Freitag, 3. Mai 2019

Return of the Rote Socke


"Hätte sich Marx vor allem geirrt, wäre sein Einfluss schnell verflogen. Die vielen Tausend, die sich hingebungsvoll dem Nachweis seiner Fehler gewidmet haben, hätten sich andere Beschäftigungen gesucht." (John Kenneth Gailbraith)


Hat eigentlich schon jemand angemerkt, aus einem, der Kevin mit Vornamen heiße, könne per se nur Bildungsfernes herauskommen? Warte ich noch drauf, nachdem sich bereits einer nicht entblödet hat, den den Jusos vorsitzenden Kevin Kühnert wegen ein paar erfrischend unzeitgemäßen Sätzen allen Ernstes mit Donald Trump gleichzusetzen. Ist in Bezug auf intellektuelle Fallhöhe bzw. deren Mangel in etwa dieselbe Liga. Im Moment scheinen zwei große Wettrennen im Gange zu sein: Das um die schnellste Distanzierung vom dunkelroten Kevin, das vor allem innerhalb der SPD und bei den Grünen stattfindet. Und das um die bildungsfernste öffentliche Reaktion. Momentan in Führung: Da will wohl einer die DDR zurück, wie? Wir wissen ja alle, wie das geendet hat!

Auch Botoxface Carsten Maschmeyer, dessen unternehmerische Tätigkeit zu so einigem an privater Enteignung geführt haben soll, wie man so hört, bot sich als Nachhilfelehrer in Sachen Wirtschaft an. Und legte damit netterweise gleich den Ball selbst auf den Elfmeterpunkt. Um ihn mit Karacho vor die Omme geschossen zu kriegen. Mit Picke. Nachdem er zuvor noch auf die Harke getreten war, die der Platzwart hatte rumliegen lassen. Hätte er doch bloß auf Habeck gehört.


Dabei gibt es doch eine eherne Grundregel des politischen Lebens in der Nachkriegs-BRD, von der es bislang nur eine einzige bekannte Ausnahme gegeben hat: Was immer ein/e Juso-Vorsitzende/r ankündigen oder fordern mag, es tritt garantiert nicht ein. Einzige bekannte Ausnahme: Gerhard Schröder. Der rüttelte einst legendärerweise am Zaun des Bonner Kansleramds, derweil er bölkte: "Ich will hier rein!" -- Wo er später dann auch hinkam. Mit den bekannten Folgen. Trotzdem: immer noch eine verschwindend geringe Quote, wenn man bedenkt, was Juso-Vorsitzende schon alles gefordert haben.

Mal zur Erinnerung: Die Jusos waren nie etwas anderes als ein Abenteuerspielplatz, auf dem u30-Jungmenschen mit Ambitionen sich die Hörner abstoßen konnten. In höhere Ämter kam aber nur, wer irgendwann 'vernünftig' wurde. Erschreckend, wie wenig so was noch bekannt ist. Eine weitere Regel lautet nämlich: Wenn Juso-Vorsitzende etwas fordern, sind sie in der Regel zu jung, um bei den Großen mitzumachen, und wenn sie zum ersten Mal in der Öffentlichkeit mit Anzug-Krawatte bzw. Business-Kostümchen aufgetreten sind, dann ist das Geschwätz von gestern längst vergessen. Bestes Beispiel, an das Ulrich Mattes freundlicherweise erinnert: Klaus Uwe Benneter, genannt 'Benni der Bürgerschreck'. Der schwang einst in den Siebzigern Stamokap-Reden und sah den Kapitalismus kurz vor dem Kollaps. Knapp daneben ist auch vorbei, wie wir ex post facto wissen.

Und noch eine Regel scheint umumstößlich: Was immer man anderen vorwirft, bei einem selbst ist das grundsätzlich etwas anderes. Da gibt es zum Beispiel welche, die den Genossen Kevin damit zu disqualifizieren trachten, indem sie ihm seine mangelnden Studienabschlüsse vorhalten ("Universitäts-Lusche"), sich selbst aber vor nicht allzulanger Zeit damit gebrüstet haben, schulische Totalversager gewesen zu sein.

Überhaupt, was soll das? Messen wir die momentan heißlaufenden Schaumschläger doch mal an einigen von ihnen bevorzugt abgesonderten Phrasen und beamen wir uns kurz zurück in die späten Neunziger und frühen Nuller. Da saßen in jeder Talkshow, allen voran in der von Sabine Christiansen, Legionen neoliberaler Schlaubi-Schlümpfe und salbaderten in einer Tour, man müsse Verkrustungen im Denken aufbrechen, es dürfe keine Denkverbote geben und so weiter. Und wenn jetzt mal einer ernst macht damit, dann ist das auch wieder nicht recht. Da stellt sich doch tatsächlich heraus: Das mit den Denkverboten, die es nicht geben darf, gilt nur dann, wenn es dem Sozialstaat ans Leder gehen soll. Ja sapperment, wer hätte das gedacht!

Das ganze ist auch deswegen so unverständlich, weil Reiche eigentlich gar keine Probleme mit Sozialismus haben. Nicht prinzipiell jedenfalls. Solange er für sie selbst gilt. Zumindest im Bankensektor herrscht seit 2008 nichts anderes als Sozialismus. Als es ihnen nämlich an die eigenen vergoldeten Ärsche ging, da war Vergesellschaftung auf einmal gar nicht mehr baba, sondern dringend geboten. Too big to fail. Keine Denkverbote und so.

Zur Abwechslung mal im Ernst: Bin ich der einzige, den ob der Lächerlichkeit und des hysterischen Untertons der meisten Reaktionen der Gedanke beschleicht, Kühnert könnte da einen wunden Punkt getroffen haben? Ich wette, in 20 Jahren ist der Ehrenvorsitzender und drückt die Agenda 2050 durch (vorausgesetzt, die SPD existiert dann außerhalb von Museen noch). Mark my words.




4 Kommentare :

  1. Danke für diesen prima Überblick -ich würde Kühnert umarmen, wenn ich ihn träfe. Statt die Asche der Sozialdemokratie zu hegen, sollten Gedanken an Veränderungen Ansporn werden. Wenn man nicht weiß, wo man hinwill, kommt man nirgendwo an und hat verloren.

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  2. Vielleicht ist es ja viel schlichter: Es ist Wahlkampf und mit solchen Aussagen fischt die SPD ein wenig im linken Milieu, um vielleicht doch noch die magische 20-Prozent-Marke zu knacken. Kostet ja nix. Jedenfalls ist die Partei im Gespräch - und die anderen nicht.

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  3. M. Eberlinks Gedanken hatte ich auch sofort, als ich davon hörte. Das ist geplante PR, links blinken ........na Ihr wisst schon. Die Empörungswelle anschieben haben die Sozen von der AfD und von Rammstein gelernt. Funktioniert meistens.

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    1. Ist wahrscheinlich Teil der neuen Wahlkampfstrategie: Knallharte Ansagen machen und tüchtig links blinken. Danach mit der CDU koalieren und den Wählern sagen, was alles leider nicht umsetzbar sein wird.
      @quercus: Wie sagte F. v. Logau einst. "In Gefahr und höchster Not / bringt der Mittelweg den Tod".

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