Mittwoch, 14. August 2019

Reiseimpressionen (10)


Deutschlands Esoterik-Vizehauptstadt

Ich schrieb‘s schon vor einigen Jahren: Der einst mondäne, als 'Meran des Nordens' gehandelte Kurort Bad Reichenhall hat ein wenig zu kämpfen, seit Kuren von den Krankenkassen nur mehr sparsam vergeben werden und die Reichen und Schönen längst andere Destinationen ansteuern zwecks Wellness. Aber man gibt nicht klein bei. So machen sie in aggressivem Salzmarketing. Nehmen Puffpreise als Eintritt für ihre Therme. Verhökern handgebrochenes 'Ur-Salz' für Apothekenpreise. Und es siedeln sich zunehmend Esoteriker und andere Scharlatane in der Stadt an. Mag Murnau am Staffelsee Deutschlands Esoterik-Hauptstadt sein, dann dürfte Reichenhall inzwischen dicht auf Platz zwei folgen.



Kann (fast) alles. Auch Yoga. Und Tote aufwecken vermutlich.
'Indogermanisches Restaurant' - ist das so was wie 'arisch'?

Darauf ein Becher (0,20 €) ungenießbares, aber vermutlich irre gesundes offizielles Kurwasser.


Aber schön ist‘s schon hier.



Am Wegesrand

Da gondelst du, nichts Böses ahnend, durchs Voralpenland gen Traunstein, da stößt du beim Passieren des Örtchens Surtal auf ein Schild mit der Aufschrift 'KZ-Gedenkstätte'. Dass sich hier ein Konzentrationslager befunden haben soll, ist mir neu. Also gewendet und hin. Obwohl der Ort winzig ist, ist die Gedenkstätte auf den ersten Blick nicht gleich zu entdecken, nur zwei Parkbuchten an einem bewaldeten Abhang erregen Aufmerksamkeit. Nimmt man die etwas versteckte Treppe an der Seite, steht man zwar nicht in einem ehemaligen Konzentrationslager, aber auf einem gut gepflegten Ehrenfriedhof von ca. 10 Metern Durchmesser.




Rechnest du echt nicht mit.


Hat sich was!

Das bei Salzburg direkt an der Grenze zu Österreich gelegene Städtchen Freilassing war einst Grenzbahnhof und bedeutender Eisenbahnknotenpunkt. Mehrere hundert Bundesbahner schafften auf dem Rangierbahnhof und in dem großen Bahnbetriebswerk. Seit 1992, seit Einführung des Binnenmarktes, ist das alles perdu. Kein Bedarf mehr, Betriebswerk stillgelegt. Der große Ringlokschuppen wurde museal erhalten und ist seit 2006 unter dem Namen 'Lokwelt Freilassing' eine Außenstelle des deutschen Museums in München. Für Eisenbahnaffine durchaus einen Besuch wert. Nicht zuletzt, weil es sich um ein stilles Museum handelt, das freundlicherweise auf Remmidemmi und Geräuschkulisse (zwecks 'sinnlicher Erfahrbarkeit') verzichtet.

Dear Aficionados, links im Bild die echte LAG 1 von 1905. Contain your orgasms please!
Herr Seehofer hat freundlicherweise Teile seiner Modelleisenbahn...
Ha, denkt der lokalpatriotisch tickende Ruhri sich da, das haben sie sich doch abgeschaut bei uns! Abgelegte Industriebauten nicht abreißen, sondern im schicken Rat look herrichten und kulturell, museal oder sonstwie nutzen. Haben sie nicht. Eher war es umgekehrt. Schon im 19. Jahrhundert wurden Teile des Salzbergwerks Berchtesgaden als Schaubergwerk für Besucher betrieben. Gotcha!





2 Kommentare :

  1. Im Satz „Kein Bedarf, mehr Betriebswerk stillgelegt.“ (Zl. 5 nach „Hat sich was!“) kommt das Komma ein wenig früh.

    Ansonsten mal wieder ein interessanter Reisebericht – und ein hübsches Plädoyer für das Herumgondeln als Methode zum Finden interessanter Plätze.
    (Ja, zweimal „interessant“ … aber das ist ja auch alles interessant hier!)

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