Donnerstag, 27. Juni 2024

Vermischtes zur Eh-Em (IV) - Vorrundenbilanz


Die Vorrunde wäre glücklich überstanden. Zeit für eine erste Zwischenbilanz.

Der überwiegend gruselige letzte Gruppenspieltag ordnete das 1 : 1 der DFB-Elf gegen die Schweizer ein bisschen ein. Die Franzosen mühten sich gegen die Polen zu einem Unentschieden. Und die Niederländer haben von den Österreichern gar eine Niederlage kassiert. ÖFB-Trainer Rangnick lieferte zwei Erkenntnisse. Erstens sollte der Unfug, bevölkerungsärmere Länder hätten tendenziell schwächere Teams, womit die Österreicher sich lange selbst blockiert haben ("Schaun's, mir san a kleines Land…"), endgültig vom Tisch sein. Und zweitens zeigt das Beispiel, was für ein Kokolores das Gerede ist von wegen, ein Nationaltrainer habe ja quasi keinen Einfluss auf die Entwicklung seiner Mannschaft und sei mehr so ein Gute Laune-Onkel, der bloß ein wenig Stimmung machen kann.

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Ist aber auch ein bisschen schade, denn leider fallen jetzt, wie ein Kommentator im 'Standard' anmerkt, so ziemlich alle österreichischen Fußballtugenden weg:

- Jammern wegen Auslosung
- schwach anfangen, stark nachlassen
- Ausgleich fangen, zerbrechen
- zufrieden sein mit einer knappen Niederlage
- Gott wollte es nicht
- keine Chance, die besten sind verletzt

Aber Raunzen, das geht immer noch, göh?

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Die unfair auftretende türkische Mannschaft (elf gelbe allein im Spiel gegen Tschechien, ein neuer Rekord) kann froh sein, am Ende noch vollzählig gewesen zu sein. Wäre der Schiri einigermaßen konsequent gewesen, hätte zumindest Yildiz nach seinem überaus dreisten zweiten Foul zum zweiten Mal Gelb sehen und vom Platz gestellt werden müssen. Plus Sperre im nächsten Spiel. Sorry, liebe türkische Nachbarn, aber gegen die Österreicher sehe ich schwarz.

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Wie es Christoph Kramer schon so richtig sagte: Das Gerede von den "Geheimfavoriten" ist Quatsch. Denn in dem Moment, in dem man einen Geheimfavoriten so nennt, ist er nicht mehr geheim. Dann wäre da das Phänomen mit den Dauergeheimfavoriten. Während der ganzen Neunziger und Nuller habe ich mir von Auskennern die Nummer mit Portugal als "Geheimtipp" angehört. Pooor-tugal!!! So viele tolle junge Spieler! So viel Talent! Goldene Generation! Und? Ein EM-Titel (2016), als die meisten jungen Talente längst schon wieder in Rente waren. Oder Belgien. Höre ich auch seit bestimmt zehn Jahren. Ahhh, Beeel-gien! So viele Talente! Dieses Mal ist Belgien aber mal so was von an der Reihe! De Bruyne! Lukaku! Witsel! Ach, der spielt schon gar nicht mehr richtig mit? Egal. Nun, wir werden sehen. All the best. Eines sollte doch endlich mal klar sein. Wenn überhaupt, dann treten Favoriten und meinetwegen auch Geheimfavoriten überraschend auf, und nicht, weil Stammtischcotrainer das schon immer gesagt haben.

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Und die Engländer? Machen halt das, was Engländer bei Turnieren so machen.
 
  
 
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Der VAR sitzt bei der EM übrigens nicht im Kölner Keller, sondern in einem Erdgeschoss in Leipzig. Geht es deprimierender? Deprimierender wäre noch eine Leichtbauhalle im Gewerbegebiet in Kassel oder einem anderen im Krieg zu Feinstaub gebombten und dann so lala wieder aufgebauten Mittelzentrum auf dem platten Land in der Mitte Deutschlands. Was noch mehr nervt als der VAR? Dieses dauernde Abstoppen der Schützen beim Elfmeter, zum Beispiel von Lewandowski. Und dass das komischerweise nicht abgepfiffen wird (im Wiederholungsfall müsste es Gelb geben), sondern nur wenn der Torwart sich zu früh bewegt. Ja, das ist regulär, aber welche Balletttänze werden wir von den Schützen wohl in ein paar Jahren bewundern können?

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Was nervt noch? Der Turniermodus. Der Modus mit 16 Mannschaften, von denen nur jeweils die beiden Gruppenersten weiterkommen, hat Absprachen bzw. gefinkelte Spiele a'la Gijon 1982 einigermaßen zuverlässig verhindert. Jetzt gibt es das mit den Gruppendritten, weil man aber keine drei Spiele zeitgleich anpfeifen kann oder will, ist so was wieder möglich.

"Am Ende des dritten Spieltags wird ermittelt, wer die vier besten Gruppendritten sind. Um etwaige Absprachen innerhalb einer Gruppe zu vermeiden, wird der dritte Spieltag in jeder Gruppe zeitgleich ausgetragen. Doch das hilft nur wenig, wenn die Partien aller Gruppen an verschiedenen Tagen ausgespielt und die Platzierungen über die Gruppen hinweg miteinander verglichen werden. Das führt zu einem erheblichen Vorteil, je später man spielt. [...] In der Theorie können sich zwei gegeneinander spielende Mannschaften absprechen, während ein Team, das bereits gespielt hat, tatenlos zuschauen und warten muss, was in den anderen Gruppen passiert." (Noah Platschko)

Zwar scheinen offenkundige Schiebereien ausgeblieben zu sein, aber die Unentschiedenorgie der letzten beiden Spieltage (weil mit Blick auf andere Gruppen ein Unentschieden halt reichte) war schon abtörnend. Höhepunkt war die Gruppe E, in der am Ende alle vier Teams vier Punkte hatten und es Rechenkunststücke brauchte, um zu ermitteln, wer nun weiterkommt. Das hat der Sache keinen Dienst erwiesen und hatte mit Wettbewerb nichts zu tun.

Also wieder zurück zum Modus der 16? Kaum. Erstens wird die UEFA sich die Mehreinnahmen wohl kaum wieder nehmen lassen, zweitens muss man sagen, dass viele der 'kleineren' Mannschaften, die sich sonst nicht qualifiziert hätten, vor allem deren Fans, wirklich Farbe ins Geschehen bringen.







2 Kommentare :

  1. "Das Gerede von den "Geheimfavoriten" ist Quatsch"
    Yes!
    Manche Teams haben einen "Lauf" – alle sind gerade launemäßig gut drauf, evtl gerade eine LMAA-Einstellung. Fitness gerade top. Alle Spieler finden sich gerade gegenseitig sympathisch.
    In Summe ein "unschlagbares Team"

    Gruß
    Hennes Weisweiler & Helmut Schön

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  2. Belgien ist Geheimfavorit, seit sie 1980 die Abseitsfalle erfunden haben. Seit diesem Jahr (2xHrubesch) waren sie nie mehr im Finale.

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