Freitag, 19. Oktober 2018

Keep the Kreishaus!


Bitte die inferioren Handyfotos zu entschuldigen, ich hatte schlechtes Licht und die Linse nicht geputzt vorm Knipsen. Das Kreishaus, das Sie hier sehen, verehrte Leser*innen, ist Baujahr 1979 und liegt ein wenig versteckt in der Peripherie der Innenstadt. Vielleicht ist es bloß Nostalgie, aber ich mag diese Art öffentlicher Architektur sehr. Natürlich ist die Hütte kein großer Wurf und kein Schmuckstück. Es ist jene vielgeschmähte 'Sparkassenarchitektur', in der auch das ungeliebte Bundeskanzleramt in Bonn ausgeführt ist. Aber gerade die unmonumentale Unauffälligkeit und geschäftsmäßige Nüchternheit macht den Charme aus, finde ich. Da wird nicht geprotzt, da drängt sich nichts auf, es soll niemand beeindruckt oder eingeschüchtert und auch nicht groß repräsentiert werden. Betritt man das Gebäude, läuft man weiter auf Kopfsteinpflaster. Ein öffentliches Forum.


In ganz ähnlichem Stil wurde hier 1978 auch ein 'Bürgerhaus Süd' genanntes Kulturzentrum errichtet. Bewusst inmitten eines übel beleumundeten Viertels. Was mich an dieser Art des öffentlichen Bauens so berührt ist, dass es eine kurze Zeit tatsächlich mal um so etwas wie 'Bürgernähe' zu gehen schien, um Offenheit, um Inklusion und nicht allein darum, wie man die zahlungskräftigsten Zielgruppen anlockt bzw. deren Kohle abgreift und die Habenichtse nach Möglichkeit ausschließt vom bürgerlichen Leben.


Das Problem an diesem schönen Kreishaus ist nun, dass der Bau inzwischen hochgradig marode ist. Wer den freundlichen Eingangsbereich, zu dem übrigens auch eine hervorragende, preiswerte Cafeteria gehört, verlässt in Richtung der Büros, der mag den Kontrast nicht glauben. Komplett abgelatschte Teppichböden, aufgescheuerte Sitze und auf den Wänden verlegte Leitungen (die Elektrik weist angeblich noch nicht einmal FI-Schutzschalter auf), weil die Planer in den Siebzigern die Computerisierung nicht kommen sahen. Der momentane Zustand des Hauses ist im wesentlichen dem geschuldet, was passiert, wenn eine finanziell klamme Kommune 30 Jahre lang das macht, was die allgegenwärtigen BWL-Gesichter gemeinhin als 'vernünftig' ausgeben: Eisern sparen um jeden Preis (außer bei ihren Gehältern).


So verkündete man letztens, es müsse baulich dringend etwas geschehen. Die billigste Lösung sei ein kompletter Neubau auf einem anderen Grundstück. Eine Kernsanierung des bestehenden Baus sei zwar geringfügig billiger, nicht aber, wenn man die Kosten einer Interimslösung für die immerhin 850 Mitarbeiter hinzurechnen, plus derjenigen für nicht einen, sondern zwei Umzüge berücksichtige. Als das ruchbar wurde, ging ein Aufschrei durch die Einwohnerschaft. Alarm! Verschwendung! Jetzt wollten 'Die da oben' sich einen Palazzo Protzo hinstellen, gegen die Neros Domus Aurea wohl ein rechter Schiss sein würde, während der kleine Mann darben müsse und mal wieder der in jeder Hinsicht der Gearschte sei, hieß es, obwohl noch nicht einmal Vorentwürfe vorlagen. Und so wurde ein Bürgerbegehren gegen einen Neubau ins Werk gesetzt. Mit Erfolg, die Entscheidung für einen Neubau musste zurückgenommen werden.


Das Problem ist nun: Ich teile die Forderung dieser meinungsstarken aber ahnungsarmen Mitbürger, wenn auch aus anderen Motiven. Ich bin der Meinung, dass die scheinbar weniger vernünftige Möglichkeit die bessere ist. Aber nicht weil ich mich krämerselig um ein paar Milliönchen Steuergeld mehr oder weniger einnässen würde - die Kalkulationen sind eh alle gehübscht und am Ende wird es, egal, was nun gemacht werden wird oder nicht, ohnehin viel teurer als geplant, jede Wette -, sondern weil ich das alte, unscheinbare, langweilige, bundesrepublikanische Kreishaus behalten möchte. Als Souvenir an eine Zeit, die nicht einem Monumentalitätswahn verfallen war, in der man weder klotzige hohenzollernsche Herrenhäuser wiederaufbauen wollte noch allüberall 'Wunden' verortete, die dringend mittels historisierendem Pomp 'geheilt' werden müssen. Westalgie? Meinetwegen.

Überhaupt, was würde bei einem Neubau schon groß herauskommen? Wegen Sparzwanges vermutlich einer dieser natursteinverkleideten 08/15-Klötze aus Betonfertigteilen mit senkrechter Fassadengliederung, wie man sie seit 10, 15 Jahren überall sieht. Nein, ich will mein Seventies-Kreishaus behalten, auch wenn ich dafür gegen den Mainstream sein muss. Was ja momentan irgendwie alle sind. Oder sein wollen. Auf jeden Fall so viele, dass genug darunter sind, mit denen ich eigentlich um keinen Preis einer Meinung sein will.




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