Mein Fazit des heurigen ESC: Nimmt man Gesangskunst als Maßstab, ist ein klassisch ausgebildeter Countertenor wie der Gewinner JJ natürlich klar im Vorteil, ansonsten habe ich in dieser Kategorie den spanischen Beitrag vorn gesehen. In Puncto Songwriting (nicht Mini-Oper, Ballett, Comedy-, Erotik- oder Fantasyperformance), hätte definitiv der italienische Beitrag gewinnen müssen, gefolgt vom israelischen (der als ukrainischer vermutlich haushoch gewonnen hätte). Erfreulich, dass von absurdem antisemitischen Affentheater wie im letzten Jahr nichts zu sehen war. Der beste Spruch des Abends kam übrigens von Hazel Brugger. Als bei einer Backstage-Schalte einer der Bühnenarbeiter zu seinen Kollegen sagte: "Ok, let's get this straight!", meinte sie: "Said no one ever at the ESC." Kicher.
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2010er Jahre Politik ist rückblickend ein komplett utopisches Paralleluniversum, die CDU setzt sich für offene Grenzen ein, Markus Söder umarmt Bäumen, AfD bei 12%, alle sind sich einig dass man das Klima retten muss
— E L H O T Z O (@elhotzo) May 10, 2025
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Mensch, der Trump ist echt ein Sparfuchs! Der Emir von Katar, der alte Hamas-Amigo, hat ihm bekanntlich einen Jumbo geschenkt, der anders als die vorhandene Air Force One, ganz nach seinem Geschmack eingerichtet ist, und Donnie denkt sich: Hey, warum selbst bezahlen, wenn man's auch geschenkt kriegen kann? Stellt sich raus: Ist irgendwie kein Schnäppchen. Die Mühle muss, bevor sie zum ersten Mal offiziell den POTUS von A nach B transportiert, vom Secret Service bis auf die letzte Schraube zerlegt werden, um sicher zu gehen, dass nirgendwo Spionage- oder Sabotagetechnik verbaut ist, und dann wieder zusammengebaut werden. Ferner müsste noch jede Menge Sicherheitstechnik verbaut werden. Das dauert Jahre, kostet Milliarden und die Wahrscheinlichkeit, dass Trump das noch als Präsident erlebt, ist überaus gering. Zumal es in Artikel 9 der US-Verfassung heißt:
"[...] niemand, der ein besoldetes oder Vertrauensamt unter der Hoheit der Vereinigten Staaten bekleidet, soll ohne Zustimmung des Kongresses ein Geschenk, ein Gehalt, ein Amt oder einen Titel irgendeiner Art von einem König, Fürsten oder fremden Staat annehmen."
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Spontan wollte ich Frau Bas (SPD) ja applaudieren für ihren Vorschlag, auch Beamt:innen in die Rentenversicherung aufzunehmen. So von wegen Rente auf breitere Basis stellen, wie in vielen anderen Ländern mit staatlichem Rentensystem längst üblich. Nur sehe ich da 1-2 Probleme: Zum einen würden die Staatsbediensteten ja weiterhin deutlich höhere Bezüge im Alter bekommen als unsereins und es viele Jahre dauern würde, dieses Privileg abzuschmelzen. So lange, bis die/der letzte nach alten Regeln versorgte Pensionär:in die Augen final schlösse, müsste die DRV also einteures Zweiklassensystem fahren müssen.
Dann wäre da die Sache mit den Beiträgen. Die werden, so die Betreffenden nicht beim ÖD Angestellte sind, überwiegend aus privatwirtschaftlich erzielten Löhnen und Gehältern aufgebracht. Man kann sagen, mit Rentenbeiträgen einen Teil jenes Mehrwertes abgeschöpft, der durch Produktion, Handel, Dienstleistungen etc. entsteht. Würde man Beamt:innen in die reguläre Rentenversicherung integrieren, dann würde deren Altersversorgung nicht mehr vom Dienstherrn (Kommunen, Länder, Bund) direkt an die Pensionierten ausgezahlt, sondern indirekt, indem sie wie die Beiträge von Arbeitnehmer:innen erst in den Topf der Rentenversicherung wandern. Wo ist da der Spareffekt?
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Im eisigen Winter 1946/47 litten die Hamburger Theater unter Kohleknappheit. Also fuhr man mit zwei Holzgaser-LKWs auf gut Glück Richtung Ruhrgebiet, um irgendwie Kohle zu organisieren. Da die A 43 damals noch nicht existierte, führte der Weg über die A 1 via Kamener Kreuz auf die A 2. Von dort sollen die Theaterleute nachts die Feuer der Kokerei der Zeche König Ludwig in Recklinghausen gesehen haben und abgefahren sein. Die Bergleute zweigten illegal Kohle ab und beluden die Wagen. Die Hamburger kamen noch mehrfach wieder, bis die britische Militärpolizei die Sache beendete. Zum Dank gaben die Theaterleute im folgenden Jahr Gastspiele. Daraus entstanden die Ruhrfestspiele. Jetzt wird auf der ehemaligen Zeche König Ludwig Theater gespielt. Back to the roots.
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Wenn aus Trump-nahen Kreisen über Papst Leo XIV, wiewohl US-Amerikaner, heißt, im Vatikan säße nunmehr eine "marxistische Marionette", wenn Steve Bannon ihn als "schlimmste Wahl für MAGA-Katholiken" bezeichnet, dann muss man den Konklave-Kardinälen attestieren, etwas richtig gemacht zu haben. Ein Marxist auf dem Stuhl Petri -- Johannes Paul II., der alte Kommunistenfresser, rotiert so heftig in seinem Grab wie eine Tunnelbohrmaschine. Was viele übrigens nicht zu begreifen scheinen: Ein Papst agiert zwar politisch, ist aber kein Politiker. Misst man ihn an diesen Maßstäben, dann ist jeder Papst grundsätzlich immer konservativ. Er kann gar nicht anders. Denn er ist nie nur die Person, das Individuum, sondern schleppt immer 2.000 Jahre Kirchengeschichte mit herum, die es bei jeder offiziellen Äußerung, jeder Entscheidung zu berücksichtigen gilt.
Ich finds auch gut, dass das absurde Affentheater aka ESC diesmal (fast) ohne offen geäußerten Antisemitismus ausgekommen ist. Ich frag mich nur eins: Wäre eine palästinensische Interpretin aus Gaza dabei gewesen, hätte womöglich ihr Beitrag haushoch gewonnen, vor dem israelischen und dem aus der Ukraine? Wir werden es nie erfahren. Und die Häuser in Gaza sind ja ohnehin nicht mehr sonderlich hoch inzwischen, dank der israelischen Spezialoperation zur Beseitigung des Antisemitismus bzw. seiner Träger*innen.
AntwortenLöschenDieser ESC kann genauso schmerzfrei in der Tonne entsorgt werden - Brot und Spiele sag´ ich nur.
AntwortenLöschenDiese Show für irgendwelche "politischen" Statements herzunehmen, welche über die Meinung der Künstler hinausgeht, ist m.E. Unsinn. Es steht ausser Frage, dass er für solche Messages missbraucht werden kann wie der Eklat auf der Documenta und da auch viel hineingetragen wird. Allerdings ist da irgendwie auch der Veranstalter gefragt, der im Vorfeld solche Sachen Einhalt gebietet, statt das wie andernorts in TV-Quasselrunden als Quotenbringer zu nutzen. Vielleicht sollte man das doch als das wahrnehmen, was es ist, nämlich als ein mehr oder weniger internationales Bardentreffen mit offenem Ausgang.
Persönlich ist mir meine Zeit zu schade, um mir diesen Quark womöglich noch live zu geben. Aus reiner Sympathie mit der Musikrichtung hätte ich es ja wenigstens witzig gefunden, wenn Feuerschwanz das Ding gemacht hätte, statt auf Betreiben eines Einzelnen in der Vorrunde weg gevotet zu werden. Wäre halt mal wieder etwas Anderes gewesen wie dieses nervige Gegreine und Eiapopeia. Aber das ist eher Randnotiz.
Das Blöde an der momentanen Situation in Nahost ist halt, dass u.a. eine Hamas mit ihrem Terror die Steilvorlage für Netanjahu geliefert hat, der das weidlich ausnutzt. So gesehen fällt das auf die dortige arabischstämmige Bevölkerung selbst zurück und das Handeln beider Seiten trägt derzeit dazu bei, dass ein Prozess gegenseitigen Akzeptierens wieder zum St. Nimmerleinstag verschoben wird. Ein gewisser Unterschied ist dabei, dass Netanjahu von den Israelis selbst kritisiert wird und das nicht wenig, während zumindest nach meinem Wahrnehmen die Selbstkritik der Gegenseite eher marginal ausfällt, weil dort die Sicht auf das Thema deutlich doktrinärer ist. Der Gegenpol und eine Konsequenz daraus sind diejenigen, die auf diesem unsinnigen Agieren wieder und weiter ihr antisemitisches Süppchen kochen und den Terror der Palästinenser-Organisationen als Freiheitskampf verklären und über Eck das Langziel verfolgen, Israel als jüdischen Staat zu vernichten.
Papst, USA und deren derzeitige Spitzenkräfte - laut einer Führerin einer deutschen Partei war der Braunauer Bettnässer ja auch ein Kommunist. Mehr muss dazu nicht gesagt werden.
"Anyone who wants to thwart the establishment of a Palestinian state has to support bolstering Hamas and transferring money to Hamas. This is part of our strategy (...)" Hat der Herr Netanjahu aber nie gesagt. Sagt er. Ich glaub ihm natürlich, denn er ist ein Ehrenmann.
LöschenIch empfehle in diesem Zusammenhang auch den Beitrag von Elke Wittich.
LöschenIm übrigen zeigt die Diskussion um den ESC, dass es Quatsch ist, so ein Event bloß als 'Brot und Spiele' abzutun. Wie jedes kulturelle Phänomen passiert auch das nicht im luftleeren Raum.
Irgendwie hat der Erstbeitrag wieder den Nick gefressen...
Löschen...genau das meine ich damit. Die "Israelkritiker" hätten doch so oder so irgendetwas genfunden und genutzt, um den Beitrag zu dissen und für ihre Agenda zu missbrauchen. Das so etwas noch auf X gewuppt wird, ist auch Strategie von am Ende ein paar Hanseln, die dort unter zig Accounts ihren eigenen Sermon puschen. Bringt halt vielleicht noch etwas Reichweite, wobei ja meistenteils dort sowieso nur noch die sein dürften, die diese Plattform für ihre krude Denke besuchen. X ist einfach nur noch lost und bei Youtube geht´s auch schwer abwärts, wenn ich mir dort so die "Vorschläge" anschaue. Etwas Müll war ja schon immer dabei, aber seit Corona wird auch das immer übler.
Die hauptsächliche Zielgruppe dieses Events sehe ich eher nicht in irgendwelchen bevorzugt muslimischen und merkwürdig linken Milieus, die unterdrückte Palästinenser als Synonym für den Kapitalismus hernehmen.
Den meisten "normalen" Zuschauern dürfte das eher peinlich sein und für das Anliegen der Menschen dort dürfte so ein Auftritt eher kontraproduktiv sein ähnlich wie das Zerlegen einer Strassenbahn in Leipzig.
@Stefan Rose
LöschenStimmt, kulturelle Phänomene passieren nie im luftleeren Raum. Manche allerdings gedeihen am besten im geistigen Vakuum. Ob der ESC zu letzteren gehört mag ich nicht beurteilen. Elke Wittig äußert sich nicht dazu, und bei Adorno hab ich auch nix gefunden. Vielleicht frag ich mal den Herrn Precht, der kennt sich aus mit dünner Luft, vor allem, wenn sie heiß ist.
Beamtinnen sollte es in der nach Willen der Westalliierten so nicht mehr geben.Heute aber sehr heikel, es umzudrehen! Weniger BeamtInnen, auch 45 Jahre bis zur Höchstpension, außer Militär und Polizei usw., Eigenanteil der PensionärInnen und der Witwen bei der privaten Krankenversicherung auch auf 50 statt 30 Prozent setzen, wäre schon etwas!BeamtInnen beider Rentenkasse beschäftigt, komisch, Die Bundesagentur für Arbeit hat diesen Grundwiderspruch hervorragend gelöst!
AntwortenLöschenIst das jetzt Antisemitismus? https://www.welt.de/vermischtes/article256152530/Eurovision-Wasted-Love-ESC-Sieger-JJ-will-Wettbewerb-im-kommenden-Jahr-in-Wien-ohne-Israel.html
AntwortenLöschenDenke schon.
LöschenWer die Politik resp. die Methoden der Kriegsführung der israelischen Regierung kritisiert, der ist nicht automatisch ein Antisemit. Wer israelische Interpreten von einem läppischen Gesangswettbewerb ausschließen will, der ist ein Dummbeutel.
LöschenPS.
Nicht alle Dummbeutel sind Antisemiten, aber alle Antisemiten sind Dummbeutel.
@dndp
LöschenDanke für die Aufklärung. Klar kann man die israelische Kriegsführung kritisieren. Aber mich beschleicht ganz leise das Gefühl, die – ist ja nicht der Einzige – meinen das wirklich so.
PS.
AntwortenLöschenDummbeutel*in ist übrigens auch, wer es für eine gute Idee hält, russische Interpreten von einem läppischen Gesangswettbewerb auszuschließen.
@anonym
AntwortenLöschenUnd mich hat schon vor einiger Zeit das gar nicht so leise Gefühl beschlichen, dass das, was die IDF in Gaza veranstaltet, so ziemlich die Art Massenmord ist, den die Hamas gern an den Juden beginge, hätte sie die Mittel dazu. Ich bin froh, dass die Hamas die nicht hat, aber das macht meine Wut und mein Entsetzen über die Ermordung von Tausenden von Zivilisten durch die IDF nicht kleiner. Ganz abgesehen davon, dass dieser Massenmord all jenen, die "das wirklich so" meinen, hochwillkommene Argumente liefert.
Leicht OT: Bester Satz des Monats in einem Leserbrief in der "Jungen Welt".
AntwortenLöschen"Margot Friedländer hätte es verdient gehabt, von deutlich weniger Heuchlern zu Grabe getragen zu werden."