Samstag, 24. September 2022

Jenseits der Blogroll - 09/2022

 
Die Links und Fundstücke des Monats schon wieder. Dieses Mal ohne große Präliminarien. Das, was ich zum Thema Russland/Ukraine zu sagen habe, war die Tage hier schon Thema. Zu der italienische Polit-Blondine fällt mir noch nix ein und, ja, das Ende der documenta habe ich eher erleichtert zur Kenntnis genommen. Also, viel Spaß damit:

Ukraine. Jan Ole Arps erklärt, was das Problem mit Wagenknecht et al. ist.

"Das Problem ist weniger, dass Wagenknecht und Co. von Wirtschaftskrieg sprechen. Das Problem ist, dass sie strikt national argumentieren. Für sie gibt es nur Deutsche. Deutsche Unternehmen, denen die hohen Energiepreise zu schaffen machen, und deutsche Lohnabhängige, die deshalb frieren müssen. Beide bilden eine Interessengemeinschaft, in der eine florierende Wirtschaft die Voraussetzung für mehr Umverteilung von oben nach unten ist. So verwandeln sie Klasseninteressen in nationale Interessen.

Internationalistische Ziele kennt diese sozialkonservative Linke nicht. Für sie sind Einflusssphären kapitalistischer Staaten wertvoll, nicht die Menschen, die darin leben. Dass Putins Überfall auf die Ukraine für das Leid von Millionen Menschen, einschließlich der russischen Soldaten, verantwortlich ist, dass ukrainische wie russische Linke eine Niederlage Moskaus herbeisehnen, all das perlt an den Sozialkonservativen mit ihrem Deutschlandtunnelblick ab." (Arps, a.a.O.)


analyse & kritik bringt fünf Texte aus der russischen Antikriegsbewegung.

Interview mit Adam Tooze über die Gaskrise.

"Auch in den reichen Ländern des Westens friert Jahr für Jahr ein Teil der Gesellschaft - die Sterblichkeit steigt jedes Jahr im Winter, vor allem unter älteren und ärmeren Menschen. Dazu braucht es weder einen Krieg in der Ukraine noch irgendwelche russischen Machtspiele in Sachen Gas. In letzter Konsequenz wird es im kommenden Winter darum gehen, einen Schub an Übersterblichkeit zu verhindern." (Tooze, a.a.O.)

Agnieszka Graff und Elzbieta Korolcuk über Russlands Feldzug gegen 'Gender' und den 'dekadenten Westen': Kultureller Krieg und tatsächlicher Krieg.

Mehr Politik. Ulrike Herrmann über Kapitalismus und Klimaschutz. Dazu auch Georg Seeßlen.

Ich ertappe mich dabei, Hannes Steins Gedanken über die Grünen zumindest teilweise zuzustimmen.

Linke machen immer wieder den Fehler zu glauben, in der politischen Debatte ginge es um das bessere Argument, meint Kevin Drum. Denn: The world is not a debating club.

Owen Jones über das gespaltene Großbritannien.

Kultur, Gesellschaft, Gedöns. Aus Uwe Schüttes Ausführungen über britische Universitäten lässt sich entnehmen, dass der grassierende Wokeism, mit dem seit einiger Zeit die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften überzogen werden, auch ein Ergebnis des Trends ist, Bildung zur bloßen Dienstleistung zu degenerieren.

"Die britischen Hochschulen agieren als Dienstleister, die ihre horrende Studiengebühren zahlenden Studierenden als Kunden betrachten, die - einer Marketingweisheit zufolge - als Könige zu behandeln sind. [...] Bildung wird zu einem (teuer erkauften) Service, Dozenten zu willfährigen Dienstleistern, die Spaltung zwischen Exzellenzunis und dem traurigen Rest verstärkt sowie soziale Privilegien gegenüber den Ausgeschlossenen gesichert. [...] Durch die Neoliberalisierung der higher education verfielen nicht nur intellektuelle Neugier oder kritisches Denken, sondern etablierte sich seitens des academic managements zunehmend ein Regime, das dem Kunden, in der Furcht vor potentiellen Beschwerden, vor allem Inkommensurablen zu bewahren trachtet. Die Selbstzensur der Lektürelisten und die Proliferation von trigger warnings sind wesentlich vor diesem Hintergrund zu verstehen, selbst wenn sie in vielen Fällen durchaus berechtigte Anlässe haben können." (Schütte, a.a.O.)

Frappierend. Also nicht nur das, sondern auch das:


 
Mehr Twitter. Interessanter Thread über den angeblichen Linksdrall von Journalisten bzw. die allfälligen Klagen darüber (via deliberatiion daily). Dazu: Die Wahrheit über eins der am häufigsten aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate aller Zeiten.

Interview mit Jürgen Zimmerer zu Karl May.

Andrea Petković, die jetzt ihre Karriere als Profitennisspielerin beendet hat, kann nicht nur Tennis, sondern auch schreiben. Ich fand ihre Kolumnen im SZ-Magazin immer anregend und berührend.

Frank Schäfer erinnert an die deutsche Hardrock/Protometal-Band Lucifer’s Friend, der der verdiente große Durchbruch immer verwehrt geblieben ist. Sänger John Lawton wechselte bald zu Uriah Heep, andere Mitglieder, darunter Gitarrist Peter Hesslein, spielten während der 1970er bei James Last.

Markus Dichmann über das erste Konzert der 'Ärzte' vor vierzig Jahren in Berlin-Kreuzberg. (Vier-zig Jahre??? Das war doch eigentlich erst vorgestern.)

Hörbar. Der erste Kommentator bei YouTube bringt es auf den Punkt. Jemand sollte unbedingt eine Metal-Version davon machen:


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Sport. Fällt heute aus.

Essen, trinken, gut leben. Anna Vollmer erklärt, warum man in Italien seinen Kaffee unbedingt im Stehen an der Bar trinken sollte.

Tobias Müller mit einer Hommage an den Schafskäse von Gazi, einen seiner Supermarkthelden. Gazi ist übrigens kein türkischer Hersteller, sondern wurde 1972 von dem spanischen 'Gastarbeiter' Eduardo Garcia in Stuttgart gegründet.

Leo Fischer über die Capri-Sonne. Und über belegte Brötchen vom Bäcker. Letzteres verstehe ich ja nicht. Also das ganze Konzept. Ich meine, da geben Bäcker immer damit an, welche Mühe sie sich mit ihren Brötchen geben. Diese Mühe währt aber offenbar nur bis zum Belegen. Denn da wird auf die leckersten, reschesten Semmeln gummiartiger, geschmacksfreier Käse oder säuerliche Billigstsalami gepatscht. Dann noch Salatblatt, Tomatenscheibe sowie ein halbes Pfund Gruselmajo aus dem Litergebinde drauf und für 3-4 Euro verhökert, das Ganze. Sieht so Wertschätzung gegenüber dem eigenen Produkt aus?  

Zum Rezept. Der Blumenkohl, im alpinen Nachbarland Karfiol geheißen, steht unter hiesigen Hobbyköchen in keinem besonders guten Rufe. Einst brach Kochpapst Wolfram Siebeck den Stab über ihn mit den Worten, Blumenkohl sei ein "ordinärer Stinker". Kurz bevor ich das im Zeit-Magazin las, diente ich zivil in einen Krankenhaus. Dessen Küche verabfolgte sonntags bevorzugt Blumenkohl als Beilage. Es muss sich um totgekochte TK-Ware gehandelt haben, denn jeden Sonntag miefte das ganze Untergeschoss wirklich penetrant danach.

"Erwachsene essen das und diskutieren anschließend über die Gesundheitsreform." (Siebeck über die Kantine des Bundestages)


Uncool oder nicht, habe ich Blumenkohl trotz allem immer gemocht, auch der Krankenhausküchenbulle hat es damals nicht geschafft, mir das zu verleiden. Aber ich bin da heikel. Blumenkohl muss bei mir genau den richtigen Gargrad haben. Nicht zu weich natürlich, aber auch nicht zu al dente, wie das Mode ist. Irgendwo dazwischen. Und die Kombination mit einer Béchamel habe ich immer geliebt (einen Hauch Muskat nicht vergessen!). Kommt dann noch Käse dazu, befinde ich mich gefühlt quasi auf direktem Weg ins Nirvana. Da traf es sich, dass ich letztens gleich auf zwei Varianten stieß: Madame Bastians gratin de chou-fleur (obwohl auch Brokkoli mit drin ist und ich eher Gruyère anstatt Emmentaler nehmen würde) und Felicity Cloakes Cauliflower cheese (wo verdammt kriege ich jetzt Lancashire her?).







2 Kommentare :

  1. kurz eingeschoben zum thema sozialkonservative nationalistische linke; flatter singt mittlerweile ja auch das hohelied auf die doitsche wirtschaft, der alte antinationalist:

    Gerade Deutschland geht dabei den Weg des wirtschaftlichen Suizids.

    Die Beziehungen zu Russland, über Jahrzehnte geprägt durch absolut verlässliche Geschäftspartnerschaft, waren die Basis der deutschen Wirtschaftskraft. Günstige Energie sorgte für die Produktion hochwertiger Produkte und Maschinen. Auf Befehl Washingtons haben die Lakaien, allen voran die eifernden Grünen, diese Basis zerstört und verbrannte Erde hinterlassen.


    (nope, nicht unter kunst/lyrik/klamauk abgeheftet...der merkt echt nix mehr)

    und ich les immerzu „energie“, vor allem „günstige“…quasselt von verbrannter erde, während dieses land endlich zu ner energiepolitik gezwungen wird, die vielleicht und hoffentlich nicht mehr als löwenanteil fossile brennstoffe vorsieht. krich ich schon ziemlich das kalte kotzen.

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  2. Gekochter Blumenkohl vulgo Karfiol “stinkt“ ja nicht grundsätzlich ordinär – vorausgesetzt man weiß, worum es sich dabei handelt.

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