"Wer kennt sie nicht, diese Posts, Sharepics oder empörte Interviews, in denen in schrillsten Tönen das Ende der Industrienation Deutschland angekündigt wird. Schaut man sich die Urheber dieser Posts genauer an, fällt auf, dass viele dieser Aussagen einer Faktenprüfung nicht standhalten und die Verfasser in vielen anderen Bereichen massive Faktenleugnung betreiben. Natürlich geht es dabei oft nur darum, die Stimmung des eigenen Klientel zu bedienen. Doch gefährlich wird es, wenn diese Faktenleugnung die öffentliche Meinung manipuliert oder gar in konkreten politischen Beschlüssen mündet. Dann kostet Faktenleugnung nicht nur Geld und verzögert Maßnahmen gegen die Klimakrise, sondern gefährdet ironischerweise am Ende die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als Industriestandort." (Stefan Holzheu)
Das Paradoxe ist ja: Wer den Untergang Deutschlands wirklich will, so man in diesen Kategorien denken mag, muss nur auf die hören, die ihn am allerlautesten beklagen und vorgeben, ihn abwenden zu wollen: Die Faktenleugner von AfD, CDU/CSU und FDP nämlich. Deren fortwährendes Gelaber von der von Linken und Grünen vorsätzlich herbeigeführten Deindustrialisierung, ihr dummdreistes Leugnen des menschengemachten Klimawandels und ihr Festhalten an obsoleter Technik, das Ganze garniert mit einem fetten Schlag Rassismus -- wenn die Ausländer erst mal alle weg sind, dann geht's uns wieder gut -- all das könnte, nein, wird sich sicher sehr bald schon sehr bitter rächen. Weil die deutsche Wirtschaft dadurch so richtig brutal abgehängt werden wird.
Glauben Sie nicht? Alles übertrieben? Nun ja. Der jüngst hier ehrenvoll erwähnte Jens Spahn (CDU) ventilierte in diesem Herbst 2024 allen Ernstes, die Ursache der Krise bei Volkswagen sei, dass das Management einseitig auf Elektromobilität gesetzt hätte. Wolle man noch die Kurve kriegen, müsse man sich, so wörtlich, "vom desaströsen E-Auto-Zwang verabschieden" und Verbrennerverbot zurücknehmen. Nun weiß ich nicht, welche Medikamente im Hause Spahn so gereicht werden, aber ich hätte da eine Preisfrage:
Wie viele Exemplare seines elektrischen Hoffnungsträgermodells EQE hat Mercedes-Benz im Oktober in China verkauft?
Antwort: Kein einziges, wie es aussieht. Nada. Niente. Null. Trotz enormer Rabatte. Die Akkukiste, die bei uns 83.000 irgendwas aufwärts kostet, kriegt man dort für umgerechnet 47.000. Schnäppchen! Will trotzdem keiner, das Teil. So viel zum Thema: Na ja, tsss, VW mit seinen Allerweltsmassenautos halt. Mercedes hingegen mit seinem Premium-Angebot wird immer seine Nische haben. Die schlechte Nachricht: Mit den Verbrennern sieht es nicht besser aus. Einstmals begehrte deutsche Otto- und Dieselschubsen gelten in China inzwischen so sehr als Opa-Autos wie bei uns einst der popelgrüne Dieselstrichachter mit 70 PS. Dumm gelaufen.
Was noch paradox ist: Allenthalben wird beklagt, Politiker trauten sich nicht mehr, den Menschen auch unbequeme Dinge zu sagen. Reinen Wein einzuschenken. Machen es aber mal welche und sagen: Bedaure, unser bisheriger Lebensstil wird sich in dieser gewohnten Form nicht beibehalten lassen, und wenn, dann nur um den Preis gewaltiger Anstrengungen, ist das Geschrei erst recht groß. Denn es trifft ja auf einmal nicht mehr nur die Armen und die Ausländer. Außerdem fliegen die doofen Grünen auch in Urlaub. Die schlechte Nachricht: Deutsche Befindlichkeiten wie die, dass zu viel Wandel den armen, an Bequemlichkeit gewöhnten Michel überfordert, sind der Weltwirtschaft komplett wumpe.
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Zumal das fortdauernde Gerede von der angeblich von rotgrünen Spinnern aktiv und vorsätzlich betriebenen Deindustrialisierung Deutschlands auch in Bezug auf die Ursachen komplett am Kern vorbeigeht. Zurzeit vollzieht sich auch in Deutschland mit gewisser Verzögerung eine Entwicklung, die viele andere Länder bereits hinter sich haben bzw. die dort schon deutlich weiter fortgeschritten ist: Ein anhaltender Wegfall von Jobs im primären und sekundären Sektor zugunsten des tertiären Sektors. In Deutschland hatte das verarbeitende Gewerbe 2023 noch einen weit überdurchschnittlichen Anteil von gut 20 Prozent an der Bruttowertschöpfung. In Spanien und den Niederlanden waren es 12 bzw. 12,5, in Frankreich gar nur 10 Prozent.
Kann man das nicht umkehren, zumindest aufhalten? Wenn man technischen Fortschritt umkehrt, vielleicht. In den 1950ern arbeiteten zum Beispiel noch 30 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft, 2022 waren es gerade 1,2 Prozent. Das kann man gewiss beklagen. Ich bin auch durchaus für Eingriffe in den Markt, weil unregulierter Markt fast immer einen Scheiß regelt. Nur, was tun? Sollen wieder die Kinder und die Alten für Gotteslohn auf den Feldern Kartoffeln lesen und bei der Heuernte anpacken? Es wird sich, nicht ohne Grundlage, empört über Konzentrationsprozesse im Agrarsektor. Nur: Wie viele Deutsche wären bereit und in der Lage, Preise für lokal und personalintensiv erzeugte Lebensmittel zu berappen, die ein paar Millionen Menschen mehr ein Auskommen in der Landwirtschaft ermöglichten?
Dann die Industrie. In den 1960ern waren hier im Ruhrgebiet noch über eine halbe Million Menschen in der Montanindustrie tätig. Selbst wenn man die mit aberwitzigen Rieseninvestitionen wiederbeleben würde, wieder Kohleflöze erschlösse, Kokereien und Stahlwerke baute, selbst dann wäre dank moderner Technik nur ein kleiner Teil des Personals von damals nötig. Wer den Kram dann kaufen soll, stünde freilich noch einmal auf einem anderen Blatt.
Die schlechte Nachricht: Selbst wenn die komplette deutsche Autoindustrie, sagen wir, ab Januar von jetzt auf gleich ausschließlich supercoole E-Mobile baute, würden immer noch massig Jobs wegfallen. Nicht nur in der Produktion, sondern auch in der Zulieferindustrie. Weil Elektroautos aus viel weniger Teilen bestehen, keine Getriebe, keine Kupplungen und keine Motorelektrik mehr brauchen und zudem viel wartungsärmer sind als Verbrenner. Sogar die Bremsbeläge von Elektroautos verschleißen dank Rekuperation viel langsamer. Kfz-Betriebe, die jetzt noch gute Geschäfte mit Inspektionen und Wartung machen, werden sich wohl neue Einnahmequellen suchen müssen.
Zahlen gefällig? Momentan bauen in Wolfsburg 70.000 Beschäftigte eine knappe halbe Million Autos pro Jahr. Bei Tesla in Grünheide bauen sie gut die Hälfte mit weniger als einem Viertel der Beschäftigten. Man kann da kritteln. Etwa dass es bei Tesla Berlin, anders als in Wolfsburg, keine Entwicklungsabteilung und wenig zentrale Services gibt. Außerdem hat Elon Musk eh nicht alle Latten am Zaun, fährt ruinöse Personalschlüssel und wird schon sehen, was er davon hat. Die schlechte Nachricht: Selbst wenn bei gleichen Produktionszahlen in Wolfsburg nur 50.000 in der Produktion arbeiteten und in Grünheide dafür 18.000, dann würde jede:r VW-Mitarbeiter:in 10 Autos pro Jahr produzieren, jede:r Tesla-Arbeiter:in 14,4. Macht satte 44 Prozent mehr. Dafür können sie bei VW Currywurst, die macht ihnen so leicht niemand nach.
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Aber es ist ja alles ganz einfach, gell? Bloß die linksgrünen Spinner zum Teufel jagen, alles so lassen wie es ist, büschen technologieoffen sein und dann wird das schon. Erinnert an das satte, fette Gehabe, das bereits unzähligen nicht nur deutschen Marktführern einst das Genick gebrochen hat, weil sie glaubten, der Rest der Welt machte das Licht noch mit dem Hammer aus und ihne könne keiner. Hey, was fünfzig, achtzig, hundertdrölfzig Jahre gut funktioniert hat, kann doch jetzt nicht plötzlich falsch sein, oder? Kommwerdenndahin? Wosimmerdennhier? Die schlechte Nachricht: Doch, kann es. Falsch sein. Sehr schnell sogar.
"Die Liste ist lang. Kodak ist wohl die prominenteste Marke. Dicht gefolgt von Nokia. Dahinter befinden sich deutsche Traditionsunternehmen wie Grundig, Neckermann, Hertie und Quelle. Sie alle waren Marktführer, manche sogar Weltmarktführer mit vielen tausenden Arbeitsplätzen. Doch irgendwann verschliefen sie mehrere Innovationszyklen, wurden gemütlich und träge. Nicht selten arrogant. [...] Wenn man mittendrin steckt, bemerkt man manchmal nur im Augenwinkel, wie die Wettbewerber aufholen, wie man Marktanteile verliert, abgehängt wird. Aber irgendwann ist es unübersehbar. Und gleichzeitig schon zu spät. Der Weg in den Bankrott ist kurz, 100 Jahre Firmengeschichte hin oder her." (Stephan Anpalagan)
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Und vom Klimawandel habe ich noch gar nicht angefangen. Klimaschutz-Technologien boomen überall auf der Welt? Pfff, man muss ja nicht immer allen Quatsch nachmachen, den das Ausland so macht. Mittlerweile haben auch fossile Petrostaaten wie Saudi-Arabien das Pariser Abkommen ratifiziert? Pfff, liegt bestimmt bloß daran, dass die dußligen Kameltreiber auf linksgrünkommunistische Propaganda reinfallen.
Und das, wo nun wirklich jedes Kind weiß, dass wir armen kleinen Deutschen, die doch nur in Ruhe unseren hart erarbeiteten Wohlstand genießen wollen, eh nur 2 Prozent zum Klimawandel beitragen. Das ist ja wohl echt nicht viel. Sollen doch erst mal die anderen! Dieses Prinzip der Verantwortungsdiffusion kann man auch auf die Spitze treiben: Wenn die Welt aus 50 gleich großen Staaten bestünde, die alle jeweils 2 Prozent zu den jährlichen CO2-Emissionen beitrügen, dann müsste nach dieser Logik niemand was tun und alles würde gut. Dann wäre da noch die Frage, wie hoch Deutschlands CO2-Beitrag als exportabhängiges Industrieland wäre, wenn die Emissionen aller von Deutschland exportierter Güter voll eingepreist würden.
Letzte schlechte Nachricht für heute: Auch ein in China produziertes deutsches Verbrennerauto emittiert bei Produktion und Betrieb CO2.
Ich freue mich schon auf die Regierung Merz. Spätestens nach einem halben Jahr werden die Leute merken, dass die grundsätzlichen Probleme einer Industrie, die in einigen Bereichen erst eingeholt und dann überholt wird, nicht gelöst werden. Wärmepumpe und E-Auto sind eben keine Fehlentwicklungen, sondern notwendiger Fortschritt.
AntwortenLöschenIch fürchte nur, dann werden die Leute wieder Schuldige finden.
LöschenJede Blase hat ihre Lieblingsschuldigen. Das wird sich nie ändern. Aber Merz werden die Hosen noch schneller runtergelassen als Scholz.
Löschen"Aber Merz werden die Hosen noch schneller runtergelassen als Scholz."
LöschenDa wäre ich mir nicht so sicher. So btw. muss er dafür erst mal gewählt werden. Und selbst wenn, wird genau wie jetzt der polemische Sch.... weiterlaufen und andere "schuldig" sein.
Na klar, die Politiker haben es versemmelt. Nur,- die Fehler des Management werden dabei immer nur so nebensächlich erwähnt, so, als hätten sie nicht wirklich was damit zu tun. Namen? Da traut sich niemand richtig dran. Nixdorf, Winterkorn, Middelhoff, Benko, Boeing, Borgward, Opel, Dresdner, ...... Und VW? Ich denke noch heute an die Aktion: 5000 für 5000! VW. Die haben doch mit dem Geld nur so um sich geschmissen. Diese Aktion damals war für mich eine Kriegserklärung an den Mittelstand, der zu diesen Konditionen und Vergünstigungen nur noch extrem, extrem mühsam Mitarbeiter finden konnte. Wenn überhaupt!
AntwortenLöschen...... Reno, Görtz, Schlecker, Tabbert, Klauser, MV und Meyer Werft, Esprit, Gerry Weber, Wirecard, ......
LöschenDie Chinesen sind inzwischen längst die besseren Kapitalisten. Und jetzt kaufen sie noch nicht mal mehr unsere schönen deutschen Autos. Das werden wir ihnen nie verzeihen. Verdammtes Kapitalisten-, äh, Kommunistenpack! Pardon wird nicht gegeben!
AntwortenLöschenE-Autos sind nur im Vergleich mit Verbrennern ein Fortschritt. Klima- und Verkehrspolitisch stellen sie keinen Fortschritt dar. Zum einen sehe ich das große CO2-Paket, das bei der Produktion entsteht, so dass ein Neufahrzeug erst mehrere Jahre gefahren werden muss, um CO2 einzusparen. Am Verkehrsinfarkt durch Staus, an der Raserei und Drängelei, am Flächenfraß durch neue Autobahnen, die am Ende doch keinen besseren Verkehrsfluss bewirken (Siehe Kamener Kreuz) und Parkplätze, dazu die jährliche Unfallbilanz mit Toten und schwer Verletzten wird sich nämlich nichts ändern. Echter Fortschritt wäre ein Tempolimit von 100 km/h und Konversion.
AntwortenLöschenDas wäre ein Anfang. Aber schon das ist nicht durchsetzbar, dem steht die Dummheit der Mehrheit der Autobesitzer und nahezu des gesamten politischen Personals entgegen.
LöschenDie "Dummheit" der Mehrheit der Autobesitzer*innen ist das eine ... aber leider sind diese auch seit Jahren konditioniert und abhängig vom Auto gemacht worden ... unsere Raumplanung, unsere Stadtplanung ist seit den 1960er Jahren komplett auf den motorisierten Verkehr ausgerichtet worden (von den verheerenden Ideen der Zonierung von Städten gemäß der Charta von Athen mal ganz abgesehen)... der "Raumwiderstand" (vgl. Hermann Knoflacher) wurde jahrzehntelang durch massiven Straßenbau gesenkt, was leider nur Konzentrationsprozessen - beispielsweise in der Einkaufswelt - zugute kam ... Shoppingmalls oder "Erfolgsgeschichten" wie die der Schwarz-Gruppe sind nur dadurch möglich geworden ... die Stadt oder insbesondere das Dorf der kurzen Wege ist damit weitgehend ausgestorben ... für viele Menchen vor allem in vorstädtischen oder ländlichen Bereichen sind viele Dinge ohne Auto oft nur noch schwer zu erledigen ... das ist also leider nicht nur Gedankenlosigkeit, sondern Ergebnis von planerischen Entscheidungen, die seit Jahrzehnten quasi von allen - Politik, Wirtschaft und Bürger*innen - forciert wurde ... aus diesen Abhängigkeiten wieder herauszukommen, ist nicht unmöglich, würde aber wahrscheinlich mindestens genauso viel Zeit kosten, wie es gedauert hat, uns dahin zu bringen ... Pfadabhängigkeiten und so ... und ob ein kapitalistisches System das freiwillig ändern möchte, wage ich zu bezweifeln, weil daran zu viele verdienen ... und Ideologie gerade von rechter und konservativer Seite spielt natürlich auch eine Rolle ...
LöschenIch bewundere deinen Elan, so kundig gegen die böswilligen Desinformationen und FakeNews anzuschreiben!!! Ein Spitzenartikel - und so wahr!
AntwortenLöschen"Ein Spitzenartikel" ... yepp — saubere Analyse.
AntwortenLöschenMerz, Spahn und Konsortien (O. Scholz darf wahrscheinlich wieder mitmischen) werden sich schneller entzaubern, als sie sich es jetzt vorstellen können.
Für das zu erwartende BSW- und Blaunen-Getöse sollte man sich vorab ein paar gute Bücher besorgen und dann nicht soviel "Internet-gucken".
Gruß Jens
Danke für die freundlichen Kommentare.
AntwortenLöschenNaja ... Lieferung kam nach zwei Stunden und die Pommes haben gefehlt. Lieb gemeinte zwei von fünf Sternen ;o)))
LöschenDer Arbeitskräftemangel, der vermaledeite...
Löschen"Lieb gemeinte zwei von fünf Sternen. Lieb gemeinte zwei von fünf Sternen"
AntwortenLöschenBonetti hat nen BMI knapp unter Blauwal — also kerngesund.
Gruß Jens
Ich möchte einmal kurz einwenden, dass insbesondere die Absatzkrise in der Fahrzeugbranche zu wesentlichen Teilen eine ein globales Phänomen ist. Generell ist die Nachfrage nach Fahrzeugen in den Hauptmärkten Nordamerika, China und Europa rückläufig. Das betrifft europäische Hersteller genau so wie amerikanische oder chinesische (vgl. Ford oder GWM und viele andere). Dazu kommt natürlich auch, dass die Produktanforderungen in China anders sind. Elektronische Spielereien sind sehr viel entscheidendere Kaufargumente als ein gut abgestimmtes Fahrwerk oder Fahrsicherheit wie in Europa. Das haben die Hersteller durchaus auf dem Schirm wenn auch etwas zu spät. Aber das gleich der Untergang von allem naht, mag ich zu bezweifeln. Ich bin mittlerweile in einem Alter, das es mir erlaubt mich an mehrfache Deindustrialisierungs- und Untergangshysterien zu erinnern (vgl. aufkommen der japanischen Automobilhersteller, die Rezesion nach der Wiedervereinigung).
AntwortenLöschenZudem möchte ich vehement der Aussage widersprechen, dass E-Autos viel einfacher aufgebaut sind und sehr viel weniger Wartung erfordern. Das ist nicht der Fall. Ich arbeite selbst als Ingenieur im Bereich der Automobilindustrie. Die Softwarekomplexität ist hoch und steigt durch die Fähigkeiten von Remote-Updates. Auch wenn ein Auto nicht in die Werkstatt muss, sind Updates kein Selbstläufer. Es ist schwieriger und Testintensiver Software auf Autos zu updaten als auf einem PC. PC-Nutzer haben sich fast daran gewöhnt, dass nach einem Windows-Update irgendwelche Sachen nicht gehen. Das Auto muss nach einem Update aber immer noch sicher fahren in allen Situationen. Eine Bananen-Taktik wie beispielweise bei Microsoft ist nicht möglich. Das benötigt tatsächlich viel mehr Ingenieurskapazität. Auch auf der mechanischen Seite ist es nicht so leicht. Ein E-Auto hat ein Getriebe (üblicherweise ein 1-Gang-Reduktionsgetriebe) mit Getriebeöl, dass verschleißen kann und gewartet werden muss. 2-Gang-Getriebe sind auch im E-Auto auf dem Vormarsch. Leistungselektronik im Wechselrichter kann verschleißen und muss gewartet werden. Wärmepumpen und Klimakompressoren können verschleißen und müssen gewartet werden. Das gleiche gilt für die Aufwendigen Akku-Kühlsysteme die notwendig sind um die Lebensdauer des Akkus zu maximieren. E-Autos sind momentan noch schwerer als herkömmlich angetriebene Fahrzeuge was zusätzlichen Stress für die Fahrwerkskomponenten bedeutet. Querlenker, Koppelstangen, etc. verschleißen schneller und müssen gewartet werden. Die manchmal kolportierte Aussage, dass E-Autos so viel simpler sind und viel weniger Wartung benötigen ist ein Mythos.
Danke sehr für die ausführlichen Informationen. Sehr willkommen. Gerade das mit der Software hatte ich so nicht auf dem Schirm. Die Software scheint ja das große Problem bei VW zu sein. Und es werden wohl deutlich mehr IT-Fachkräfte in der Autoindustrie gebraucht. Aber gehe ich recht in der Annahme, dass z.B. die von Ihnen erwähnten Getriebe deutlich weniger komplex sind als die momentanen, ausgefuxten DSG-Getriebe?
LöschenDas ist korrekt. Ein 1-Gang-Reduktionsgetriebe ist deutlich einfacher. Sie haben schon recht, dass der Antriebsstrang eines Elektroautos, insbesondere im Fall Allradgetriebener Fahrzeuge einfacher ist. Bei herkömmlichen Antrieben hat man z.B. einen Drehmomentwandler (oder eine Doppelkupplung wie im DSG) daran hängt ein komplexes und schweres 9- oder 10-Gang-Automatikgetriebe. Dann geht der Antriebsstrang durch das Verteilergetriebe (Vorderachse/Hinterachse) und dann durch das Differential vorne oder hinten. Im Verhältnis dazu hat man bei einem E-Auto je einen Motor an der Vorderachse und einen an der Hinterachse. Das jeweils notwendige Reduktionsgetriebe muss nicht durch eine Kupplung oder einen Wandler angeschlossen werden und ist konstruktiv einfacher und leichter. Ein Differenzial benötigt man aber trotzdem noch. Es sei denn man hat radnahe Motoren (so wie die Radnabenmotoren mit denen BMW gerade experimentiert). Dort spart man sich das Differenzial. Aber da hat man wiederum das Problem, dass die ungefederten Massen größer werden. Also muss der Radnabenmotor samt Drezahlreduktion sehr leicht ausgelegt werden. Allerdings ist er im Rad ja nicht gefedert (das liegt ja alles vor der Feder-Dämpfer-Kombi). Dass muss also stabiler sein als ein Antrieb auf der Achse und leicht aber trotzdem stabil ist wider ein astreiner Zielkonflikt.
LöschenKurz gesagt: Sie haben recht, der Antriebsstrang ist einfacher, aber die leistungselektronik und die Klimatisierung ist aufwändiger :-)