriegern um sich geschart, die glauben, sie lägen im Schützengraben und müssten nicht nur die Kanzlerin, sondern auch den liberalen Rechtsstaat sturmreif schießen.“ Büschen viel Weltkriegsmethaphorik. Egal.
Weiterhin heißt es: "Dieser Rückfall […] in ein Kampagnenblatt geschieht offenbar im Einverständnis mit dem Vorstand des Verlages Axel Springer. Denn andernfalls hätte er den Chefredakteur schon abgelöst. So kann BILD ungehemmt der AfD Schützenhilfe leisten und die Achse der Bundesrepublik nach rechts verschieben." Da ich kein Leser des Zentralorgans der Niedertracht bin und mir etwas darauf einbilde, noch niemals im Leben auch nur den kleinsten Kleckerbetrag irgendeiner Währung dafür ausgegeben zu haben, kann ich nicht wirklich beurteilen, ob das zutrifft. Nach dem, was so bei Bildblog et al. mitzubekommen ist, halte ich das aber für glaubwürdig.
Allein auf die Frage, wieso das Blatt solch ein Interesse daran hat, die Achse der Bundesrepublik nach rechts zu verschieben, bleibt der olle Sprengmeister eine Antwort schuldig. Tja, warum ist das so? Genaues weiß man natürlich nicht, aber man kann ja mal eine Hypothese versuchen:
Das geschieht nicht, weil die Springers und die Döpfners dieser Welt, ohne die die Reichelts dieser Welt nicht einmal ein Vogelschiss wären, Faschisten sind oder gar Nazis. Das geschieht, weil diese Leute wissen, was die Stunde geschlagen hat und was gerade auf dem Spiel stehen könnte. Natürlich sind sie auch keine Kommunisten, aber sie sind nicht blöd. Daher wissen sie sehr gut, wie sehr am Arsch der Kapitalismus ist in diesem Teil der Welt, und sie registrieren die sich mehrenden Zeichen, dass die Ära Angela Merkels (und, nicht zu vergessen, auch die Wolfgang Schäubles) sich dem Ende entgegen neigt. Merkel, die gern einmal bei Tante Friede zum Kaffee vorbeischaut, hat seit 2005 brav dafür gesorgt, dass Umverteilung trotz aller Verwerfungen ausschließlich in eine Richtung ging und die Renditen weiter sprudelten, notfalls um den Preis der Enteignung ganzer Volkswirtschaften.
Niemand weiß, wie lange Merkel noch im Amt bleibt bzw. zu halten ist und ob es eine geregelte Übergabe geben wird. Zwar dürfte der Neue an der Spitze der Unionsfraktion ein Mann so recht nach dem Herzen der Springers und Döpfners dieser Welt sein, aber wer kann schon wissen, was passiert? Unwahrscheinlich, sicher, aber der Super-GAU wäre, wenn die Bettvorleger von der SPD unter dem Druck noch weiter sinkender Umfragewerte auf dumme Gedanken kämen. Etwa sich auf alte Tugenden zu besinnen, die herrschende Ordnung infrage zu stellen und mit Grünen und Linken zu paktieren. Sie sehen auch die momentane Schwäche des Modells liberale Demokratie, was bedeutet, dass deren Kräfte zur Verteidigung ihrer Interessen bzw. ihres Reichtums, im Schwinden sind.
Da geht man doch lieber auf Nummer Sicher und nimmt eine 'illiberale Demokratie', also eine faschistoide Demokratur nach österreichisch/italienischem/ungarischen Vorbild in Kauf. Die hält die Massen weiter klein und doof. Entweder mit Gewalt oder indem sie dem abgehängt sich dünkenden Pöbel Zuckerl gibt wie Ausländer zu schurigeln und kurzen Prozess zu machen mit anderen Sündenböcken wie Genderwahnsinnigen und frechen linksgrünversifften Preßbengels. Vor allem stellte sie im Gegensatz zu Linken den Lauf der Geldströme und die Herrschaft des Kapitals nicht infrage. Im Gegenteil: Die Geschichte lehrt, dass sich mit solchen Regimes prima Geschäfte machen lassen. Und dass rechte Regimes normalerweise wenig bis keine Hemmungen haben, eine sich gegen die Verhältnisse wehrende Bevölkerung niederzuknüppeln, dürfte ihnen auch klar sein.
Wie gesagt, reine Hypothese. Bin kein Hellseher, kann also nicht beurteilen, ob das so stimmt. Aber plausibel erscheint mir das schon.
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