Sonntag, 17. Juli 2022

Sommerloch: Über die Achtziger


"Die Welt von Westeros nämlich ist bereits eine im Zustand der Entzauberung. Die Menschen hängen noch alten Legenden nach, sie träumen von einer besseren Vergangenheit; sie verhalten sich wie die Bewohner einer barbarischen, postheroischen Kultur zu einer heroischen Vergangenheit, in der, vielleicht, die Werte, auf die man sich gelegentlich bezieht, noch wirklich gegolten haben." (Georg Seeßlen) 
 
Es war im letzten Sommer. Ich saß mit Teilen meiner bayerischen Verwandtschaft beim Grillen, als der neben mir sitzende, schweigend trinkende Beinahe-Ehemann meiner Großcousine auch mal was sagte. Im Hintergrund lief irgendeine Achtzigerjahre-Mucke und es wurde gerätselt, von wem sie sei. Da grummelte mein Sitznachbar plötzlich: "Die Achtziger waren eh des Beste, hernach is nur noch Schmarrn kemma." Ich zuckte innerlich zusammen. Sieh an, dachte ich, noch so einer, der die Achtziger für das tollste aller Jahrzehnte hält. Nicht rumdiskutieren, beherrschte ich mich, das bringt eh nix. Aber diese Achtzigerjahre-Nostalgie geht mir dermaßen auf die Eier! Glücklicherweise ließ er's dann auch bei dieser einen Bemerkung bewenden und wandte sich wieder seinen Weißbieren zu.

Freitag, 15. Juli 2022

Bald brennt's

 
Na, Holgi, alter antifaschistischer Widerstandskämpfer, freust du dich schon? Dass das System, das du so abgrundtief hasst, demnächst endlich brennen wird? Das System, das dir, wie und warum auch immer, die letzten Jahrzehnte, trotz aller Zumutungen ein Leben geboten hat, um das größere Teile der Weltbevölkerung dich immer noch beneiden. (Nein, ich finde nicht, wir sollten unserem System 'dankbar' sein oder so, das ist unangebracht. Es hilft aber zuweilen, den Blick mal über Doitschland und Europa auszuweiten. Um gewisse Dinge in Perspektive zu rücken.)

Montag, 11. Juli 2022

Vermischtes und Zeugs (XXVI)


Was für ein Gejammer in den Kommentarspalten! Da kommen einige Menschen nicht damit klar, dass es für geäußerte Meinungen auch Gegenwind geben kann. Leute wie Precht und Wagenknecht konnten sich stundenlang im TV zu Russland präsentieren. Auch in den Printmedien erschienen ihre Meinungen zu dem Thema und jetzt wird darüber rumgeflennt, dass diese Meinungen nahezu kollektiv auf Ablehnung stoßen. So ist das nun einmal im Leben. Shit happens.

Samstag, 9. Juli 2022

Ronny des Monats - Juli 2022

 
Wer glaubt, Sommerzeit sei Urlaubszeit und auch Ronny & Cie. machten daher auch Pause, sieht sich wieder einmal eines Besseren belehrt, wie die unten versammelten Top 5 zeigen werden. Wussten Sie eigentlich schon, dass die Polizei in einigen Bundesländern voll genervt ist von den dauernden Rassismus-Studien? Weil sie immer in so schlechtem Licht dastehen täte, sekundiert der von Rainer Wendt präsidierte Berufsverband. Aha. Ich habe übrigens keinen Bock auf das andauernde "Aber der Linksextremismus ist mindestens genau so schlimm!", wenn wieder irgendwo rechte Gewalt verharmlost werden soll. Und nu? Wussten Sie ferner, dass die russische Duma schon 2015 die deutsche Wiedervereinigung zur völkerrechtswidrigen Annexion erklären wollte? Okay, auch andere hatten ja was geahnt. Und über Sachsen können wir gern verhandeln, wenn's dem Kriegsende dient.

Dienstag, 5. Juli 2022

Die Dienstpflicht ruft - nicht.


Momentan wird wieder "händeringend" nach Arbeitskräften gesucht. Wie eigentlich immer. Nach Arbeitskräften zu suchen, ohne dabei die Hände zu ringen, ist ja seit Jahrzehnten verpönt, quasi kaum mehr denkbar. Ist die Fähigkeit eigentlich angeboren oder kann man das irgendwo lernen, dieses Händeringen? Gibt es da VHS-Kurse oder IHK-Fortbildungen? "Willkommen zu unserem Wochenendseminar 'Erfolgreich Hände ringen für Anfänger'"? Oder kann man da einen Bachelor drin machen, einen Master oben drauf setzen und promovieren? Wenn nicht, dann kann das, gemessen an der Allgegenwärtigkeit dieser Kulturtechnik, nicht mehr allzu lange dauern.

Sonntag, 3. Juli 2022

Schmähkritik des Tages (59)

 
Heute: Slavoj Žižek, kontrast-mittel.org und Wiglaf Droste über das Problem der Linken in Kriegszeiten im Allgemeinen und die Zeitschrift 'Konkret' im Speziellen.

"Ein Linker, der »Verständnis« für Russland zeigt, ist mit jenen Linken vergleichbar, die vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion die deutsche »antiimperialistische« Rhetorik gegen Großbritannien ernst nahmen und sich für Neutralität im Krieg Deutschlands gegen Frankreich und Großbritannien einsetzten. Wenn die Linke hier versagt, ist das Spiel für sie aus." (Der Freitag, 1. Juli 2022)

Donnerstag, 30. Juni 2022

Vermischtes und Zeugs (XXV)


Eines muss man den evangelikalen Eiferern in den USA lassen, die nun mit dem gekippten Roe vs. Wade Urteil und dem daraus folgenden, faktischen Abtreibungsverbot in vielen Bundesstaaten eines ihrer wichtigsten Ziele erreicht haben: Der Slogan 'Pro life' - für das Leben - ist gut ausgewählt. Vorausgesetzt, man versteht die Pointe, dass mit 'life' ausschließlich ungeborenes Leben gemeint ist. Wenn Schulkinder von einem weggemetzelt werden, der sein Grundrecht auf Waffenbesitz wahrnimmt, stößt das an Grenzen. Mal sehen, ob die drüben jetzt auch so konsequent sind, illegale Abtreibungen in Zukunft mit dem Tod zu bestrafen. Wegen 'Pro life' halt. (Was soll's, von fanatisierten Aktivisten Denken in Zusammenhängen zu erwarten, war schon immer gewagt.)

Montag, 27. Juni 2022

Separatoren-Sauerei

 
Mein längst verstorbener bayerischer Urgroßonkel verdiente seine Semmeln einst als Viehhändler. Einmal nahm er meinen Vater, der gerade zu Besuch war, mit in die Schlachthofkantine. Da gab es für kleines Geld ein Stammessen. Lüngerl mit Knödeln, Bruckfleisch, Herzragout oder saure Nierndl. Mitunter auch Stierbeutel. Oder man bediente sich für ein paar Groschen aus dem riesigen Schlachtkessel, der in der Ecke vor sich hin simmerte. Darin schwammen neben Innereien wie Lebern auch Rüssel, Pfötchen, Schwänzchen und Ohren. Vatern wandte sich mit Grausen, die versammelten Fleischer- und Viecherer-Gesellen lachten sich eins über den Saupreiß', den damischen, und hatten eine klare Meinung: Da hat einer absolut keine Ahnung, was für Leckerbissen so a Schweinderl, a Kaibi, a Kuah oder a Ochs’ so alles bereithält.

Samstag, 25. Juni 2022

Jenseits der Blogroll - 06/2022

 
Die Links und Fundstücke des Monats. Kann man, so die kurrente Gretchenfrage, Pazifist sein und den ukrainischen Widerstand gegen die russische Invasion trotzdem gutheißen, so im Sinne von: Notwendiges Übel? Meine Position ist bekannt. Seit dem 24. Februar ist es ziemlich müßig, stundenlang bis in die fallende Nacht über diverse Versäumnisse und Sauereien 'des Westens' zu diskutieren (wozu ich übrigens gern bereit bin, wenn mit gleicher Offenheit und Akribie über diverse Versäumnisse und Sauereien Russlands debattiert wird). Wer den Frieden will, muss diesen Konflikt beenden wollen. Das aber geht nur aus einer Position der Stärke heraus und, leider, leider, wohl nur mit Gewalt. Auch wenn dadurch eventuell jahrzehntelang gehegte Wertvorstellungen Kratzer bekommen.

Dienstag, 21. Juni 2022

documentata

 
Das Schöne am Antisemitismus ist ja: Es gehört absolut kein Mut dazu. Wenn du nicht gerade eine halbe israelische Olympiamannschaft massakrierst, wird kein Mossad-Kommando ausrücken, dich zu liquidieren und es dann wie einen Unfall aussehen lassen. Es braucht ein bisschen Gratismut Marke "Wird man ja wohl noch sagen dürfen! Wosimmerdennhier?",  sonst nichts. Weil man's ja nicht sagen darf! Humbug. Man kriegt verbal auf die Mütze, sonst nichts. Schlimmstenfalls wird mal ein Bild abgehängt. Doof, ja. Aber sonst? Richtige religiöse Fanatiker offen zu kritisieren, dazu gehört mitunter schon mehr Mut, wie sich immer wieder gezeigt hat.