Dienstag, 18. August 2015

Bedrohte Arten


Heute: Das Kompliment


Wir wollen fair sein. Es mag sein, dass es nicht der Feminismus allein ist, der die Geschlechterbeziehungen in den Augen vieler so kompliziert gemacht hat. Nur ist, wenn es zwischen den Geschlechtern kompliziert wird, meist eine Feministin nicht weit. Ferner ist es ein Irrtum, wenn auch ein verbreiteter, dass Feminismus sich gegen Männer richte. Das stimmt insofern nicht, als dass Feminismus sich im Zweifel gegen alles richtet, was nicht auf dessen Linie liegt. Also durchaus auch gegen Frauen, das vielleicht gar in höherem Maße. Wer das nicht glaubt, sehe sich an, mit welchem Absolutheitsanspruch auf Deutungshoheit Alice Schwarzer gegen Amnesty International auskeilte - eine Organisation mithin, die bislang nicht eben als Zuhälter- und Mädchenhändlerring auffällig geworden ist.

Insofern, und daher bin ich auf das Thema gekommen, ergibt Margarete Stokowskis jüngste Kolumne in der taz durchaus Sinn. Wenn in der Süddeutschen beklagt wird, das Kompliment stürbe aus, viele Frauen wüssten gar nicht mehr, was das sei, dann liegt das ihrer Ansicht nach an Männern wie Frauen gleichermaßen: An den Männern, weil die Blödis immer reinfallen auf die ganzen Idioten, die ihnen erzählen, "Feministinnen seien haarige Hexen, die sehr konkret an [ihrem] Untergang interessiert" seien. Feminismus verbiete doch schließlich niemandem, freundlich zu sein. (Nö, tut er natürlich nicht, nur sollte, wer seinen Lebenszweck darin sieht, andauernd alle, die nicht auf Linie liegen, sauertöpfisch bis hysterisch auf selbige zu nölen, vielleicht nicht allzuviel Freundlichkeit von den Betreffenden erwarten).

Andererseits hätten Frauen, die sich wie ein Stück Vorderschinken in die Auslage legen und drauf warteten, etwas Nettes gesagt zu bekommen, nicht minder einen an der Waffel. Die Welt kann sehr einfach sein: Wer noch nicht genügend Feminismus verinnerlicht hat, ist doof.

So weit, so gut, nun ja. Sicher tun Feministinnen sich da leichter, ich finde es immer schwierig, da im einzelnen zu beurteilen, was richtig ist und falsch. Da wäre ja zum einen, dass was als Kompliment empfunden wird und was nicht, halt Empfindungssache und daher individuell sehr verschieden ist. Weiterhin können sich die entsprechenden Maßstäbe innerhalb eines Menschenalters mehrfach ändern. Vielleicht liegt's auch daran, dass man sich im protestantisch geprägten Nordeuropa, zu dem man größere Teile Deutschlands zählen muss, von jeher zur Verbiesterung neigt und sich etwas schwerer tut mit Unbeschwertheit, Leichtigkeit oder gar Lebenslust.

Zumal man das ja auch anders sehen kann. Machen Menschen, die sich kaum oder nur flüchtig kennen, sich gegenseitig Komplimente, dann sind die eigentlich zwangsläufig fast immer oberflächlich, beziehen sich häufig auf Äußerlichkeiten. Steht Ihnen gut, die neue Frisur, macht sie glatt zehn Jahre jünger. Neue Schuhe? Schick! Haben Sie abgenommen? (Natürlich ist mir bewusst, dass man auch über anderes Komplimente machen kann als über Äußerliches, doch geht es im monierten SZ-Artikel genau darum.)

Jahrzehntelang wurde doch aus feministischer Ecke gepredigt, so nicht auch das ein einziges Missverständnis war, man solle Menschen, Frauen zumal, nicht auf ihr Äußeres reduzieren, das sei sexistisch, lookistisch, ageistisch und was der einschlägige Diskurs noch alles an Fachbegriffen bereithält, um unerwünschtes Verhalten zu tadeln. Wenn es nun tatsächlich so sein sollte, dass das Kompliment ausstirbt, dann vielleicht deswegen, weil viele exakt das beherzigen und sich lieber bedeckt halten. Könnte das also nicht vielmehr ein Zeichen für den Erfolg des Feminismus sein?

Wiewohl das alles sein kann oder nicht, muss ich in einem Punkt jedoch entschieden widersprechen: Die einzige, vemeintlich so simple, feministisch korrekte, unisex-one-size-fits-all-Flirtregel, die Frau Stokowski uns allen ans Herz legen will, lautet ja: Sei kein Arschloch. Der Rest sei ein bisschen gesunder Menschenverstand, Anarchie und Liebe. Und das ist nun wirklich nicht unproblematisch.

Zweifellos ist Liebe in all ihren Facetten tatsächlich wohl das einzige im uns bekannten Universum, das ausnahmslos schön, positiv wünschens- und erstrebenswert ist. Gesunder Menschenverstand dagegen ist, höflich ausgedrückt, ein wenig präziser Begriff. Schließlich wäre da noch die Frage, wie weit die anempfohlene Anarchie denn gehen darf. Darf auch ganz anarchisch gegen feministische Flirtregeln verstoßen werden oder wäre das auch wieder nicht recht? Denn, tja, wie soll ich sagen? Vielleicht so: Meine persönliche Liste all jener Frauen, von denen ich im Leben schon einmal etwas in der Art gehört habe wie: "Ein Mann muss auch schon ein bisschen ein Arschloch sein.", ist lang, verdammt lang.


Noch was

Kurz den heiteren Tonfall beiseite. Das schon von Klaus verlinkte Interview mit dem Migrationsforscher François Gemenne zur aktuellen Situation ist unbedingt zu empfehlen. Pflichtlektüre. Argumentationshilfe gegen alle, die meinen, wir können schließlich nicht alle aufnehmen, die fordern, Grenzen dicht zu machen und sich auch sonst abschotten.



4 Kommentare :

  1. Man mag zum Feminismus stehen wie man will, fest steht auf jeden Fall, dass er vor allem nicht zu mehr Verständnis zwischen den Geschlechtern beigetragen, sondern bei Männern und Frauen zu starker Unsicherheit geführt hat.

    Meine persönliche Liste all jener Frauen, von denen ich im Leben schon einmal etwas in der Art gehört habe wie: "Ein Mann muss auch schon ein bisschen ein Arschloch sein.", ist lang, verdammt lang.

    Ist bei mir ganz genauso. Aber das ist natürlich nicht empirisch, wissenschaftlich und deswegen ja sowieso nicht fundiert *hust*.

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  2. Na ja, kommt ganz darauf an, was man als Kompliment definiert. Außerhalb von Deutschland ist ja oft noch das Brüllen oder Hinterherpfeifen junger Männer aus fahrenden Autos doch noch sehr beliebt. Ich verstehe dann zwar nie, was die mir so zurufen, aber ich glaube, es handelt sich dabei wohl um ein Kompliment, oder so.
    In Deutschland selber ist das Brüllen wohl inzwischen etwas verpönnt, aber das laute Hupen, wenn man (also in diesem Fall frau) nichts Böses denkend auf dem Bürgersteig geht, ist wohl doch noch stark angesagt. Dass man (also in diesem Fall frau) dabei fast immer einen Herzkasper bekommt, interessiert hier niemanden. Soll dann wohl auch sowas wie ein Kompliment sein. Oder so.

    Anekdotisch möchte ich zufügen, dass ich die schönsten und süßesten Komplimente von Männern bekommen habe, wenn sie hickedicht waren. Was wiederum irgendwie auch eher suboptimal ist ;-).

    Deutsche Männer vergeben halt nicht gerne Komplimente und Arschloch-Männer schon gar nicht, deswegen stehe ich auch nicht auf Arschlöcher. Arschloch-Männer sind reinste Zeitverschwendung. Jede vernünftige Frau weiß das. Mit Arschloch-Männern kann man außer Sex nicht viel anfangen. Das aber auch nicht lange, weil sie meist nur an sich selber denken und der Sex dann auch sehr schnell eintönig wird. So viel zu meinen anekdotischen Erfahrungen. :-)

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  3. Ich meine natürlich: hackedicht :-)

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