Samstag, 31. Mai 2025

Verschenkt


Die deutsche Comedyserie 'Doppelhaushälfte' kommt über gute Ansätze nicht hinaus. Leider.

Aus dem Umfeld kam vor einiger Zeit der dringende Rat an mich, ich solle mir unbedingt die Serie 'Doppelhaushälfte' ansehen, von der gerade die vierte Staffel ausgestrahlt wird. Allerfeinste Comedy sei das, gern auch brachial und überhaupt superwitzig. Also sah ich mir bei Gelegenheit ein paar Folgen per Mediathek an. So weit, so schön. Leider fand ich das kaum mal lustig. Funktionierte bei mir nicht recht irgendwie. Mehr als ein gelegentliches Grinsen vermochte mir das nicht zu entlocken. War ich voreingenommen? Nicht dass ich wüsste. Ich wollte das eigentlich gut finden. Oder sind es Humorlosigkeit und Verspanntheit des Alten Weißen MannesTM, die langsam Besitz ergreifen von mir?

In 'Doppelhaushälfte' erleben wir den Alltag der Familien Knuppe und Sawadi-Kröger, die jeweils eine Hälfte eines Doppelhauses im Umland von Berlin bewohnen. Andi Knuppe (Milan Peschel) ist Ex-Polizist und schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, seine Frau Tracy (Minh-Kai Phan-Thi) ist Tochter vietnamesischer Vertragsarbeiter und betreibt einen Schönheitssalon am Ort. Sohn Rocco (Minh Hoang Ha) ist ein introvertierter Computernerd. Mari Sawadi (Maryam Zaree) stammt aus dem Iran und sie hat einen gut bezahlten Job bei einem Elektroautohersteller in der Gegend, der Vater ihres Partners Theo Kröger (Benito Bause) stammt aus Ruanda. Theo ist nach einem Leben als Tunichtgut und ewiger Student inzwischen Musiklehrer, Maris Tochter Zoe (Helena Yousefi) pubertiert heftig.

Potenzial ist also durchaus da. Aber wieso erreicht mich das nicht? Obwohl ich in Sachen Humor durchaus anspruchslos sein kann und mich normalerweise auch vor Furz-, Fäkal- und Brechstangenhumor nicht bange mache? An den Schauspieler:innen liegt es nicht, die machen ihre Sache so weit ordentlich (Milan Peschel ist eh Champions League, auch die anderen sind versierte Fachkräfte).

Es ist auch mitnichten alles schlecht. Etliches ist gut beobachtet und gekonnt auf die Schippe genommen. Etwa als Andi Knuppe gleich in der ersten Folge den neuen Nachbarn in spe den Handschlag verweigert und man als Zuschauer im Gegensatz zu Mari und Theo weiß, dass das nichts mit Rassismus zu tun hat (für Zoe ist der Fall eh klar: Deutschlandfahne im Garten = Nazis), sondern damit, dass er kurz zuvor auf Toilette war und keine Gelegenheit hatte, sich die Hände zu waschen. Nett gemacht sind auch die Auftritte der trotteligen Dorfpolizisten, Andis ehemaligen Kollegen, die in schöner Slapstick-Tradition meist im Chaos enden. Ferner muss lobend hervorgehoben werden, dass nicht wie sonst oft Witze auf Kosten von Schwächeren und Minderheiten gemacht werden.

Dass es meist wirklich komisch wird, wenn die uniformierten Ordnungshüter auftreten, ist übrigens kein Zufall. Weil Komik auch eine Frage von Fallhöhe ist. Die ist bei Vertretern der Staatsgewalt, die regelmäßig an ihren Aufgaben scheitern, gegeben, ansonsten hapert es damit zu oft. Zu oft werden an sich gut angelegte Gags auch einfach verschenkt und sie verpuffen.

(Spoiler.)

In einer Folge zum Beispiel stellt sich heraus, dass Tracy Knuppe seit Jahren eine Cannabisplantage im Gewächshaus hat, von der ihr Mann aber nichts weiß (soso ). Tja, und irgendwann sind Tracy und Theo halt bekifft und tun dumme Dinge (haha). Was hätte eine US-amerikanische Sitcom daraus gemacht! Da wäre Tracy vielleicht in die Rolle der Drogenbeauftragten der Schule des Sohnes gedrängt worden, man hätte das über mehrere Episoden aufgebaut und das immer weiter auf die Spitze getrieben. In einer anderen Folge wird Ricco andauernd von Dorfjugendlichen am Getränkemarkt gemobbt und auch vermöbelt. Es ist lustig anzusehen, wie Andi seinen Filius mit 'Rocky'-Methoden zur Kampfmaschine formen will. Dass aber dann ausgerechnet der friedfertige Theo die Typen am Ende aufmischt, lässt einen merkwürdig kalt. Es ist übrigens auch hier der Auftritt von zwei der drei Stooges in Uniform, der die Schlusspointe rettet.

Vielleicht ist das Problem, dass schon die Prämisse der Serie zumindest schief, wenn nicht falsch ist. Es heißt, 'Doppelhaushälfte' handele von zwei krass unterschiedlichen, ja komplett gegensätzlichen Familien, davon, dass Welten aufeinanderprallten, aber das stimmt nicht. So gegensätzlich sind die Figuren nicht. Andi Knuppe ist eben kein Alfred Tetzlaff 2.0, sondern hat ungeachtet seines manchmal schroffen Auftretens ein Herz aus Gold. Dass Tracy deutlich klüger als ihr thrashiges Äußeres vielleicht vermuten lässt, wird gleich in Episode eins klar (was hätte man daraus machen können!). Und dass auch eine moderne Vorzeigepatchworkfamilie nicht gefeit davor ist, unglaublich dumme Dinge zu tun, ist nicht eben eine umwälzend neue Erkenntnis.

Zwischen Familie Kröger/Sawadi und Familie Knuppe gibt es gewiss habituelle Unterschiede. Die eine hat etwas mehr Migrationshintergrund als die andere, die eine ist etwas näher am Prekariat als die die andere, es gibt verschiedene Vorlieben, aber letztendlich sind das bloß zwei Varianten von Kleinbürgertum. Beide Familien, zumindest die Erwachsenen, sehen ihr Glück darin, als Kernfamilie im Eigenheim im Grünen zu wohnen und wollen stabile Verhältnisse. Es verbindet sie viel mehr als sie trennt. Daher die so oft sich einstellende Langeweile.

Vielleicht sind die anderen Staffeln ja besser. Solange ich das nicht weiß, lautet das Fazit: Schade um die guten Ansätze und guten Schauspieler:innen.


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Doppelhaushälfte. D 2022ff. Vier Staffeln, ZDFNeo/ZDF-Mediathek.






7 Kommentare :

  1. Seit geraumer Zeit zappe ich immer wieder auf dem nächtlichen Weg zu „Rick and Morty“ da rein, gucke drei Minuten bei irgend welchem seltsamen Tun zu und nehme mir jedes Mal vor, demnächst mal eine ganze Folge dieser Serie anzusehen, um herauszufinden, ob das irgendwie lohnenswert sei. Dieses Segment meiner Abendgestaltung kann ich jetzt also beruhigt durch mehr Betrachtung meiner weissen Strukturputzwand ersetzen, ohne irgend etwas zu versäumen.

    Danke, o Hausherr!

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  2. Ängstlich bemüht, nur ja nirgendwo anzuecken. Zahnlos. Lahm.

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  3. Die anderen Staffeln sind nicht besser.

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  4. Lieber noch mal "Boston Legal" anschauen. "Family Guy" ist auch immer wieder gut. Und natürlich hat auch "Stromberg" so seine komischen Momente. Alles ziemlich alter Kram, ich weiß.

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  5. Ihr seid alle verwöhnt. Denkt an "Dallas": Sue Ellen trinkt wieder!

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