Samstag, 27. Juli 2019

Blaublütige Wiedergänger


"Ah! ça ira, ça ira, ça ira, / Les aristocrates à la lanterne!" (frz. Volksweise)

Man darf sich von Figuren wie der derer von Storch nicht täuschen lassen. Der Adel ist nicht blöd. Hat im Gegensatz zu Politikern, die immer auf die nächste Wahl schielen müssen, gelernt, in großen Zeiträumen zu denken. Und weiß, dass das Volk, erst recht ein so verführbares und autoritätshöriges mit Hang zum Esoterischen wie das deutsche, doof genug ist. Teile davon sind nämlich immer noch bereit, hündisch und gläubig aufzuschauen zu welchen, die aus nichts weiter als dem Zufall ihrer Geburt, ihrer Herkunft aus über Jahrhunderte durch konsequente Inzucht degenerierten Sippen einen Herrschaftsanspruch ableiten. Man schaue sich nur einen beliebigen Zeitungskiosk an und das in der Hofberichterstattung der Yellow Press sich offenbarende, anhaltende Interesse am komplett belanglosen Familienleben dieser Mischpoke.

Erwähnte ich schon, dass ich letztens Schloss Anholt besichtigt habe? Dort siedeln nach wie vor diejenigen zu Salm-Salm und betreiben das als gut gehendes mittelständisches Familienunternehmen. Als ich die kompetente, dort angestellte Dame, die die Führung machte, am Rande fragte, wie sie ihren Chef denn anreden täte, wenn niemand dabei sei, antwortete sie unumwunden: "Mit Durchlaucht!" Ups, wie hatte ich auch auf eine andere Idee kommen können? Der Fairness halber sei erwähnt, dass sie hinzufügte, die Anrede 'Herr zu Salm-Salm' sei seit 1919 auch nicht unkorrekt. Na immerhin.

Einem verbreiteten Irrtum entgegen, hat das große Guillotinieren am Ende des 18. Jahrhunderts die Herrschaft des Adels in Frankreich nicht beendet. Bis 1870 saßen auch jenseits des Rheins noch gekrönte Häupter auf Thronen. Aber das Signal war klar und unmissverständlich: Treibt ihr es zu dolle, dann setzt es was, und zwar ernsthaft. In Großbritannien genügte einst ein einziger Wink mit dem Hackebeil, um die Monarchie nach und nach zu dem rein repräsentativen Zierrat zu entkernen, die sie heute ist.

Deutsche hingegen pflegen bekanntlich, einem berühmten Diktum Lenins zufolge, vor dem Revolutionmachen erst einmal eine Bahnsteigkarte zu lösen. So war es einer der zahlreichen Fehler, die man der deutschen Sozialdemokratie anlasten muss, den Adel, der den katastrophalen Weltkrieg angezettelt hatte, 1918/19 nicht konsequent und für alle Zeiten zum Teufel gejagt und enteignet zu haben. Man nahm ihnen zwar die Titel, gab sich aber ansonsten großzügig. Man ließ den Hohenzollern einen großen Teil ihrer Besitztümer und ignorierte dabei, dass die Bande eine demokratisch gewählte Regierung, erst recht eine sozialdemokratische, prinzipiell als illegitim ansah.

Entsprechend undankbar zeigte das nobilitierte, seit Jahrhunderten im formvollendeten Lügen geübte Pack sich und arbeitete in den Roaring Twenties eifrig daran mit, die verhasste Republik baldmöglichst wieder zu beseitigen. In ihrer Gier und ihrem Revanchismus übersahen sie leider, dass dieser Hitler, dem sie sich da andienten, weil der ihnen das Blaue vom Himmel in Aussicht stellte, einen Teufel tun würde und sie bloß als nützliche Idioten benötigte. Ist vielleicht dadurch erklärbar, dass ihr Blick ein wenig getrübt war. Wenn man in blaublütigen Kreisen eine gewisse Affinität zu Völkisch-Rechten hegt, dann ist das kein Zufall. Teilt man doch die vormoderne, seit der Aufklärung durch jegliche Wissenschaft widerlegte Idee, eine bestimmte Abstammung mache einen zu etwas Besonderen und erhebe einen über den Rest der buckligen Menschheit.

"Wehe über euch Götzendiener! – Ihr seid wie die Heiden, die das Krokodil anbeten, von dem sie zerrissen werden. Ihr setzt ihm eine Krone auf, aber es ist eine Dornenkrone, die ihr euch selbst in den Kopf drückt; ihr gebt ihm ein Zepter in die Hand, aber es ist eine Rute, womit ihr gezüchtigt werdet; ihr setzt ihn auf euren Thron, aber es ist ein Marterstuhl für euch und eure Kinder." (Georg Büchner, Der hessische Landbote)


Man täusche sich nicht, es ist ein im Adelsstand immer noch verbreiteter feuchter Traum, dass eines Tages das Volk einsieht, welch historischer Irrweg die Demokratie war, darob devot angekrochen kommt, die Geschicke des Landes wieder in ihre bewährten Hände legt und Erzbischöfe ihnen wieder Kronen auf die zuvor gesalbten Murmeln setzen. Es ist auch mitnichten Zufall, dass jetzt, da wieder Völkische ihre ungewaschenen Häupter erheben und sich in immer mehr Parlamenten festsetzen, ausgerechnet das Haus Hohenzollern wieder aus der Versenkung geschissen kommt und dreiste, durch nichts zu rechtfertigende Forderungen stellt. Man muss noch nicht einmal links sein, eine aufrechte republikanische Gesinnung plus ein wenig Geschichtsbewusstsein genügt vollauf, dass sich einem da die Fußnägel aufrollen.

"Aber warum sollten die Urenkel eines monarchischen Kolonialherrn, eines der für den Ersten Weltkrieg Hauptverantwortlichen, Urenkel von Steigbügelhaltern des Naziregimes, warum sollten diese nun Geld oder »freies Wohnrecht« in Schlössern wie Cecilienhof in Potsdam bekommen?" (Andreas Fanizadeh)

Eben, warum? Wegen des Nachnamens? Demokratien kennen keine Sippenhaft. Es widerspräche einem aufgeklärten Menschenbild, Nachkommen für die Verfehlungen ihrer Vorfahren büßen zu lassen. Belohnen sollte man sie aber auch nicht unnötig dafür. Höchste Zeit also für eine konsequente Lösung. Die Antwort auf das fürstliche Ansinnen kann nur lauten: Am Arsche, Herr von Hohenzollern! Gefolgt von einer Gesetzesinitiative zur Abschaffung aller adligen Restprivilegien. Wird aber nicht passieren, wir sind in Deutschland.



5 Kommentare :

  1. Irgendwann kommt Schloss Hohenzollern noch in Arbeiterhand.

    Vorher privatisieren die aber noch BMW.

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  2. Bei blaublütig assoziiere ich immer einen hohen Blutalkoholpegel: käme schon hin, immerhin hatte der Adel als einzige Bevölkerungsschicht permanenten Zugang zu Alkohol (Kammerdiener, bring Er mir eine Kanne Malvasier!) :D

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    1. Das würde zumindest so einiges erklären.

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    2. … und ist auch nicht mal so unplausibel.
      Im Mittelalter, besonders im hohen und späten (und sicher auch noch ein paar Tage danach), wusste man schon, dass Wasser aus See und Fluß nicht immer unbedenklich zu trinken war, vor allem, falls stromauf auch schon wer wohnte. Also trank man Alkohol, wenn man sich das leisten konnte, meist Dünnbier oder gewässerten Wein.
      Bei Adels, nehme ich jetzt mal an, trank man unverdünnt, denn man konnte es sich ja leisten und musste auch nicht halbwegs nüchtern bleiben, um nicht vom Gerüst zu fallen oder beim Hacken das Holz statt der Hand zu treffen.

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