Donnerstag, 6. Juni 2024

Verkadert

 
Uiuiui. Jetzt haben doch zwanzig Prozent der Befragten bei einer von Bundestrainer Nagelsmann "Scheißumfrage" genannten solchen angegeben, sie hätten gern eine weniger diverse deutsche Nationalmannschaft. Genauer gesagt: Sie fänden es gut, wenn wieder mehr Weißhäutige den Adler auf der Brust trügen. Jetzt kann man sichs einfach machen und sagen: Nun ja, knapp achtzig Prozent sagen halt was anderes, so what? Und Thema durch.

Man könnte auch recherchieren. Und feststellen, dass im aktuellen Kader von knapp dreißig Personen gerade mal fünf sind, die man, vorausgesetzt, man findet das irgendwie relevant und ohne da irgendwie Experte zu sein, als nicht bzw. nicht vollständig weißhäutig bezeichnen könnte. Es handelt sich um die Herren Rüdiger, Heinrichs, Tah, Sané und Musiala. Habe ich jemanden übersehen? Schreibt es in die Kommentare!

Wobei Heinrichs und Sané momentan eher keine Stammspieler sind. Und man meiner laienhaften Meinung nach bei Jamal Musiala schon sehr großzügig sein muss. Aber das können welche, die sich im Gegensatz zu mir mit Rassenkunde auskennen, sicher besser beurteilen. Das kann jetzt natürlich an mir liegen und es ist im Zweifel ja immer auch alles Geschmackssache. Aber eine von Dunkelhäutigen dominierte Nationalmannschaft stelle ich mir irgendwie anders vor.

Sicher, man könnte das auch ausweiten auf Spieler mit Migrationshintergrund allgemein. Haben doch immerhin noch 17 Prozent in derselben Umfrage angegeben, sie fänden es schade, dass der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, immerhin einige Jahre lang Kapitän von Manchester City, türkische Wurzeln habe. Was teils undeutsche Abstammung angeht, müsste man zusätzlich zu Gündoğan noch die Herren Undav und Pavlović nennen. Bei einem zirka dreißigköpfigen Kader hätten also zehn Prozent einen nicht ganz hiesigen Hintergrund. Wow!

Ganz ehrlich: Menschen, die sich wegen dieser Zusammensetzung der Nationalmannschaft überfremdet fühlen oder so, denen ist, so sie nicht besoffen oder sonstwie bedrogt an der Umfrage teilgenommen haben, auf sehr vielen Ebenen nicht zu helfen.

Nun will ich Rassismus gewiss nicht verharmlosen oder klein reden, im Gegenteil. Aber ich habe da schon ein paar Fragen. Die erste und wichtigste: Was zum Fick ist daran eine Neuigkeit? Allen, die mit zwei halbwegs funktionierenden Augen durch die Gegend laufen, sollte das sonnenklar (gewesen) sein. Ist es wirklich so eine Megaüberraschung, dass zwanzig Prozent der Befragten so antworten, wenn wir das (theoretische) Wählerpotenzial der AfD bei um die zwanzig Prozent annehmen können?

Sicher, man muss das extrapolieren auf die Gesamtbevölkerung und ferner bedenken, dass nicht alle, die angeben, ihr Kreuz bei der AfD zu machen, Rassisten sind. Aber wenn wir ferner annehmen, dass es auch unter Anhänger:innen anderer Parteien Rassismus durchaus vorkommt, dann kann man die zwanzig Prozent irgendwas für ein durchaus realistisches Bild halten. Also, was soll das empörte Backenaufblasen, das Eindreschen auf die Überbringer der schlechten Nachricht?

Ganz ehrlich: Menschen, die von dem Umfrageergebnis ernsthaft geschockt waren, haben bis zum Sylt-Video vermutlich auch geglaubt, Rassismus käme ausschließlich unter bölkstoffumwölkten Prolls vor, nie-niemals-nicht jedoch unter properen, wohlerzogenen Wohlstandskindern oder gar ihresgleichen, und müssen sich fragen lassen, unter welchem Stein sie so gepennt haben die letzten Jahrzehnte. Wie gesagt: Mann kann das für eine schlechte Nachricht halten und tut es mit recht. Aber überrascht sein? Ernsthaft?

(Daran übrigens, dass auch bei der zum 'Sommermärchen' glorifizierten WM 2006 nicht alles Gold war, was glänzt, sollte man in diesem Zusammenhang auch noch einmal erinnern. Es grenzt für mich bis heute an ein Wunder, dass es im Anschluss an die Halbfinalniederlage gegen die italienische Mannschaft nicht zu massenhaften Ausschreitungen gegen italienische Fans, Restaurants etc. gekommen ist.)

Zurück zum Anfang. Tja, was hat Nagelsmann da wohl geritten? Vielleicht kennt der Mann sich einfach besser mit Statistik aus als der deutsche Durchschnittsjournalist und meinte das mit der "Scheißumfrage" daher in Bezug auf die Aussagekraft und den Neuigkeitswert. Damit ließe sich gut leben.








6 Kommentare :

  1. "hätten also zehn Prozent einen nicht ganz hiesigen Hintergrund".
    Wenn ich im Geiste "hiesigen" durch "deutsch" ersetze, was damit ja wohl —stark verkürzt — gemeint ist, dann wird mir klar, was das schon im Ursprung für eine Kackdiskussion ist.

    Man kann den Kram jetzt noch schön weiter auswalzen auf weitere Breitensportarten wie Handball (Skandinavier und Osteuropäer), Eishockey (Kanadier, Skandinavier), Basketball (Amerikaner — oupps, da hats ja schwarze und weiße Menschen) ....

    Irgendwie baba
    Jens

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  2. ich sage immer, es kann einer Hautfarbenmäßig schwarz/grün kariert sein, ist mir doch egal. Hauptsache er kann Fußball spielen. Oder in anderen Bereichen. Gut arbeiten/Steuern ehrlich zahlen und sich so ordentlich benehmen, das er nicht strafrechtlich verfolgt werden muss. Das betrifft alle Menschen.Und da ist mir ein Migrationshintergrund herzlich sch...egal

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  3. Der Anteil entspricht doch dem Anteil an der deutschen Bevölkerung. Haben die Franzosen 11 blütenweiße Patrioten auf dem Platz? Die Engländer?

    Das Idol meiner Kindheit war Rainer Bonhof, eigentlich ein Holländer. Es gibt zwei Gruppen von Leuten, die ich nicht ausstehen kann: 1. Rassisten, 2. Holländer. (welcher Film?)

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    1. Wenn Menschen in der 3. oder 4. Generation immer noch mit "Migrationshintergrund" versehen werden, obwohl deren Grossvater oder gar Urgrossvater bereits die deutsche Staatsangehörigkeit hatte, dann wäre es nur kosequent, alle sogen. Biodeutschen als "Deutsche mit Faschismushintergrund" zu bezeichnen. Ist doch logisch oder?

      Und zum Rassismus im Fussballsport kann ich nur sagen: Gauchotanz 2014.

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  4. Ich verstehe das sowieso alles nicht. Was geht uns das eigentlich an? Der DFB hat keinerlei demokratische Legitimation, ebensowenig hat das die "National"mannschaft. Das Ganze ist eine Versanstaltung internationaler Vereine, die eine Bestenauswahl aus ihren jeweiligen Ligen gegeneinander antreten lassen. Die können auf den Platz schicken, wen sie wollen. Wenn wir hingegen eine Natioanlmannschaft hätten, dann bräuchten wir wohl eine Parlamentsmannschaft, wie wir eine Parlamentsarmee haben. Dann bräuchten wir demokratische Prozesse, diesen Kader zu küren. Vielleicht mit der Direktwahl des Bundestrainers, oder des Mannschaftskapitäns... parlamentarische Ausschüsse wie den Nationalmannschafts-Ausschuß (unter Vorsitz der AfD?) der sich dann das 1:1 gegen Liechtenstein zum Tagesordnungspunkt und zur Bühne von Auseinandersetzungen macht. Aber bis es soweit ist, ist das Ganze mehr oder minder eine Privatveranstaltung.

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