Samstag, 25. Mai 2019

Endlich!


Ehrlich, ich bin Menschen wie Greta Thunberg und Rezo unendlich dankbar. Ich bin ein Alter Sack und habe live und in Farbe miterlebt, wie es damals in meinem bürgerlichen Umfeld für gymnasiale Jugendliche schon mit u18 schick wurde, sich anzupassen, der JU beizutreten, Helmut Kohl cool zu finden und auf Geburtstagen, bei denen 'reingefeiert' wurde, zu Ehren des Jubilars die Nationalhymne anzustimmen. Ich bin gottfroh für jedes kleinste Anzeichen dafür, dass es wieder cool werden könnte, uns Alten Säcken mal wieder ein wenig Feuer unterm Dach zu machen. Wir, damit meine ich mich mit, haben es nämlich verdient. Gar nicht mal mangels guten Willens, sondern wegen unserer Ignoranz und Trägheit.

Natürlich bin ich der Meinung, dass Greta Thunberg ein paar problematische Ansichten vertritt. Ich glaube auch nicht, dass sie den Stein der Weisen in der Tasche hat und warne stets ausdrücklich davor, sie zu einer Art Heiligen a‘la Jeanne d‘Arc zu stilisieren (das sollte man grundsätzlich mit keinem Menschen tun, kann nur schiefgehen). Aber hey, welche Probleme genau hat es gelöst, "Ho-Ho-Ho-Chi-Minh!" skandierend durch die Innenstadt zu hoppeln und tonnenweise in unverständlichem Deutsch verfasste Flugblätter zu hektographieren, die niemals jemand gelesen hat?

Der Mehltau begann sich nämlich ab 1968 übers Land bzw. die westeuropäischen Länder zu legen, als die Achtundsechziger sich mit Planstellen im Öffentlichen Dienst ruhigstellen ließen und sich ins Bürgerliche zurückzogen. Seither waren alle Jugendbewegungen bloßes Feuilleton (auch wenn‘s die Punks von einst nicht gern hören). Die momentanen, überwiegend komplett hilflosen Reaktionen aus der CDU auf Jugendliche und junge Menschen, die ausnahmsweise mal wirklich politisch agieren, sprechen da Bände. Ebenso wie das stumpf-autoritäre Gehabe derer, die wegen freitäglicher Schulstreiks schon die Weltordnung ins Chaos sinken sehen und außer mit der Faust auf den Tisch zu donnern und mit Gesetzbüchern zu wedeln nicht wirklich Argumente haben. 

Selbstverständlich gibt es mit einem Video wie dem von Rezo das eine oder andere fachliche Problem (sich bloß an seiner Jugendsprache abzuarbeiten, ist oberflächlich). Die Komplexität Internationaler Beziehungen a’la mode de Todenhöfer in krassem Schwarzweiß auf bloße moralische Anklage einzudampfen, mag wohlfeil sein, bringt aber leider absolut niemanden weiter. Sosehr es banane ist, den Westen pauschal zum Kriegstreiber zu stempeln, dürfte es unter den Abertausenden Diplomaten dieser Welt schon den einen oder anderen geben, der auf die grenzgeniale Idee verfallen ist, diese Welt könnte irgendwie eine bessere sein, wenn einfach alle mal vernünftig miteinander redeten und sich danach vertrügen. Was aber nicht heißt, dass da nichts Wahres dranwäre.

In einem aber ist ihm unumwunden recht zu geben: Wir Alten Säcke sind sind seit längerem dabei, diesen Planeten mittels Klimawandel royally und volles Rohr an die Wand zu fahren, ob wir das wahrhaben wollen oder nicht. Und weil die Gretas und Rezos das werden ausbaden müssen, haben sie jedes Recht der Welt, uns das um die Ohren zu hauen (erwähnte ich, dass ich die Tage einen Gebrauchtwagen mit Ottomotor gekauft habe? Nicht? Okay). Zumal es wohl nicht wirklich was daran zu rütteln gibt.


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Bitte mir nachsprechen und 100 mal an die Tafel schreiben: Den Klimawandel und seine Auswirkungen für eine spinnerte Idee von ein paar Wohlstandsverwahrlosten zu halten, ist gaga. Anders gesagt: Wer sich für die intellektuelle Glanzleistung auf die Schulter haut, den Klimawandel für eine unbewiesene Hypothese zu halten und sich dabei irre mutig gegen den imaginierten 'Mainstream' dünkt, sollte dann bitte auch so konsequent sein, sich bedeckt zu halten, wenn irgendwo ein paar Arschmaden den Holocaust zu leugnen oder zu relativieren versuchen. Die Shoah für eine bewiesene Tatsache zu halten, ist nämlich auch voll 'Mainstream'. Oder kann sich gleich der AfD anschließen. Weil die ein paar voll krasse Experten am Start hat, die sich streng wissenschaftlich mit der linksgrünversifften Klimalüge befassen.


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Wenn das der Hügel ist, auf dem man dereinst sterben will - bitte, ich habe da niemandem reinzureden. Aber wie nennt man das noch gleich, wenn man selbst die Zielgerade des Lebens vor Augen hat und sagt: "Ach, das geht mich alles eh nix mehr an? Sollen das doch die kommenden Generationen ausbaden, aber bitte die Klappe halten dabei!"? Asozial wäre noch eine recht höfliche Bezeichnung dafür. Wer dem Zimmermädchen nach einer wilden Party einen vollgekotzten Saustall von Hotelzimmer hinterlässt, kann da ja - Rock‘n‘Roll! -  gern stolz drauf sein, sollte aber wenigstens so viel Anstand besitzen, ein großzügiges Extratrinkgeld dazulassen. 

Und ja, diese Jugendlichen und jungen Menschen sind keine Heiligen. Sie jetten teils easy und logieren bei Airb'n'B. Sie sind eine Minderheit, die sich vermutlich zum großen Teil aus der bürgerlichen Mittelschicht rekrutiert. Daher sind sie wohl auch mit dem einen oder anderen entsprechenden Privileg ausgestattet und mögen qua Sozialisation vielleicht auch keine Notwendigkeit sehen, den Kapitalismus abzuschaffen. Zumindest nicht komplett. So what? Was nicht ist, kann immer noch werden.




14 Kommentare :

  1. Ich habe beim letzten Umzug 2008 die Erstausgabe von Global Zweitausend aus Verzweiflung weggeworfen, seit fast 50 Jahren kämpfe ich auf verlorenem Posten mit entfernten Gleichgesinnten. Und nun das, ich bin Trendsetterin, noch nie geflogen, koche täglich frische ortsnahe Produkte, spare Strom und Verpackungen...
    Es ist mir unheimlich, aber ich hoffe, alle bleiben dran, jeder/jede auf dem eigenen Platz!

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  2. Und wieder ein herausragender und erhellender Artikel. Chapeau!
    Selbstverständlich wird er auch auf Net News Express verlinkt werden. So, wie fast alle anderen Artikel auch.

    Vielen Dank für Ihre Arbeit!

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    1. Gern *dashütchenlüpf*.
      @quercus: Da sind Sie in der Tat weit vorn. Manchlmal braucht es halt Geduld.

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  3. Hallo,

    das war sicher nicht als Satire gemeint, sondern bitterer Ernst, was Du da beschreibst. Wo bist Du denn aufgewachsen, in welchem Milieu? Wenn ich das richtig verstehe, in einem zutiefst deutsch-raktionären.

    Und weil man darin selbst aufgewachsen ist,in diesem zutiefst reaktionären, deshalb geht der Blogger davon aus, dass er das ganz unzulässig verallgemeinern darf und selbstverständlich davon ausgeht,
    dass diese Vitamin D3 entwöhnten youtube-Stubenhocker, diese medial aufbereiteten und zugleich entstellten, aufgehübschten und dabei bereits schon unendlich alt, welchen Greis die denn noch wiederbeleben wollen.

    Wahrscheinlich fällt das auch gar nicht mehr auf, wenn man sich immer wieder im gleichen Milieu bewegt.

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  4. @Stefan Rose,
    und mehr fällt Dir dazu nicht ein?

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    1. Zu deinem wirren Gefasel, das sich mir trotz mehrmaligem Lesen nicht erschließt? Nö.

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  5. Um noch einmal ein wenig Freude in das triste Leben der bürgerlichen Gesellschaft reinzubringen.

    Wie kommt es, dass bei Dir so nette Kommentare sich einfinden, die nicht ein gutes Leben für alle Menschen im Visier haben, sondern ihr eigenes enthaltsames Leben für alle Menschen als erstrebenswertes Ziel für wünschenswert halten.

    Jetzt darfst Du mich gerne wieder als besoffen und auch als Wirrkopf titulieren, was Dir aber wenig helfen wird, wenn Argumente ausbleiben.

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    1. Gutes Leben für alle ist genau mein Ziel! Ich halte mein Leben nicht für enthaltsam, sondern für verantwortungsbewußt. Ich kann ja nur für mich bestimmen, wieviel Fußabdruck ich haben will. Bin ist Diktator? Ich freue mich über aufmüpfige junge Menschen. ich will meinen Enkeln ein gutes Leben ermöglichen. All dies geht nicht mehr, wenn jeder alles will. Ganz davon abgesehen, dass das gute Leben für "alle Menschen" ganz verschieden ist, und auch entferntere Menschen dazugehören.
      Argumente wären gut, z.B. wie Du Dir "eine gutes Leben für alle" vorstellst, wie dahinkommen? Meine Freude bekomme ich auch von konstruktiven Kommentaren oder Blogbeiträgen. Was ist eigentlich bürgerliche Gesellschaft?

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    2. Troptard, vielleicht mal vorweg: 1. Wer mich hier aggressiv anpatzt, muss mit einer entsprechenden Reaktion rechnen.
      2. Meine soziale Herkunft, die übrigens viel kleinbürgerlicher ist als du vielleicht glaubst, habe ich mir nicht ausgesucht.
      3. Wer definiert, was ein 'gutes Leben' ist? Was verstehst du darunter?
      Natürlich ist zu kritisieren, dass die streikenden Schüler meist Verzicht predigen (was aber auch nicht Thema des Artikels war, btw.). Und, was soll die Konseqenz sein daraus? Klimaschutz komplett bleiben lassen? Im ersten Video ist die Rede davon, dass erneuerbare Energien ein vollwertiger Ersatz sein können für das Verfeuern fossiler Brennstoffe und das eigentlich bloß eine Frage des politischen Willens ist. Wo soll das Problem sein damit?

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  6. Das Leben, das Quercus oder ich führen, ist nicht enthaltsam, sondern von allem überflüssigen Ballast befreit. Das gute Leben ist einfach, im Wortsinn einfach: Birne statt Banane, Spaziergang statt E-Roller "für die letzte Meile" (wenn ich so ein Reklamegeschwurbel schon höre), Second hand statt First class. Finde ich z.B. gut, wenn Stefan sich einen Gebrauchtwagen holt statt einen E-Neuwagen. Meine ganzen Bücher, die ich lese, sind Second Hand. Antiquariat, Ausleihe im Freundeskreis oder die Schweppenhäuser Dorfbibliothek (eine alte Telefonzelle vor dem Feuerwehrhaus). Beim Einkauf auch mal an die Kleinen denken (Winzer, Bäcker, Fairtrade-Schokolade), auch wenn kein Biomarkt in der Nähe ist. Nichts davon wird die Welt retten, aber das ist auch nicht mein Anspruch. Fühlt sich einfach gut an.

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  7. -

    Die beste Demo gegen Kernkraft ist, wenn man sich den Strom mit Solar oder/und Wind oder Bachlauf, wenn möglich selbst macht. Der beste Widerstand gegen eine Diktatur ist es, wenn man sich so viel wie möglich das nötige zum Leben selbst macht.

    -

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  8. Wer nach Bekanntwerden von "Global 2000" des Club Of Rome in den 70ern bewusst keine Kinder mehr in die Welt gesetzt hat, hat schon sehr viel richtig gemacht.

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  9. "...ist die Rede davon, dass erneuerbare Energien ein vollwertiger Ersatz sein können für das Verfeuern fossiler Brennstoffe und das eigentlich bloß eine Frage des politischen Willens ist. Wo soll das Problem sein damit?"

    Das Problem damit ist, dass das eben keine 'Frage des politischen Willens' ist, sondern die eines amoklaufenden Produktionssystems, auf dessen Rahmen und Vorgaben 'Politik' immer nur bezogen ist und bleibt.

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