Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
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Montag, 30. Dezember 2019
Unser Omma wieder
Hui, haben sie es kurz vor Jahresende gerade noch geschafft, ein weiteres Skandälchen zum Aufregen durchs Dorf zu treiben. Und dann gleich ein besonders auserlesen dämliches, wenn nicht gar das mit komfortablem Vorsprung dämlichste des Jahres. Im WDR hat ein Kinderchor ein Liedlein zum Besten gegeben, das unter anderem die Rede ist von einer Oma, die, so wörtlich, eine "Umweltsau" sei. Skandal! Sippenhaft! Kinder werden politisch indoktriniert und für Propaganda missbraucht!
Dienstag, 24. Dezember 2019
Jenseits der Blogroll - 12/2019
Pünktlich zum Anbruch der Festtage die monatliche Sammlung an Links und Lesestoff. Für alle, die Zeit zum Lesen übrig haben. Ich wünsche schöne Feiertage allerseits, ob und wie auch immer im einzelnen begangen.
Sonntag, 22. Dezember 2019
Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (20)
Keine Ahnung, wann ich zuletzt Playmobil gekauft habe. Ich glaube, das letzte Mal bekam ich noch Taschengeld und war elf oder so. (Hier wäre ich ja fast mal schwach geworden, aber das war nur Spaß.) Als an Spielkram weitestgehend uninteressierter Kinderloser ist man ja normalerweise irgendwann raus. So war es für mich sehr überraschend zu erfahren, dass, seit dem Ablaufen diverser Patente vermutlich, Lego-kompatible Systeme erhältlich sind, die sich allein um das Thema Militär drehen, komplett mit Ardennenoffensive und Schlachtschiffen. Gibt es alles beim Helden der Steine zu lernen. Auch, dass es für den Zusammenbau spezieller Lego-Modelle, dem Umfang der Aufbauanleitung nach zu urteilen, vermutlich eines Bachelor-Abschlusses bedarf.
Mittwoch, 18. Dezember 2019
Uff d'r Deutsche Eisebahne...
"Bei ARD und ZDF sitzen Sie in der ersten Reihe." - mit dieser steilen These versuchten einst die öffentlich-rechtlichen Sender sich gegen die private Konkurrenz zu behaupten. Satire und Volksmund verballhornten das höchst gelungen zu: "Bei ARD und ZDF reihern Sie in die ersten Sitze." Dass nichts Gutes dabei herauskommen würde, wenn die Deutsche Bahn AG eine Vorlage auf den Fuß gezirkelt bekommt wie "Greta genießt‘s in vollen Zügen", war absehbar.
Sonntag, 15. Dezember 2019
Schmähkritik des Tages (34)
Heute: Rainer 'Don Alphonso' Meyer und Hannes Soltau über die Blockflöte
"Die Blockflöte ist die Kalaschnikow unter den Musikinstrumenten: Enorme Durchdringkraft, unverkennbares Geräusch, unverwüstlich, billig in jedem Kaff Bayerisch Afghanistans zu beziehen, und richtet auch in Kinderhänden schon maximalen Schaden an." (FAZ.NET, 4.7.2009)
"Was die Freunde des Instruments dabei aber meist unterschlagen: Die Blockflöte ist ein musikevolutionärer Zombie, der eigentlich längst seine ewige Ruhe neben Drehleier und Schalmei auf dem Instrumentenfriedhof der Geschichte verdient hätte. Als im 18. Jahrhundert der Kampf der Aufklärung gegen die Folter erfolgreich war, verschwand mit der Streckbank und den Daumenschrauben nämlich auch die Blockflöte als Geisel der Menschheit.
Donnerstag, 12. Dezember 2019
Nacht der Entscheidung
Heute gilt‘s im Vereinigten Königreich. Verfolgen Sie aus aktuellem Anlass die knackaktuelle Berichterstattung der Kollegen von der BBC über die Wahlen zum Unterhaus.
Mittwoch, 11. Dezember 2019
Ronny des Monats - Dezember 2019
Weihnachtszeit ist ja bei Ronny & Co traditionell Hysterikerzeit. Weil, einschlägiger Wahrnehmung zufolge, ein jahrhundertealter Brauch nach dem anderen auf dem Altar von Umvolkung und Politischer Korrektheit geopfert wird. Jüngstes Beispiel: Die Augsburger Uniklinik hat dieses Jahr keinen Weihnachtsbaum im Foyer aufgestellt. Sicher, das beruhte nach Angaben des Krankenhauses auf einer Feuerschutzvorschrift, aber was sind schon Fakten gegen eine solch schöne Steilvorlage, seinen Rassismus, seine Xenophobie und maßlosen Überfremdungsängste, wie grotesk auch immer, rauszuposaunen.
Sonntag, 8. Dezember 2019
Umgevolkt im Münsterland
Und keiner merkt's. Außer mir.
Da hört sich doch alles auf! Ich meine, da lustwandelt man nichts Böses ahnend in angenehmer Gesellschaft über den idyllischen Adventsmarkt am münsterländischen Schloss Raesfeld, besser gesagt: Man versucht sich einen Weg durch die Menschenmassen zu bahnen, da die Veranstaltung sich mit den Jahren immer mehr zu einer winterlichen Außenstelle der Cranger Kirmes entwickelt hat -- und dann das. Man ordert irgendwann an einem entsprechenden Stand ein alkoholisches Heißgetränk und weil es, wie gesagt, recht belebt war, dauert das ein wenig, sodass man Bestellungen des übrigen Publikums mitbekommt. Und was hörte ich da? Nicht einmal, sondern immer wieder? "Kakao mit Schuss" hörte ich da!
Donnerstag, 5. Dezember 2019
Die ganz alte Tante
Man kann sich, wie so viele andere, an Personen abarbeiten. Am honorig-beflissenen Norbert Walter-Borjans und an seiner Co-Vorsitzenden Saskia Esken, die bislang vor allem dadurch aufgefallen ist, ihr notorisches Überfordertsein mit autoritär-patzigem Auftreten zu kaschieren. Man kann sie aber auch bedauern, weil auch sie zwangsläufig scheitern werden. Das ist nicht ihre Schuld und liegt auch nicht an mangelndem guten Willen. Es liegt schlicht daran, dass man nicht gegen den Lauf der Dinge arbeiten kann. Anders gesagt mit Fontane, dem ollen Jubilar:
Montag, 2. Dezember 2019
Wenn Kunst mal weh tut (2)
"Teurer Finder, suche überall, auf jedem Zollbreit Erde. Suchet in der Asche. Die haben wir verstreut, damit die Welt sachliche Beweisstücke von Millionen von Menschen finden kann." (Salmen Gradowski, 1944 in Auschwitz ermordet)
Dank einer großartigen Aktion des Zentrums für Politische Schönheit (ZPS) hat Berlin seit heute ein neues Denkmal: eine "2,5 Meter hohe und 4 Tonnen schwere Gedenk- und Widerstandsstätte aus Edelstahl auf dem Gelände der ehemaligen Krolloper" (ZPS), in der der zur Alibi-Veranstaltung geschrumpfte Reichstag ab 1933 tagte und in der "vor genau 86 Jahren der deutsche Konservatismus die Demokratie in die Hände von Hitler und seinen Nazischergen legte." (ZPS, ebd.) Die Säule enthält exhumierte Asche aus der Gegend um Auschwitz.
(Korrektur, 3.12.: Nein, das ist seitens des ZPS nirgends behauptet worden.)
Freitag, 29. November 2019
Prioritäten
Unsere Bürgerlich-Konservativen sind bekanntlich ein höchst aufmerksames Völkchen. Sobald jemand irgendwo erwähnt, dass seit der Wiedervereinigung zirka 200 Menschen durch Rechtsextreme zu Tode gekommen sind, im gleichen Zeitraum durch Linksextreme hingegen genau niemand, erinnern sie stets daran, niemals und keinesfalls die viel, viel gefährlichere Gefahr von links zu unterschätzen. Immer schön zu erfahren, dass es Menschen gibt, die noch echte Probleme haben.
Montag, 25. November 2019
Been there, did that
Ein weiteren Eintrag abgehakt, der sich vermutlich auf irgendeiner dieser diese Wichtigtuer-Listen findet mit den tausend Dingen, die man angeblich unbedingt erledigt haben muss als hipper Individualistendödel, bevor man abkratzt, will man nicht überall unten durch sein (Nr. 15: Auf der Toilette des angesagtesten Clubs in London Sex mit Wildfremden haben - Nr. 344: Silvester auf dem Times Square - Nr. 449: Auf dem Eiffelturm eine Dosis Nasenata reinziehen - Nr. 941: Bei Sonnenuntergang am Hafen von Manila Street Food mampfen, zusammen mit Ihren gleichermaßen sagenhaft erfolgreichen und zu Tode gelangweilten Sackgesicht-Freunden, die auch alle nicht arbeiten müssen und nicht wissen, wohin mit ihrer Kohle).
Sonntag, 24. November 2019
Jenseits der Blogroll - 11/2019
Die Fundstücke des Monats wieder. Höchste Zeit. Sonst werdens noch mehr.
Politik. Genau mein Reden: Können wir bitte mal Schluss machen mit diesem sozialtherapeutischen Betüttern von AfD-Wählern? Wer AfD wählt und sagt, er täte das allein aus legitimem Protest, ist entweder verlogen, leichtfertig oder steindumm. Oder hält mich für letzteres. Wer AfD wählt, wählt Faschisten, muss sich dann gefälligst auch mit diesem Vorwurf auseinandersetzen und soll nicht passiv-aggressiv rumheulen von wegen: Keiner versteht mich. Für eventuelle Konsequenzen eigener Entscheidungen bzw. Nicht-Entscheidungen geradezustehen, ist übrigens bekannt als 'erwachsen sein'. Oder 'Autonomie'.
Freitag, 22. November 2019
Gesprächsangebot abgelehnt
"Aber weil jede ältere Generation neu darin ist, alt zu sein, denkt jede von ihnen, als sei es das erste Mal: Mit der Jugend geht's echt abwärts." (Matthias Lohre)
Es macht mich durchaus ein bisschen stolz, dass meine Erzeuger offenbar irgendwann verstanden haben, dass die Welt sich weitergedreht hat. Dass sie begriffen haben, dass ihre Maßstäbe und ihr Erfahrungshorizont nicht allgemeingültig sind. Sie bemühen sich fast immer zu verstehen, anstatt vorschnell zu urteilen. Vielleicht hilft es ihnen, dass sie dank frühen Einzahlens in die Rentenversicherung und guter Gesundheit ihren Lebensabend dafür nutzen können, auf Reisen ihren Horizont zu erweitern, anstatt ihn zu verengen.
Dienstag, 19. November 2019
Schmähkritik des Tages (33)
Heute: Wolfgang Abel über Weihnachtsmärkte
"Wenn es den Gemeinden wirklich um die Reduktion von Emissionen jeder Art ginge, müßten Weihnachtsmärkte an vorderster Stelle der Schamliste stehen. Öffentliche Plätze als Resterampe mißbrauchen und das ganze noch Markt nennen, tiefer kann ein Gemeinwesen nicht sinken." (Wolfgang Abels Kolumne vom 10. November 2019)
Samstag, 16. November 2019
Narratives
Der Begriff Major Consensus Narrative lässt sich kurz definieren als das, was innerhalb einer bestimmten Gruppe von einer Mehrheit für die Wahrheit gehalten wird. Die Beispiele sind da durchaus zahlreich:
"Eskimos haben 100 Wörter für Schnee, Ärzte schwören auf den hippokratischen Eid, Hexenverfolgungen waren ein Phänomen des Mittelalters – drei Ansichten, die in der Mehrheit der Bevölkerung weit verbreitet sind. Dass sie nicht stimmen, ist nicht so wichtig, denn dafür sind es einfach zu gute Geschichten, die hervorragend in unser Weltbild passen." (Erik Wenk)
Dienstag, 12. November 2019
Ronny des Monats - November 2019
"Es gibt drei Dinge, die sich nicht vereinen lassen:
Intelligenz, Anständigkeit und Nationalsozialismus.
Man kann intelligent und Nazi sein. Dann ist man nicht anständig.
Man kann anständig und Nazi sein. Dann ist man nicht intelligent.
Und man kann anständig und intelligent sein. Dann ist man kein Nazi."
(Gerhard Bronner)
Samstag, 9. November 2019
11-9
Der 9. November 1989 war ein Donnerstag und ich hatte Spätschicht, weil ich da Zivildienst im Krankenhaus machte. In den beiden Viererzimmern der Station herrschte meist gute Stimmung, denn dort waren in der Regel Patienten mit leichteren Gebresten untergebracht. Als ich den Raum betrat, um die Tabletts vom Abendessen wieder einzusammeln und dabei meine abendliche Blutdruck-, Temperatur- und Pulsrunde zu erledigen, sagte einer: "Hey, Stefan, schon gehört? Die Berliner Mauer ist offen." Und ich so: "Ja, Willi, ich komm gleich Fieber messen. Tabletten schon genommen?" Und er so, indem er auf den Fernseher zeigte: "Nee, ehrlich. Guck doch mal." (Patienten, mit denen man sich einfach duzte, waren oft die netteren.)
Mittwoch, 6. November 2019
Provinz.
Woran merkt man eigentlich, dass man in der Provinz lebt? Ich behelfe mir immer so: Provinzstädte sind zuverlässig daran zu erkennen, dass sie um Himmels Willen keine sein wollen. Daher betreiben sie mitunter einigen Aufwand, um krampfhaft als megahippe, coole Metropolen zu erscheinen, in denen Tag und Nacht der Bär aber so was von steppt. Wenn nicht gerade der Papst boxt. Echten Weltstädten hingegen pflegt so was ziemlich egal zu sein. Kein New Yorker/Londoner/Tokioter/Berliner/… muss eigens daran erinnert werden bzw. muss sich selbst andauernd vergewissern, in einer Weltstadt zu leben. Wer das trotzdem nötig hat, outet sich zuverlässig als Tourist oder als Zugezogener. Schlimmstenfalls aus Schwaben.
Montag, 4. November 2019
Kulturimperialismus
Ganz harmlos fing es vor ein paar Jahren an. Mit einem Oktoberfest. Geh, hab dich doch net so, ist doch alles nur Gaudi. Haben sie gesagt damals. Jetzt kommen sie in Scharen über den Weißwurstäquator angeschissen und fangen an, sich unserer Innenstädte zu bemächtigen. Dabei ist das doch eine ganz andere Kultur! Ist das schon die große Umvolkung? Wann werden sie uns überfremdet haben? Wann werden sie uns zwingen, Lederhosen und Dirndl zu tragen? Schnackseln sie schon unsere Frauen? Wacht!!!!1!Endlich!!1!! AUF!111!1
Samstag, 2. November 2019
Preisfragen
"Das politische Thema des Tages ist in Thüringen* der Wahlerfolg der AfD* und die Frage nach den Gründen für ihn. […] Man muß zunächst übertriebene Auffassungen zurückweisen: der Kern der Wählerschaft hat an der guten demokratischen Tradition des Landes festgehalten; nur ein - allerdings ansehlicher [sic] - Bruchteil ist der [...] Werbung der Rechtspopulisten* widerstandslos erlegen […]. Es sind die Leute der nationalen Romantik, die die Götzendämmerung des Nationalismus noch nicht erkennen [...]. Es sind die Leute mit dem kurzen Gedächtnis, die [...] sich auch absolut nicht mehr daran erinnern, wie es früher* bei uns aussah und wie ungeheure Fortschritte wir, so groß die Not breiter Volksschichten immer noch ist, seither, doch ganz unbestreitbar politisch und wirtschaftlich gemacht haben. Es sind die Leute, die innerlich so durcheinander gebracht sind, daß sie kritiklos auf jede Hetze reagieren und jeden Schwindel glauben, der ihnen von skrupellosen Spektakelmachern vorgesetzt wird. [...]
Mittwoch, 30. Oktober 2019
Erfurter Allerlei
Vorsicht vor dem 'Volk'
Die AfD ist bekanntlich 2013 gegründet worden und steht seither zur Wahl. Seit Sonntag ist in allen fünf neuen Ländern seit 2013 mindestens einmal gewählt worden. Mit folgenden Ergebnissen:
Sonntag, 27. Oktober 2019
Keine Kataschtrophe
'Asterix' Band 38 im Test
Eigentlich sah es so aus, als sei das Kapitel 'Asterix' nach dem komplett misslungenen letzten Band der Reihe für mich erledigt. Nur gehöre ich zu denen, die einst mit 'Asterix' groß geworden sind. So was prägt. Außerdem ist die Aufgabe, die Zeichner Didier Conrad und Texter Jean-Yves Ferri zu stemmen haben, keine kleine, beim Teutates. 'Asterix' war nie bloß ein trivialer Comic, der von A nach B geht, sondern ist ungeheuer vielschichtig und anspielungsreich. 'Asterix' ist Abenteuergeschichte, Komödie, Märchen, historische Erzählung, Parodie auf die deutsche Besetzung Frankreichs im zweiten Weltkrieg und die Résistance, Feier der französischen Lebensart, der Liberalität und des Individualismus, Satire und vieles mehr, meist auf einmal. Hohe Literatur. Eine Riesenhypothek.
Donnerstag, 24. Oktober 2019
Bildungsfernsehen (2)
Der Soziologe Andreas Kemper ist sozusagen AfD-Experte der ersten Stunde. Wie es dazu gekommen ist, erklärt er im Interview mit Thilo Jung in der 'Jung & Naiv'-Folge 442. Auch sonst gibt es einiges zu lernen: Über Faschismus im Allgemeinen, Macchiavelli, und die Verbindungen gewisser Leute einer bestimmten, sich selbst als 'bürgerlich' gebenden Partei in die Neonaziszene. Und warum Björn Höcke aller Wahrscheinlichkeit nach derjenige ist, der sich hinter dem Pseudonym 'Landolf Ladig' verbirgt (und warum das wichtig ist). Das Video dauert gut eindreiviertel Stunden. Davon sollte man sich nicht abschrecken lassen, denn es ist hoch informativ und deswegen auch kurzweilig. Wie fast immer, wenn man einem Experten zuhört, der Substanzielles zu sagen hat.
Montag, 21. Oktober 2019
Jenseits der Blogroll - 10/2019
Wie immer, wenn eine 2 die erste Datumsziffer ist, die Fundstücke und Links des Monats:
Politik. Stefan Sasse über den strategischen Totalbankrott, den die USA und 'der Westen' in Syrien angerichtet haben. In einem ebenfalls lesenswerten Beitrag vom letzten Jahr geht es um die Frage, wieso Verhandlungen leider kein diplomatisch-weltpolitisches Wundermittel sind, sofern man keine militärische Drohkulisse im Rücken hat und dass es ein Irrtum ist zu glauben, die Welt würde friedlicher, wenn man komplett auf Militär verzichtet.
Samstag, 19. Oktober 2019
Biederer Brandstifter
Mir ist da jetzt etwas klar geworden, das ich offenbar lange verdrängt hatte. Nicht wahrhaben wollte. Aus Scham. Aus Schmerz vermutlich. Aber einmal muss es mal sein, es hilft nichts Irgendwann muss es ja mal raus. Hochgeschätztes Publikum, bringen Sie bitte Ihre Sitze in eine aufrechte Position und schnallen Sie sich an:
Donnerstag, 17. Oktober 2019
Pizza fratello maggiore
Kennen Sie das auch? Treibt Sie das auch so um? Diese nagende Angst vor dem schludrigen Pizzadienst? So ziemlich jeder bestellt irgendwann mal eine Pizza. Weil kein Bock oder keine Zeit fürs Selbermachen. Weil's manchmal halt muss. Also ganz altmodisch zu dem bunten Flyer mit den bunten Bildern gegriffen, der in der Küche hängt (bei den meisten an der Pinnwand, so vorhanden, oder auf der Kühlschranktür - ich kann hellsehen!) und das Gewünschte per Telefon oder, ganz Digital native, per App geordert.
Sonntag, 13. Oktober 2019
Ronny des Monats - Oktober 2019
Keine Sorge, auch diesen Monat werden wieder einmal die Ronnys vergeben. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. War mir nur wichtig, aus aktuellem Anlass etwas zum Thema Halle a.d. Saale dazwischenzuschieben, weil ich sonst vermutlich durchgedreht wäre. Ursprünglich hatte ich vor, die Gruppe 'Fridays for Hubraum' zu prämieren. Als abschreckendes Beispiel, in was für eine Güllegrube sich ein milde satirisches Nonsens-Projekt, das man so oder so finden kann, sich in kürzester Zeit verwandelt, wenn es in die Fänge potenzieller Ronny-Preisträger gerät.
Freitag, 11. Oktober 2019
Nicht erst seit Mittwoch
Wer diese Kuschelecke im Weltnetz ein wenig kennt, weiß, dass ich eine ausgemachte Aversion hege gegen einfache Lösungen a'la "Grenzen dicht!", "Wegsperren!", "Härtere Strafen!" etc. und jedwede Form hündischer Staatsgläubig- und Autoritätshörigkeit mir hochgradig suspekt ist. Angesichts dessen, was bekannt ist über das, was vorgestern in Halle an der Saale passiert ist, kann man es sich aber ausnahmsweise ganz einfach machen: Zwei bewaffnete Polizeibeamte vor der Synagoge hätten den Anschlag mit einiger Sicherheit verhindert.
Dienstag, 8. Oktober 2019
Schmähkritik des Tages (32)
Heute: Thomas Fischer über Dieter Nuhr
"Herr Nuhr ist 1960 geboren und hält sich daher für einen intimen Kenner der '68er-Generation', deren angeblichen und tatsächlichen Lebensirrtümern er, egal zu welchem Thema, einen Strom höhnischer Verachtung hinterherzunuscheln pflegt.
Der Rest der Nuhr-Kunst befasst sich mit den allzumenschlichen Charakterfehlern des Afrikaners, des Moslems und des jeweils anderen Anderen, also des Anderen in uns allen. Weil er gerne sagt, dass auch Moslems doof sind, gilt er als ungewöhnlich mutiger Humorist. Herr Nuhr verfügt über eine hochentwickelte, wenngleich etwas monothematische Imitationstechnik: Er kann verschiedene Sätze in einem von ihm erfundenen deutschtürkischen Unterschicht-Idiom sagen und dabei ein Gesicht machen, als müsse er dringend in eine betreute Wohngemeinschaft überstellt werden. Das ist sehr lustig. Am Ende jedes seiner Witze auf Kosten von Blöden, Armen, Schwachen sagt Herr Nuhr, dass er selbst theoretisch ähnlich blöd sein könne wie sie. Diese künstlerische Brechung könnte eine gewisse Differenziertheit in die Sache bringen, wenn der Stolz auf sie nicht ganz so penetrant dargeboten würde. [...]
Sonntag, 6. Oktober 2019
Argh!
Nein, werte taz, dass der "Fund einer neuen hominiden Spezies" (Lea Ebeling), der meinetwegen "als eine der wichtigsten Entdeckungen der letzten Jahre" (Ebeling, a.a.O.) gilt, bedeutet noch lange nicht, dass deswegen gleich "die Evolutionsgeschichte in Frage" (Ebeling, a.a.O.) gestellt ist. Unter anderem solcher Sensations-Quatsch führt dazu, dass immer mehr Menschen allen möglichen Mist glauben. Oder Wissenschaft gleich für eine einzige Übung in Beliebigkeit halten.
Freitag, 4. Oktober 2019
Wutbürgerliche Küche
Bin kein Arzt, aber vielleicht sind es ja wirklich die Hormone, wie der letztens hier bereits lobend erwähnte Ulli Hannemann meint. Wenn pubertierende Monster austicken, pflegen kluge, verständige Erwachsene, die sich einen Rest an Langmut bewahrt haben, bevor sie irren Blickes zur Pumpgun greifen zu sagen: Machste nix. Das schwierige Alter. Sie meinen das nicht böse. Die Hormone! Auch bei Frauen, deren Vermehrungsfähigkeit altersbedingt endet, verweist man bei eventuellen klimakterischen Überspanntheiten auf den sich wandelnden Hormonhaushalt. Wieso sollte das bei alternden Männern anders sein? Anders ist allenfalls, dass es über die männlichen Wechseljahre keine laufenden Regalkilometer an Ratgeberliteratur gibt. Die Symptome indes sind unübersehbar:
Mittwoch, 2. Oktober 2019
Letzte Dinge, neue Welt
Oper, das war für mich noch mehr etwas für Scheintote als die sonstige so genannte 'klassische' oder E-Musik. Auch als ich letztere schon dank des großen Lenny Bernstein längst für mich entdeckt hatte. So faszinierend ich es fand, was Orchester trieben, das affektierte, schrille Gesinge konnte mir gestohlen bleiben. In die Oper gingen Menschen, die wichtig tun und repräsentieren wollten. Adabeis. Reiche, juwelenbehangene Witwen in teuren Pelzmänteln, die sich für den Opernabend mitunter, so war zu hören, einen halb so alten schwulen Herrn als Begleitung mieteten. Sah gut aus, konnte geistvoll parlieren übers Gehörte und baggerte nach der Vorstellung garantiert nicht rum.
Montag, 30. September 2019
Yo!
Gesehen auf einer Tür in einer Schule hier in der Gegend (es war früh am Morgen und ich noch nicht ganz auf Ballhöhe, bitte den unschönen Lichtreflex zu entschuldigen). Ich hatte immer gedacht, 'Trainingsraum' (so eine Art moderner Karzer, den man aber nicht mehr so nennen darf, dafür mit pädagogischer Betreuung) wäre nicht mehr zu toppen.
Sonntag, 29. September 2019
Die Deppendekade
Die älteren werden sich erinnern: Vor einiger Zeit habe ich hier davor gewarnt, die Achtzigerjahre unnötig zu glorifizieren. Man sollte eh vorsichtig sein mit Nostalgie. Die ist eine mindestens genau so schlechte Ratgeberin wie Wut oder Angst. Von einem Spielentwickler las ich die Tage das folgende, nicht unkluge Diktum: "Der Satz, dass Videospiele früher besser waren, bedeutet eigentlich: Mein Leben war früher einfacher." Jetzt sind die Neunziger dran. Seit knapp 20 Jahren sind sie vorbei, daher werden sie jetzt wieder ausgebuddelt. Revival! Retro! Vintage! Heititei! Nun ja, wer glaubt, in der Kreativbranche sich schimpfenden Branche ginge es tatsächlich kreativ zu, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.
Mittwoch, 25. September 2019
In die Lehrermangel genommen
Kann natürlich sein, dass ich mich täusche, aber in Deutschland scheint es mitunter einen Hang zu geben, exakt das Gegenteil von dem zu tun, was rational und vernünftig wäre.
Viele amerikanische Unternehmen haben das seit Urzeiten kapiert und perfektioniert: Der wahre Segen liegt nicht im Verkaufen allein, sondern vor allem auch im Beschwerdemanagement. Klug ist es daher, die besten, talentiertesten Verkäufer nicht nur ins glamoröse Scheinwerferlicht der Verkaufsräume zu stellen, sondern sie, ordentlich geschult und bezahlt, versteht sich, Reklamationen bearbeiten zu lassen. In deutschen Unternehmen dagegen, in 'traditionellen' zumal, scheint Reklamationsabwicklung immer noch eine Strafarbeit für Unbegabte zu sein, die irgendwelchen Mist gebaut haben.
Sonntag, 22. September 2019
Jenseits der Blogroll - 09/2019
Klima und Beleidigungen, das sind offenbar die großen Themen der letzten Tage. Gerade bei letzterem habe mich, unabhängig von der Frage, ob und inwieweit die streikenden Schulkinder recht haben oder nicht, zunehmend den Eindruck, es mit einem Generationskonflikt zu tun zu haben und fühle mich in die frühen Achtziger versetzt, als die Öko- und Friedensbewegung und damit auch die frisch gegründeten Grünen ihren ersten Höhenflug erlebten. Auch diese jungen Leute durften sich damals die bescheidwisserische Schulmeisterei alter Säcke anhören und sich Spinner nennen lassen. Das Ergebnis erleben wir gerade.
Freitag, 20. September 2019
Schimpf und Schande
Das Urteil des Landgerichts Berlin in Sachen der üblen Beleidigungen gegen Renate Künast dürfe nicht missverstanden werden als ein "Freibrief, jetzt im Internet richtig loszupoltern", wie Udo Vetter warnt. Na ja, im Internet vielleicht, man weiß es nicht, aber in der offline-Welt definitiv. So kann kann man sich schnell mal 20 Tagessätze à 40 Euro einhandeln, wenn man einen AfD-Abgeordneten als "Nazi" bezeichnet. Einer adligen AfD-Torte eine selbige zu verpassen, in Form eines staatsanwaltlichen Strafbefehls ebenfalls. Als eine 23jährige Studentin dagegen Einspruch einlegte, wurde sie vom Amtsgericht Kiel zu einer Geldstrafe in Höhe von 150 Euro verurteilt, da der Tortenwurf eine Beleidigung darstelle. Sie verzichtete darauf und trat stattdessen eine zweiwöchige Haftstrafe an.
Dienstag, 17. September 2019
Bauhaus-TV
Zugleich Fluch und Segen des Bauhauses, dessen Gründung sich heuer zum hundertsten Male jährt, ist der hohe Wiedererkennungswert nicht weniger Objekte. So kann dank des Bauhauses jeder Wichtigmann ohne größere Ahnung von Kunst und Architektur beim Anblick eines viereckigen weiß gestrichenen Kastens mit Flachdach oder von Möbeln, in denen Stahlrohr verbaut ist, sich dicketun mit der kennerhaften Bemerkung: "Ah, Bauhaus - ein absoluter Klassiker!". Und sich damit den Anstrich eines sich halbwegs auf der Höhe der Moderne bewegenden Kunstsinnigen verleihen.
Samstag, 14. September 2019
Kinderspiel
Es hilft nichts, wieder einmal muss über ein Genderthema geredet werden. Jetzt hat der amerikanische Spielemagnat Hasbro als jüngste seiner gefühlt 250.000 Varianten des Klassikers 'Monopoly' eine gegenderte Version herausgebracht. Bei 'Miss Monopoly' erhalten Spielerinnen qua Geschlecht automatisch ein paar Euros mehr, wenn sie über 'Los' gehen. Damit, wie der Hersteller sich erhofft, "die Gender-Pay-Gap-Debatte [...] in die Konversationen beim Spieleabend einfließt." Aha. Das meinen die nicht ernst, oder? Das ist doch ein Spaß! Da hat doch die komplette Marketingabteilung von Hasbro einen durchgezogen, ein paar Linien Nasenata geschnorchelt und einen Wettbewerb veranstaltet, wem wohl die dämlichste Monopoly-Variation einfällt, mit der sich trotzdem noch Geld verdienen lässt. Kann gar nicht anders sein.
Mittwoch, 11. September 2019
Ronny des Monats - September 2019
Es kann kaum überraschen, dass nach einer Sommerpause die Kandidaten für den Ronny des Monats sich förmlich drängeln. Dass einer wie Andreas Kalbitz sich mittlerweile nicht mehr entblödet, das, was er diskutieren nennt, das aber in Wahrheit meist bloß ordinäres, uninformiertes Gepöbel ist, inzwischen völlig schmerzfrei auch in Schulen abspult, geht da schon fast unter. Wie auch Petitessen, dass einer in Ebersberg eine junge Frau in der S-Bahn belästigt und dazu einen Hitlergruß gezeigt hat (bestimmt ein Flüchtling, der hinterhältigerweise perfekt Deutsch gelernt und sich als Nazi getarnt hat). Soll man die wachsweiche Wiebke Binder (mdr) nennen für ihr Ausgeglitsche auf der eigenen bürgerlichen Schleimspur am Wahlabend?
Sonntag, 8. September 2019
Pay Gaps
Hui, provokantes Eingangsstatement: Was haben Rechte und Feministinnen gemeinsam? Sie wissen immer sofort, wer schuld ist an ihrem Elend. Der Missstand, für den nicht Ausländer und/oder die Regierung Merkel bzw. die Männer verantwortlich sind, muss erst noch gebacken werden. Glauben Sie nicht? Zu heftig? Nun ja.
Nehmen wir das berühmte Gender Pay Gap. Das bedeutet, Frauen verdienten im Schnitt 21 Prozent weniger als Männer. Dass das so pauschal gesagt schlicht Quatsch ist, konnte längst nachgewiesen werden. Das statistisch bereinigte Pay Gap bewegt sich im unteren einstelligen Prozentbereich. Dass Frauen in Spitzenjobs wie DAX-Vorständen tatsächlich sehr unterrepräsentiert sind, spielt dabei kaum eine Rolle, da Topverdiener dieser Liga bloß eine kleine Minderheit der Bevölkerung sind. Frauen sind auch in Berufen der Entsorgungswirtschaft sehr unterrepräsentiert, aber da belassen sie‘s interessanterweise bei Werbekampagnen und einem Women's Day. Kommt aber niemand auf die Idee, eine verpflichtende Quote zu fordern. Wieso?
Freitag, 6. September 2019
Schmähkritik des Tages (31)
Heute: Mely Kiyak über öffentlich-rechtliche Berichterstattung am Abend des 1. September 2019
"Fünfzehn Minuten Wahlabend im ZDF begannen damit, dass Bettina Schausten den Countdown runterzählte […]. Und als wenig später Jörg Meuthen von der AfD an Schaustens Tresen lehnte, sagte sie nicht etwa: »Ein schwarzer Tag für Deutschland, heute hat die Demagogie gesiegt, wie lange, Herr Meuthen wird es meinen Sender hier noch geben, wie lange die Pressefreiheit?« Nein, sie sagte, natürlich seine Sicht der Dinge meinend: »Ein erfolgreicher Abend.« Na, bitte. Hier wird schon antizipierend koreferiert. Dann: »Sind Sie zufrieden?« Ja klar, ist er zufrieden, der Meuthen […].
Mittwoch, 4. September 2019
Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (19)
Selten bekommt man so deutlich vor die Nase geklatscht, dass die Zeiten sich unwiderbringlich ändern. Obwohl ich weiß, dass Musik und Fernsehen heute nur mehr gestreamt werden, CDs bloß noch was für Rentner sind und wer noch Bücher kauft, am besten gleich ins Museum ziehen sollte, gehöre ich zu denen, die noch altmodischen Gepflogenheiten anhängen wie Papierbücher und CDs zu besitzen und gelegentlich sogar anzuschaffen. Daran, von Digital Natives darob angeglotzt zu werden wie ein Brontosaurus, der kurz vor dem Aussterben noch genüsslich auf einer halben Tonne Blattwerk herumkaut, habe ich mich längst gewöhnt. Man bekommt halt Übung im Minderheitsein.
Sonntag, 1. September 2019
Lest we forget (2)
"Aus der Geschichte der Völker können wir lernen, dass die Völker aus der Geschichte nichts gelernt haben." (Georg Wilhelm Friedrich Hegel)
Es ist wohl ein Generationsproblem, dass nunmehr, da sich der Beginn des zweiten Weltkrieges (ich halte am Datum 1. September 1939 fest, obwohl man mit Gründen anführen kann, der ganze Orlog habe bereits 1937 mit der Invasion Japans in China begonnen, aber das zu diskutieren, würde hier zu weit führen) zum 80. Male jährt, sich die Menschheit offenbar wieder ein wenig zu sicher fühlt. Die mahnenden Stimmen, die das Elend selbst miterleben mussten, sie werden weniger und leiser. Und werden bald schon ganz verstummen. Immer dreister wird wieder über Krieg fabuliert. Vornehmlich von denen, die ihn nicht ausfechten müssten. So hoffen sie. Aber Atomwaffen machen da keine Unterschiede.
Samstag, 31. August 2019
Nur zu!
Okay, liebe AfD-Wähler in Sachsen und Brandenburg, ihr werdet morgen also AfD wählen. Das System ficken. Es denen da oben mal so richtig zeigen. Ist okay für mich, that‘s democracy. Und wenn eure Partei dann, wie weithin prognostiziert, bei ca. 20 Prozent plusminus irgendwas landen wird, dann werdet ihr weiter wütend sein. Wegen Ausgrenzung. Weil ihr glaubt, einer 20-Prozent-Partei stünde automatisch eine Regierungsbeteiligung zu (tut sie nicht), da es undemokratisch wäre, wenn der Wille von 20 Prozent der Wähler nicht berücksichtigt würde (ist es nicht, Demokratie bedeutet, die Mehrheit regiert und wahrt gleichzeitig die Rechte der Minderheit, weswegen, nebenbei, auch nicht immer das Volk gefragt werden muss). Ist aber auch okay, that‘s Meinungsfreiheit.
Dienstag, 27. August 2019
Die Hacks des Jahres
Sensationelle Nachricht! Astronauten sind doch keine besseren Menschen als der Rest der Menschheit. Auch Astronauten können kriminell sein. Und jetzt müssen wir alle ganz stark sein: Astronautinnen auch. Damit nicht genug: Sogar gleichgeschlechtlich lebende und liebende Astronautinnen können das. Auch wenn sie mindestens zwei durch die Queer Theory definierten Benachteiligungskriterien erfüllen. Die ISS-Austronautin Anne McClain wurde von ihrer Noch- und demnächst Ex-Frau Summer Worden wegen "Identitätsdiebstahls" angezeigt. McClain soll ihre Online-Bankkonten "gehackt" haben, wie es heißt.
Samstag, 24. August 2019
Vor der Haustür
Kinderland ist abgebrannt
Die einen oder anderen werden es mitbekommen haben: In meiner bescheidenen Heimatstadt ist ein Indoor-Spielplatz komplett ausgebrannt. Es wurde niemand verletzt oder ist sonstwie zu Schaden gekommen. In der Südhälfte der Stadt roch es den Tag über ein wenig unangenehm. Dem konnte man aber wirkungsvoll begegnen, indem man die Fenster geschlossen hielt. Und die giftigen Dämpfe? Nun gut, es wird keine Vitaminspritze gewesen sein, aber wir im Ruhrpott haben früher noch ganz anderen Schmodder inhaliert, und zwar permanent. Bei meiner Oma selig hatte man die Wahl, bei Ostwind den Dreck der benachbarten Kokerei abzubekommen, bei Südwind den der Raffinerie in Herne und im Westen lag auch auch noch einiges an Montanindustrie. Nur Nordwind war immer ein bisschen wie Weihnachten.
Mittwoch, 21. August 2019
Jenseits der Blogroll - 08/2019
Na, heute auch schon den Stand der Dinge gecheckt? Wo die 'Malizia II' sich gerade auf dem Atlantik befindet? Waren Sie auch so erleichtert zu erfahren, dass unser Greta auch nach acht Tagen immer noch nicht reihernd über der Reling hängt (oder enttäuscht, je nach Sichtweise)? Warum reden eigentlich alle nur über Greta und nicht darüber, dass Skipper Boris Herrmann, der eine extrem aufwändige und teure Randsportart betreibt und somit weithin unbekannt war, plötzlich bekannter ist als je zuvor? (Er mag ja lautere Absichten haben, aber die PR wird ihm sicher nicht unwillkommen sein.) Oder darüber, dass sich sein Kompagnon und Sponsor Pierre Casiraghi, Sohn von Caroline von Hannover (ehem. von Monaco), hauptberuflich millionenschwerer Bauunternehmer, dazu Hobbyrennfahrer, sich zum Klimaretter stilisieren kann?
Montag, 19. August 2019
From my cold, dead hands
Da lacht des Linken Herz. Bernd Riexinger (Die Linke) will die klassenlose Gesellschaft einführen, so war zu hören. Gut, vorerst nur in Regionalzügen, aber es ist immerhin ein Anfang. Dort soll nach seinen Vorstellungen die erste Klasse in Zukunft entfallen. Die geringere Sitzplatzdichte und Auslastung in der First Class seien in Zeiten überfüllter Pendlerzüge nicht mehr zeitgemäß, findet er. Nun gut, ich bin schon länger nicht mehr Bahn gefahren, aber wenn ich mich recht erinnere, beschränkt die erste Klasse in diesen Doppelstockwagen sich eh bloß auf ein paar Sitzreihen am Ende einiger Waggons. Die abzuschaffen mag im Gegenzug vielleicht ein wenig Platz schaffen, dürfte an den grundlegenden Problemen, die der ÖPNV in Deutschland seit Jahrzehnten vor sich herschiebt, aber wohl nicht viel ändern.
Samstag, 17. August 2019
Saisonauftakt und Rittersleut'
Normalerweise halte ich wenig bis gar nichts von diesen Selbsttests zum ankreuzen, deren schiere Masse mit dem Aufkommen des Internet noch einmal exponentiell gestiegen zu sein scheint. Aber keine Regel ohne Ausnahme und Anlässe wie der Saisonauftakt der Bundesliga wollen begangen werden. So ergab der Test, welcher Bundesligaverein am besten zu mir passt, folgendes:
Freitag, 16. August 2019
Woodstock yourself!
Damals in...
Am sich diese Tage zum fünfzigsten Male jährenden Woodstock-Festival lässt sich studieren, dass auch Menschen, die sich einst selbst genervt die Ohren zuhielten oder den Raum verließen, wenn Vati vom Krieg erzählte, ihrerseits in zunehmendem Alter der Folgegeneration nicht minder mit ihren jugendlichen Heldentaten auf den Nagel gehen. Woodstock, das war mal so was wie der Omaha Beach der Babyboomer-Generation, dabeigewesen zu sein ein Ritterschlag. Auch in Deutschland übrigens. Eine Krankenschwester, die ich im Zivildienst kennengelernt hatte, schwärmte einst verklärten Blickes davon, sich den ganzen Film im Nachtprogramm angeschaut zu haben. Und ein kurzzeitiger Gitarrenlehrer von mir konnte endlos über die Genialität referieren, die Alvin Lee von Ten Years After bei 'I Am Going Home' zeigte.
Mittwoch, 14. August 2019
Reiseimpressionen (10)
Deutschlands Esoterik-Vizehauptstadt
Ich schrieb‘s schon vor einigen Jahren: Der einst mondäne, als 'Meran des Nordens' gehandelte Kurort Bad Reichenhall hat ein wenig zu kämpfen, seit Kuren von den Krankenkassen nur mehr sparsam vergeben werden und die Reichen und Schönen längst andere Destinationen ansteuern zwecks Wellness. Aber man gibt nicht klein bei. So machen sie in aggressivem Salzmarketing. Nehmen Puffpreise als Eintritt für ihre Therme. Verhökern handgebrochenes 'Ur-Salz' für Apothekenpreise. Und es siedeln sich zunehmend Esoteriker und andere Scharlatane in der Stadt an. Mag Murnau am Staffelsee Deutschlands Esoterik-Hauptstadt sein, dann dürfte Reichenhall inzwischen dicht auf Platz zwei folgen.
Montag, 12. August 2019
Reiseimpressionen (9)
Quid pro quo
Kommt man auf Besuch nach Bayern und bleibt ein paar Tage, dann beschleicht einen mitunter das Gefühl, das mit Abstand drängendste Problem im Freistaat seien die traditionell horrenden Münchner Wuchermieten. Hier bei meinen Verwandten an der Grenze zu Salzburg hat vor über zehn Jahren ein Verbrauchermarkt aufgemacht. Die Halle ist so bemessen, dass man sie zwecks Nachnutzung notfalls an Airbus vermieten kann. Zwei 320er dürften sich darin locker generalüberholen lassen. Gleichzeitig. Der Laden, in dem es alles gibt und nichts, darunter als Lockangebot eine ordentliche Leberkassemmel für perverse 1,10 Euro, machte einst allen Ernstes Werbung mit dem Spruch: Wo die Welt noch in Ordnung ist.
Samstag, 10. August 2019
I love Sanifair!
Der Pestarzt, der einzig wahre Wiedergänger, hat gesprochen: Nur in Deutschland sei es möglich, meint er, Menschen fürs Pinkeln 50 Cent abzuknöpfen, ohne dass eine spontane Revolte losbräche. Als jemand, der gerade wieder urlaubsbedingt (Klimaschänder - evil, evil...) längere Zeit auf Autobahnen verbracht hat und dabei die eine oder andere Pinkelpause nötig hatte, kann ich nur sagen: Sanifair mag meinethalben eine mafiöse Ausbeuterorganisation sein (was für Monopolisten immer irgendwie zutrifft), man kann es selbstredend lästig finden, jedes Mal 70 Cent abdrücken zu müssen fürs sich lösen können, trotzdem halte ich den Verein für nichts weniger als einen Segen. Warum? Ganz einfach, ich lege, ganz etepetete, einen gewissen Wert auf gepflegte Toiletten, Und ich kenne die Zeiten vor Sanifair.
Freitag, 2. August 2019
Sommerloch
Weil ich ab heute ein wenig meine CO2-Bilanz nach oben schrauben werde, bricht mit dem August auch eine kurze Sommerpause hier im Blog an und es wird daher erst mal nichts Neues zu lesen geben. Wenn sich nun die einen oder anderen fragen, wie sie diese Zeit nun überbrücken sollen -- machen Sie‘s doch einfach wie ich und suchen sich ein Hobby. Ich habe zum Beispiel damit angefangen, lustige Aufkleber auf Laternenmasten und anderswo zu sammeln. Und an die frische Luft kommt man auch dabei.
Allwissend im Alter
Es muss das Alter sein. Geht nicht anders. Ab einem gewissen Alter scheinen ältere Herren mit viel Tagesfreizeit keinen Bock mehr zu haben, ihren Rassismus noch mühsam zu bemänteln, und lassen endlich die Sau raus. Dann salbadern sie ellenlang, selbstverliebt und im belehrenden, hochfahrenden Tonfall des allwissenden Erleuchteten über ihr früheres Links- und Naivsein, über ihr Aufgewachtsein 2015 (oder dass sie es immer schon gewusst hätten, das aber niemals jemand habe wahrhaben wollte) und ziehen als Experten für alles Mögliche gegen linke Träumer und grüne Gutmenschen zu Felde. Und immer werden sie von allen missverstanden, schluchz! Angesichts des furchtbaren Vorfalls von Frankfurt lässt sich etwa das hier als jüngstes Beispiel bestaunen:
Dienstag, 30. Juli 2019
Ablasshandel, modern
Wie es aussieht, werden wir uns an den Gedanken gewöhnen müssen, dass die Billigreise-Party vorbei ist. Wenn Urlaub, dann wie zu Großvaters Zeiten. Mein seliger Großvater hatte ein zerlegbares Blockhaus in einer Art Trailerpark im niederländischen Heiloo gelagert. Im Sommer fuhr er mit zweien seiner Söhne hin und baute auf, ein paar Tage später rückte die komplette Familie nach und der Hausstand wurde für ein paar Wochen dorthin verlegt (meine Oma selig hatte natürlich keinen Urlaub, sondern hausfraute einfach weiter wie daheim). Nach getaner Erholung wurde das Ding wieder zerlegt und bis zum nächsten Jahr eingelagert.
Samstag, 27. Juli 2019
Blaublütige Wiedergänger
"Ah! ça ira, ça ira, ça ira, / Les aristocrates à la lanterne!" (frz. Volksweise)
Man darf sich von Figuren wie der derer von Storch nicht täuschen lassen. Der Adel ist nicht blöd. Hat im Gegensatz zu Politikern, die immer auf die nächste Wahl schielen müssen, gelernt, in großen Zeiträumen zu denken. Und weiß, dass das Volk, erst recht ein so verführbares und autoritätshöriges mit Hang zum Esoterischen wie das deutsche, doof genug ist. Teile davon sind nämlich immer noch bereit, hündisch und gläubig aufzuschauen zu welchen, die aus nichts weiter als dem Zufall ihrer Geburt, ihrer Herkunft aus über Jahrhunderte durch konsequente Inzucht degenerierten Sippen einen Herrschaftsanspruch ableiten. Man schaue sich nur einen beliebigen Zeitungskiosk an und das in der Hofberichterstattung der Yellow Press sich offenbarende, anhaltende Interesse am komplett belanglosen Familienleben dieser Mischpoke.
Mittwoch, 24. Juli 2019
Jenseits der Blogroll - 07/2019
Woran erkennt man eigentlich, dass Hochsommer ist? Abgesehen von den Temperaturen, unter anderem am Sommerloch. Sommerloch ist, wenn es zur veröffentlichenswerten Meldung, ja nachgerade zum Skandal gerät, dass in einem niederösterreichischen Freibad die von der dortigen Gastronomie verabfolgten Wurstsemmeln ziemlich teuer, aber dafür eher übersichtlich belegt sind. Mein Gott, was kommt als nächstes? Dass die Islamisierung des Abendlands vor der Tür steht, weil eine kleine Kita in Leipzig Rücksicht auf zwei muslimische Kinder nimmt und den anderen Sprösslingen schnöde ihr Schweinernes vorenthält? Nicht auszudenken! Egal, mitten in der fettesten Sommerhitze, am Beginn der Hundstage also, der Lorenz ist volles Rohr am ballern, die allmonatlichen Links zur Sommerlektüre:
Sonntag, 21. Juli 2019
Sinnvoll wie ein Eiffelturm
Eine Prise Pathos zum 50. Jahrestag
Aus den Sechzigern kursiert folgende Anekdote: Als Präsident Lyndon B. Johnson das Apollo-Trainingszentrum besuchte, um sich über die Fortschritte des Mondprogramms zu informieren, fiel ihm beim Hinausgehen ein älterer Mann auf, der einen NASA-Overall trug und den Boden fegte. Johnson fragte routiniert leutselig, was er denn hier mache und was sein Job sei. Der soll geantwortet haben: "Ich arbeite daran, dass wir zum Mond fliegen, Mr. President." Wenn’s nicht stimmt, dann ist es gut erfunden. Die Mondlandung war auch Jahre nach 1969 in einem Maße allgegenwärtig, das man sich heute nicht mehr vorstellen kann. Die Buchhandlungen waren voll mit Sachbüchern für Jungen, die in mehr oder weniger vielen bunten Bildern von der Eroberung des Mondes kündeten.
Freitag, 19. Juli 2019
Der nächste große Coup der Angela M.
Wir erinnern uns (auch wenn es schwerfällt): 2013 war der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg wegen diverser Unregelmäßigkeiten bezüglich seiner akademischen Meriten bzw. seines Umganges damit politisch untragbar geworden, musste seinen Hut nehmen und entschwand nebst Familie erst einmal im Exil. Wusch sich das ganze Wetgel aus der Frisur und machte dann bei der EU irgendwas mit Internet. Und hält sich seitdem bereit für den Fall, dass die Nation ihn wieder ruft.
Mittwoch, 17. Juli 2019
Gesaftelhuber
"Eine Lektion, die wir nur langsam zu lernen scheinen, ist, dass in schlecht regulierten digitalen Märkten der Preis, den man zahlt, nicht unbedingt dem entspricht, der die tatsächlichen Kosten widerspiegelt." (Julian Baggini)
Andere Zeiten, andere Berufsbilder. Microjobber etwa. So eine Art Akkordarbeiter. Nur ohne soziale Absicherung, denn das ist voll 20. Jahrhundert. Oder wissen Sie, was ein Juicer ist? Ein professioneller Saftpresser? Weit gefehlt! Betreiber eines Saftladens (was Juicer zu einem der eher häufiger anzutreffenden Berufe machen würde)? Nope. Ein Juicer ist kein Ent-, sondern vielmehr ein Besafter. Von E-Rollern. Juicer sammeln im Auftrag von Sharing-Unternehmens nachts leere E-Scooter ein, laden sie an einer Steckdose auf, meist einer heimischen, und verteilen sie nach getanem Laden wieder im Stadtgebiet.
Montag, 15. Juli 2019
Schmähkritik des Tages (30)
Heute: Michael Herl über das weitgehend durchmediterranisierte Deutschland
"Fortan wurde die Mediterranisierung mit preußischer Gründlichkeit exerziert, und die Deutschen geben sich plötzlich einem Lebensstil hin, wie er selbst in Mittelmeerländern undenkbar wäre. Gegrillt wird heute auch im tiefsten Winter, Spaghetti Carbonara richtet man mit Sahne und Formvorderschinken hin, Lokale ohne Freisitze gehen im Sommer pleite, Bankangestellte tragen kurze Hosen und Gerichtsvollzieher Ohrringe. […] Pizzerien backen »Pizza Bierschinken« und Metzgereien »Pizza-Fleischkäse«, Oberstudienräte verabschieden sich mit einem lässigen »Ciao«, ganz normale Menschen watscheln über die Straße, als kämen sie gerade zu Hause aus dem Bad; da wir das Mittelmeer leer gefressen haben, futtern wir nun Frutti di mare aus vietnamesischer Aquakultur, und dank des Klimawandels wächst an der Mosel Merlot.
Freitag, 12. Juli 2019
Gewollt, nicht gekonnt (4)
Die Tage erstmals einen Blick in die neue örtliche Stadtbibliothek geworfen. Hell, neu, sauber, aber auch ziemlich steril. Lädt nicht wirklich zum Verweilen und Wohlfühlen ein. Mich zumindest nicht, aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Der Bestand wurde beim Umzug ins neue Domizil offenbar radikal zusammengestrichen. Die Abteilung Geschichte, die mich besonders interessiert, beschränkt sich gerade mal auf ein Drittel eines Regals (zum Vergleich: in der von mir frequentierten Bücherei der um ein Drittel einwohnerärmeren Nachbarstadt ist das eine Viertel Etage). Und dann noch echte Perlen im Sortiment:
Dienstag, 9. Juli 2019
Ronny des Monats - Juli 2019
Die Aktion des Monats war zweifellos, dass die Ostritzer Bürger die Teilnehmer eines Rechtsrock-Festivals in ihrer Stadt trockengelegt haben, indem sie sämtliche Biervorräte aufkauften. Ohne Alk ist das Nazileben halt nur halb so schön. Ich meine, es ist ja kein Zufall, warum Rechte so auf starke, charismatische Führer stehen. Weil die Bande endlos feige ist. Bei weniger als fünf gegen einen und unter 1,2 Promille hält man sich lieber bedeckt. Und wenn sie einmal mehr die halbe Welt in Trümmer gelegt haben, dann können sie immer sagen: Der da war‘s! Ich wurde bloß verführt und hatte meine Befehle auszuführen, sonst hätte ich doch selber Schwierigkeiten bekommen.
Samstag, 6. Juli 2019
Überraschung!
"Wie argumentationslos Rechtsradikale sind erkennt man daran, dass sie ihre Agenda mit Gewalt durchsetzen wollen und müssen. Jeder mit einem Funken Verstand und Empathie erkennt gleich, dass die Forderungen dieser Menschen Blödsinn sind." (chris)
Das Eklige an denen von Pegida ist ja, dass sie einerseits alle Empathie der Welt für sich reklamieren -- Weil sie verkauft, belogen, betrogen und hintergangen wurden. Weil ihre Sorgen und Nöte nicht ernst genommen werden. Weil keiner Verständnis zeigt für ihre Wut. Weil alle sie zu Nazis stempeln, bloß weil sie eine marginal vom linksgrünversifften Mainstream abweichende Meinung zu äußern wagen, obwohl sie doch nur 'Besorgte Bürger' sind. Schluchzbuhu! --, dass sie andererseits aber nicht bereit sind, Flüchtlingen/Zuwanderern/Migranten, aber auch durchaus Hiesigen, die ihnen irgendwie querkommen, auch nur einen Funken jener Menschlichkeit und Empathie zuzugestehen, die sie so dreist für sich beanspruchen. Das macht den Umgang mit ihnen, zumindest mit denen, die die Schnauze aufreißen und Inhumanes pöbeln, nicht eben einfach.
Mittwoch, 3. Juli 2019
Völkerballerei
Opa erzählt von früher - müssen Sie jetzt durch
'Scharfschützen', so und ähnlich wurden G. und O. damals genannt. Ihren schusswaffenhaften Würfen entkam nichts und niemand. Weil unsere Sportlehrer das bald raus hatten, sorgten sie dafür, dass G. und O. beim Völkerball nie in der selben Mannschaft waren. Sonst wäre die Sache nämlich nach wenigen Minuten vorbei gewesen. Völkerball erschien mir damals vor allem hochgradig entlastend für Sportlehrer zu sein. Keine große Vorbereitung, kein Geräteaufbauen, einfach einen Ball gegriffen und gesagt: So, wählt mal eben zwei Mannschaften, wir spielen ne Runde Völkerball! Was sollten sie auch groß machen? Zu meiner Zeit gab es noch einzelne Sportstunden von 45 Minuten Länge. Zog man das Umziehen ab, blieben da netto vielleicht noch zwanzig Minuten übrig.
Sonntag, 30. Juni 2019
Abendgedanken - Déjà-vu
Knapp 800 Menschenleben hat das Dichtmachen und -halten der innerdeutschen Grenze gekostet. Bei 40 Jahren, von 1949 bis 1989, macht das ziemlich genau 20 Tote im Jahr. 20 Tote an der Grenze per annum genügten damals, um vom 'freien Westen' im Brustton moralischer Überlegenheit als 'Unrechtsstaat' gebrandmarkt zu werden (für den Fall, dass mal jemand Interesse hat). Das gilt aber nur, so lange Genosse Afrikaner nicht übers Meer angeschissen kommt. Da gilt es vielmehr, unsere Lebensweise und unseren Wohlstand zu verteidigen, den wir uns bekanntlich ohne jegliches Zutun des Rests der Welt ganz allein hart erarbeitet haben. Wenn‘s sein muss, "bis zur letzten Patrone" (Seehofer, der Salvini von Bayern).
Samstag, 29. Juni 2019
Zitteraale
Vor ziemlich genau drei Jahren passierte es: Ich hatte mir bei einem Arbeitsunfall das Handgelenk angeknackst, musste einen Gips tragen, war krank geschrieben und durfte sechs Wochen lang weder radfahren noch schwimmen; auch Auto fahren war tabu. Weil ich es keine Option fand, mich daheim einzuigeln, die Vorhänge zuzuziehen und die Decke anzustarren, nahm ich mir jeden Tag einen mindestens einstündigen Fußmarsch vor. Um Frischluft, Tageslicht und Kondition zu tanken. Eines Tages ging ich so meiner Wege, es war ähnlich drückend heiß wie die Tage, als mir 500 Meter vor meiner Wohnung plötzlich schwarz vor Augen wurde. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten, fing am ganzen Körper zu zittern an und war froh, es zur nächsten schattigen Parkbank zu schaffen.
Mittwoch, 26. Juni 2019
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Acht superknackoriginelle Hammertipps, wie Sie mit der Hitze fertig werden, die noch niemals irgendwo zu lesen waren - hacken Sie Ihr Leben!
Montag, 24. Juni 2019
Jenseits der Blogroll - 06/2019
Die Fundstücke und Leseempfehlungen des Monats. Ohne Schlaubi-Einleitung dieses Mal. Die Hitze.
Politik. Allein schon wegen dieses Absatzes muss man Jörg Schneiders Essay über das Phänomen des Rezo-Videos einfach gern haben:
"Da verwundert es nur wenig, dass sich die allgemeine Beliebtheit der gerne pauschal über einen Kamm gescherten Politikerkaste momentan irgendwo zwischen Anders Breivik, dem Weißen Hai und Bauchspeicheldrüsenkrebs eingependelt hat. Und da sind die mit allerlei Fahnenfirlefanz und empathischen Minderleistungen unterhalb des sozialen Gefrierbrandes agierenden rechtspopulistischen Evolutionsverweigerer, die sich offenbar in einer Art von selbstauferlegtem Wissenszölibat für ein Leben in kollektiver intellektueller Askese entschieden haben, noch nicht mal mit eingerechnet."
Samstag, 22. Juni 2019
Schnittmengen
"Hier ruht die Bundesrepublik Deutschland. Sie ging zugrunde an der unfassbaren Dämlichkeit, Geschichtsvergessenheit und Selbstüberschätzung ihrer bürgerlichen Eliten."
-- So oder so ähnlich stelle ich mir den Spruch vor, der den Grabstein dieses herrschenden Staatswesens dereinst zieren wird, wenn wir uns im Faschismus 2.0 wiederfinden sollten.
Man dürfe die Rechten nicht unnötig stark machen, heißt es seit Jahren immer wieder. Dumm nur, dass Teile des bürgerlichen Lagers daran nicht wirklich interessiert zu sein scheinen. Auf die Idee könnte man ja fast verfallen. Wenn man wissen will, wie man die Rechten stark macht, dann braucht man sich nämlich nur anzusehen, was die CDU spätestens seit 2015 so veranstaltet. Hierzu sollte man sich vergegenwärtigen, dass Rechte, allen voran große Teile der AfD, sich vor allem von folgenden beiden Narrativen nähren, die zum Kern ihres Selbstverständnisses gehören:
Mittwoch, 19. Juni 2019
Gretchenfragen
"Da steht der Feind – und darüber ist kein Zweifel: dieser Feind steht rechts!" (Joseph Wirth)
Hallo? Ich warte! Hat schon jemand aus dem konservativen oder rechten Lager darauf hingewiesen, dass der Tod von Walter Lübcke zwar eine ganz eine schlimme Sache sei, aber bei aller gebotenen Empörung und Betroffenheit niemals nie nicht vergessen werden dürfe, dass Linksextremismus noch viel, viel schlimmer sei? Gut, die schöne Einzelleistung von Max Otte (CDU), den Toten zum willkommenen Popanz für eine von ihm imaginierte linke Mehrheit zu degradieren, damit diese wieder einen NSU-Skandal und damit was zum Empören und Hexenjagen habe, war ein solider Anfang, aber nicht mehr.
Sonntag, 16. Juni 2019
Zwei Mythen
Samstag, 15. Juni 2019
Aber nicht alles verjuxen!
Auf frischer Mildtat ertappt
Wir erinnern uns: Im April hat es in einem in Paris gelegenen kultischen Bauwerk einen Dachstuhlbrand gegeben, der einigen Schaden angerichtet hat. Huch, fast schon verdrängt, oder? Egal. Wir erinnern uns ferner: Sofort waren die Reichen und Superreichen der Grande Nation zur Stelle mit großzügigen Spendenzusagen. Darunter Bernard Arnault (geschätztes Vermögen: 75 Milliarden US-$) und François Pinault (30 Milliarden US-$). Keine 48 Stunden, nachdem das Feuer gelöscht war, war eine knappe Milliarde an Spendenzusagen eingetrudelt. Botschaft: Sehet, wir sind reich, übernehmen aber Verantwortung für das kulturelle Erbe!
Mittwoch, 12. Juni 2019
Schmähkritik des Tages (29)
Heute: Sophie Passmann über den Sommer und Biergärten.
"Es gibt drei Regeln, die es zu befolgen gilt, wenn man den Sommer ohne Schaden überstehen möchte: Meide Menschen, suche Schatten, und egal was du tust, trage dabei niemals Flip-Flops. […] Der Deutsche an sich bricht oft alle drei Regeln auf einmal, denn er besucht im Sommer gerne Biergärten. In Biergärten, so die teutonische Mär, sei der Sommer besonders gut zu ertragen. Das ist Quatsch. […] Biergärten sind das Symptom eines größeren Problems: Wir Deutschen sind sehr, sehr schlecht darin, den Sommer würdevoll zu ertragen. Scheinbar intuitiv suchen wir uns die unlogischsten, dümmsten, ungesündesten Aktivitäten aus, sobald Juni ist, als würden wir die Hitze als Herausforderung und Sonnenbrand als Wettbewerb verstehen.
Montag, 10. Juni 2019
Ronny des Monats - Juni 2019
Obwohl die Europawahl für rechte Kräfte in diversen Ländern im Desaster geendet ist, will heißen, die schweigende Mehrheit ihnen die Machtergreifung schnöde verweigert hat (vermutlich aufgrund mieser Manipulationen von Systemmedien), bedeutet das keineswegs Entwarnung. So lässt sich am Beispiel Österreichs, wo die FPÖ am längsten in Politik und Regierungen eingebunden ist, sehr gut studieren, wie tief das Opfernarrativ in diesen Kreisen inzwischen verankert ist.
Samstag, 8. Juni 2019
Grenzerfahrungen in der Komsumgesellschaft (18)
Das wird jetzt ein wenig länger. Es wurde gewarnt. Letztens hatte ich schon erwähnt, dass ich dabei gewesen sei, mir ein gebrauchtes Kraftfahrzeug zuzulegen. Da ich zwar nicht völlig abgebrannt bin, andererseits auch nicht in der Lage, mit Fünfhundertern bündelweise um mich zu werfen, erwies sich das als zeitraubendes, diffiziles Unterfangen. Zumal ich mir vorab eine Marschroute zurecht gelegt hatte:
Donnerstag, 6. Juni 2019
Obst returns
Er war wieder da. Mr. Obst. Mit seiner Sprühdose. Hat sich verewigt. Häufchen gemacht. Befindet er sich am Ende gar auf einer Mission? Und wenn ja, wann wird sie erfüllt sein? Wenn alle Brücken im Stadtgebiet sein Name ziert? Alle Brücken Nordrhein-Westfalens? Deutschlands? Der Welt???!?!?! Wann wird die Welt vor seinem irren Lachen erschauern? MUHAHAHAHAH!!1!1!!
Montag, 3. Juni 2019
War's das? Zehn Thesen zur SPD
(Na ja, nicht ganz. Genau genommen sind es nur neun. Eine ist über die Grünen. Reicht trotzdem.)
Es ist keineswegs zu hoch gegriffen, die SPD in der tiefgreifendsten Krise seit den Sozialistengesetzen des 19. Jahrhunderts zu sehen. Die Koalition mit der CDU scheint kaum mehr haltbar und die Union schwächelt wegen des Fettnäpfchenmarathons ihrer Vorsitzenden erheblich. Vielleicht wird die alte Tante nicht völlig verschwinden, vielleicht wird sie weiterhin da und dort Ministerpräsidenten stellen (man vergesse nicht, dass die SPD kommunalpolitisch nach wie vor sehr gut aufgestellt und so gut wie keine deutsche Großstadt mehr CDU-regiert ist), aber bundespolitisch wird sie auf absehbare Zeit kaum eine Rolle spielen.
Freitag, 31. Mai 2019
Durchhalten, Annegret!
Groß war die Aufregung über Annegret Krampf-Knarrenbauer. Denn die wollte "alle umbringen, die nicht konservativ und aus dem Saarland sind". Nein, natürlich nicht, sie fand lediglich, man müsse über gewisse Regeln des Online-Diskurses nachdenken, weil ein so ungezogener u30er ohne Respekt vor dem Alter, der offenbar so wenig ausgelastet ist, dass er noch Gelegenheit hatte, ein Video zu drehen, mit der CDU eher wenig freundlich umgesprungen ist und - das ist die wahre Katastrophe für alle, die ticken wie AKK - auch noch großen Erfolg hatte damit. Und da ist natürlich zappenduster beim Social Media-Durchschnittsdödel. Wer der Meinung ist, das Internet müsse irgendwie reguliert werden, so viel steht fest, will die Meinungsfreiheit abschaffen. Mindestens.
Dienstag, 28. Mai 2019
Drachenfutter im Pott
Was eine simple Schokoladentafel über gesellschaftliche Verhältnisse aussagen kann
Interessant, wer oder was hier im heimischen Ruhrpott so alles von der Montanindustrie abhing. Letztens zum Beispiel geriet mir ein altes Bild einer Tafel Novesia Goldnuss in den Blick. Und schon kam die Kindheit wieder hoch. Die 'Goldnuss' war eine für die damalige Zeit sehr edel in grün-goldener Pappe verpackte Schokolade. Besonderer Clou war ein Sichtfenster aus Zellophan, das den Blick auf ein Stück der Tafel und die darin enthaltenen ganzen Nüsse freigab. Hier wird nicht geschummelt, sollte das wohl bedeuten. Auf jeden Fall aber: Das ist was besonderes, was anderes als die sandige Blockschokolade, die man mit dem Hammer essen muss. Eine Zeitlang gab es sogar die 'Garantie 27'. Wer weniger als 27 ganze Nüsse in der Tafel vorfand, konnte sie zurückschicken und bekam Ersatz plus Porto in Naturalien.
Samstag, 25. Mai 2019
Endlich!
Ehrlich, ich bin Menschen wie Greta Thunberg und Rezo unendlich dankbar. Ich bin ein Alter Sack und habe live und in Farbe miterlebt, wie es damals in meinem bürgerlichen Umfeld für gymnasiale Jugendliche schon mit u18 schick wurde, sich anzupassen, der JU beizutreten, Helmut Kohl cool zu finden und auf Geburtstagen, bei denen 'reingefeiert' wurde, zu Ehren des Jubilars die Nationalhymne anzustimmen. Ich bin gottfroh für jedes kleinste Anzeichen dafür, dass es wieder cool werden könnte, uns Alten Säcken mal wieder ein wenig Feuer unterm Dach zu machen. Wir, damit meine ich mich mit, haben es nämlich verdient. Gar nicht mal mangels guten Willens, sondern wegen unserer Ignoranz und Trägheit.
Dienstag, 21. Mai 2019
Jenseits der Blogroll - 05/2019
Die Fundstücke und Leseempfehlungen des Monats: Politik. Als das Ereignis mindestens der Woche kann das unfreiwillige Filmdebut von zwei ehemaligen Teilen der FPÖ-Führungsriege gelten. (Meine Güte. Erst HC Strache als Depp enttarnt und nun auch noch Niki Lauda verstorben! Was muss dieses schwerst geprüfte Nachbarland noch alles ertragen? Und wie geht es eigentlich Dietrich Mateschitz?) Diverse getroffene Hunde jedenfalls jaulten sofort so herum, wie es zu erwarten war: Whataboutism, Täter-Opfer-Umkehr, relativieren, Rachephantasien, wirre Geheimdienst-Spinnereien und natürlich das unerlässliche, klebrige Selbstmitleid. Eine der besten Analysen der Methode Strache kommt von Nils Minkmar, schöne Polemiken von Bernhard Torsch und Robert Misik.
Samstag, 18. Mai 2019
Not. Gonna. Happen.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich bin entzückt und freue mich wie ein Schnitzel, dass der inzwischen zurückgetretene österreichische Vizekanzler Heinz 'Bumsti' Christian 'Dreibier' Strache und sein mindestens genauso doofer Schoßhund und Leibfux Johann 'Wotan' Gudenus nunmehr ziemlich ohne Hosen dastehen. Weil sie sich in diesem Oligarchenvilla-Video im Gespräch mit einer angeblichen russischen Oligarchennichte exakt als die quasimafiösen Hackbraten erweisen, für die sie von ihren politischen Gegnern schon immer gehalten wurden. Unter anderem ließen die Herren sich zu dem Angebot hinreißen, die privatwirtschaftliche, mehrheitlich im Besitz der Funke Medien Gruppe befindliche 'Kronen Zeitung' in russische Hände zu überführen.
Freitag, 17. Mai 2019
Wiglaf Droste (1961-2019)
Der Moment, in dem ich vom Tod meines Lieblingsautors Wiglaf Droste hörte, war einer der Momente, in denen ich als Agnostiker gern gläubig wäre. Wie tröstlich muss die Gewissheit sein, dass da einer zwar aus diesem Leben gehen musste, jetzt aber irgendwo drüben ist. Wo das, was nicht begraben wird von ihm, es sich in einer Tour gut gehen lässt, keine Schmerzen und keine Angst mehr kennt, vielleicht gar von seiner Wolke kopfschüttelnd oder milde belustigt auf das Treiben derer blickt, die er zurückgelassen hat, derweil er sich auf ewig mit Harry Rowohlt genüsslich einen verkasematuckelt. Sie halten sich raus, Dawkins!
Mittwoch, 15. Mai 2019
Schmähkritik des Tages (28)
Heute René Hamann über die Schunkel-Shanty-Band 'Santiano'
"Es gibt Abgründe in dieser Welt, von denen man gar keine Ahnung hat, dachte ich, während ein ice-cold weißer Hybrid-SUV von BMW an uns vorbeischaukelte, fast geräuschlos. Von hinten hörten wir: eine Fiedel, ein paar Flöten, einen Schunkelrhythmus, eine reibeisenharte Männerstimme. Eine Mischung aus Seefahrerliedern und Mittelalterrock mit stark irischer Anmutung. Waren das die Pogues? Nein, dafür war die Musik zu schlecht. Die Levellers oder Poems for Laila? Nein, die Musik war deutscher, auf keinen Fall studentisch oder links. Sie war erwachsener, spießiger. [...]
Montag, 13. Mai 2019
Sonntagsbummel: Geisterstraße
Sie sehen hier, Mesdames et Messieurs, was von einer der wichtigsten Einkaufsstraßen meiner bescheidenen Heimatstadt im Jahr 2019 noch übrig ist. Beste Innenstadtlage übrigens. Im unteren Teil werden zur Zeit sechs von ca. 30 Ladenlokalen genutzt. Ein gut gehender Friseursalon, zwei Fotogeschäfte, ein Stoff- und Gardinengeschäft, ein öffentlich geförderter Second-Hand-Laden für Kinderbekleidung und ein Juwelier. Im ersten Stock noch ein Bildungsträger und einmal Thai-Massage. Zuletzt haben ein türkischer Kiosk mit Spätverkauf, ein Spielwarenladen, eine Stehpizzeria und eine SB-Aufbackfiliale die Segel gestrichen (lassen Sie sich durch das 'Kino'-Schild nicht täuschen, das ist nach der Schließung vor knapp 20 Jahren einfach drangeblieben).
Samstag, 11. Mai 2019
Ronny des Monats - Mai 2019
Das Fiese an den Zeiten, in denen wir zu leben haben, ist ja, dass man sich nicht so recht entscheiden kann. War das, was seit einiger Zeit überall an die Oberfläche schwappt, wirklich vorher in diesem Ausmaß nicht da oder traut das Pack sich inzwischen einfach nur mehr? Das ist nicht einfach zu beantworten, ich würde sagen, sowohl als auch. Vermutlich hat es was damit zu tun, dass man sich heute - Kachelmann lässt grüßen - besser vernetzten kann und noch für die abgefahrensten Minderheitenmeinungen Bestätigung findet. Leute, die glauben, Impfen sei tödlich, die Erde flach oder die Bundesrepublik kein souveräner Staat, wären vor, sagen wir, 20 Jahren ziemliche Außenseiter gewesen und haben sich bedeckt gehalten. Soziale Netzwerke und die unter deren Haube tickenden Algorithmen sorgen dafür, dass man sich als Teil einer ernst zu nehmenden Bewegung begreifen kann. Was dann auch Zulauf generiert.
Mittwoch, 8. Mai 2019
In Edekas Neandertal
Warum es zu kurz greift, den umstrittenen Edeka-Muttertagsspot nur für männerfeindlich zu halten.
Männer, Familienväter zumal, in allen häuslichen Belangen als in jeder Hinsicht überforderte, imbezile Totalausfälle darzustellen, gehört in der wunderbaren Welt der Reklame seit Jahrzehnten zur Standardfolklore. Die vermutlich angepeilte Kernzielgruppe - jene Frauen, die, Marktforschungen zufolge, im durchschnittlichen Privathaushalt inzwischen 80 Prozent aller Konsumentscheidungen treffen - mag das erheitern. Meinetwegen, so's einen denn weiterbringt (nicht mein Menschenbild, nicht meine Peergroup). Männer fühlen sich durch so was jedenfalls zunehmend angepisst und reagieren genervt, in sozialen Netzwerken zumal.
Sonntag, 5. Mai 2019
Klangwelten im Nirgendwo
Der 1987 viel zu früh verstorbene Conny Plank hat die Welt der Popmusik geprägt wie nur wenige. Zu Conny‘s Studio im rheinischen Wolperath, gelegen im Nirgendwo zwischen Köln und Bonn, pilgerten sie alle, um ihre Alben dort aufzunehmen. In den Siebzigern erst die Krautrocker. Kraftwerk, Neu!, Cluster, Faust, Guru Guru, Kraan. Dann die Scorpions, Brian Eno, Ultravox, Devo, D.A.F., Eurythmics. Um nur ein paar zu nennen. All die internationalen Stars kehrten für einige Wochen auf dem Bauernhof ein, wo sie von Connys Lebensgefährtin Christa Fast bekocht wurden. Plank war bekannt dafür, weder Schubladen noch Arbeitszeiten zu kennen und sich vor nichts bange zu machen, solange er nur einen Funken Kreativität sah, aus dem sich etwas würde machen lassen. Seine zahlreichen Auszeichnungen bewahrte er in der Gästetoilette auf.
Freitag, 3. Mai 2019
Return of the Rote Socke
"Hätte sich Marx vor allem geirrt, wäre sein Einfluss schnell verflogen. Die vielen Tausend, die sich hingebungsvoll dem Nachweis seiner Fehler gewidmet haben, hätten sich andere Beschäftigungen gesucht." (John Kenneth Gailbraith)
Hat eigentlich schon jemand angemerkt, aus einem, der Kevin mit Vornamen heiße, könne per se nur Bildungsfernes herauskommen? Warte ich noch drauf, nachdem sich bereits einer nicht entblödet hat, den den Jusos vorsitzenden Kevin Kühnert wegen ein paar erfrischend unzeitgemäßen Sätzen allen Ernstes mit Donald Trump gleichzusetzen. Ist in Bezug auf intellektuelle Fallhöhe bzw. deren Mangel in etwa dieselbe Liga. Im Moment scheinen zwei große Wettrennen im Gange zu sein: Das um die schnellste Distanzierung vom dunkelroten Kevin, das vor allem innerhalb der SPD und bei den Grünen stattfindet. Und das um die bildungsfernste öffentliche Reaktion. Momentan in Führung: Da will wohl einer die DDR zurück, wie? Wir wissen ja alle, wie das geendet hat!
Dienstag, 30. April 2019
Obst
Obst ist angeblich gesund. An apple a day keeps the Doctor away, weiß der Angelsachse (alternativ: Have an apple a day and see the Doctor anyway). Egal, schmecken tut‘s jedenfalls. Meistens. Vielen aber scheint nicht immer klar zu sein, dass man sich auch sehr schön selbst zum Obst machen kann. Was der folgenden Szenerie einen gewissen Charme verleiht, wie ich finde:
Sonntag, 28. April 2019
Neu gegen Alt
Mit dem Print-Journalismus verhält es sich im Prinzip nicht viel anders als mit dem stationären Einzelhandel, der Privatkundenbank oder dem Taxigewerbe: Allen ist irgendwie klar, dass da gerade was zu Ende geht. Dass es Kassiererinnen bald wohl nicht mehr geben, das Bargeld an Bedeutung verlieren wird. Und dass die gute alte Kraftdroschke wie wir sie kennen noch während der Lebenszeit meiner Post-Babyboomer-Generation, von Nischen einmal abgesehen, wohl auch verschwinden wird. Selbst wenn es gelingt, Fahrdienste wie uber per Gesetz einzudämmen, spätestens wenn das autonome Fahren kommt, wird sich das erledigen. Wie gesagt, allen scheint es irgendwie klar zu sein, aber richtig wahrhaben will man es noch nicht. Man glaubt, sich mit Durchlavieren retten zu können. Und macht damit alles noch schlimmer.
Donnerstag, 25. April 2019
Sex. Rock 'n' Roll. Deadly Sins
Und ich habe es wieder getan. All you can eat-Buffett beim Chinesen. Fast immer, wenn ich ein paar Tage frei habe, lande ich an einem Mittag in so einem Überfresstempel. In die Vitrine gekübelter Wareneinsatz. Fressorgie mit Ansage. Alles, was fettig und ungesund ist. Und sollte sich doch etwas Gesundes dorthin verirren, dann wird ihm das Gesundsein mittels Backteig und Fritteuse sofort gnadenlos ausgetrieben. Abgesehen vom guten alten Mettbrötchen "gibt [es] nichts Vergleichbares, mit dem man so einfach und symbolisch perfekt sämtlichen Gesundheitsgurus in den Arsch treten kann." (Maik Söhler) Wenn Essen der Sex des fortschreitenden Alters ist, dann ist das China-Buffett das Rauchen des Ex-Rauchers.
Mittwoch, 24. April 2019
Schmähkritik des Tages (27)
Heute: Stefan Gärtner über Akademisches für Kinder
"Im Buchladen ist Satire jetzt tatsächlich in die Realität gewandert: »Allgemeine Relativitätstheorie für Babys«, ein Pappbilderbuch »ab 2 Jahren«, darin etwa ein von einem schweren Objekt gekrümmtes Raumzeitgitter, und wenn ich schreibe: Das ist kein Witz, dann stimmt das nur zur Hälfte. »Allgemeine Relativitätstheorie für Babys ist eine heitere und verständliche Hinführung zu Albert Einsteins berühmtester Theorie. […] Auf unnachahmlich leichte Weise und stets mit einem Augenzwinkern schafft es der Quantenphysiker und Familienvater Chris Ferrie, Kinder und Erwachsene gleichermaßen zu inspirieren. Die Bücher der Baby-Universität sind der einfachste Weg, um schon unsere Jüngsten für die Wunder der Wissenschaft zu begeistern.« [...]
Montag, 22. April 2019
Jenseits der Blogroll - 04/2019
Ladys und Gentlemen, leider sind sie nicht mehr vor den für die meisten arbeitsfreien Ostertagen fertig geworden, die Links und Fundstücke dieses Monats. Garantiert Notre-Dame- und religionsfrei, trotz Ostern. Und auch nix über Tanzverbote. Übrigens: Bitte mir ruhig mitzuteilen, wenn verlinkte Artikel inzwischen hinter einer Paywall verschwunden sind, die Links werden umgehend entfernt.
Samstag, 20. April 2019
Unerbetene Verbindlichkeiten
Na, auch schon mal vor der Frage gestanden: Wie zur Hölle werd ich eigentlich Feminist? Nicht verzagen, Marga fragen! Einfach sich an 40 simple Regeln halten und der Drops, pardon, das Bonbon, ist gelutscht. Lack fertig. Kittel geflickt. Diese Regeln sind deswegen so simpel, weil sie im Wesentlichen auf dem Prinzip beruhen: Gehorchen und Fresse halten. Und um Himmels Willen nicht mit Madame diskutieren. Dass Fragenstellen und Diskutieren nicht erlaubt sind, hat übrigens einen guten Grund.
Mittwoch, 17. April 2019
Notre-Drama
Die Berichterstattung über den Brand in Notre-Dame war überwiegend ärgerlich und offenbarte zudem einen beklagenswerten Mangel an kulturellem Horizont in den Redaktionen.
Medienschelte ist sicher müßig, aber eben leider auch nötig. So auch anlässlich des Brandes in Notre-Dame in Paris. Zu loben ist hier ausdrücklich die ARD, die keinen 'Brennpunkt' gesendet hat. Warum, ist egal, die Entscheidung war richtig. Nicht nur wegen des Wortspiels. Denn was bitteschön, hätte man, wie Thomas Laschyk richtigerweise fragt, am Dienstagabend schon groß berichten sollen, außer dass es brennt, die Löscharbeiten im Gange sind und man noch nichts Genaues weiß? (Zumal man bereits früh wusste, dass es keine Toten und nur einen Verletzten gegeben hatte.) Den 450. betroffenen O-Ton einspielen? Kann man machen. Informationswert? Unbekannt. Vermutlich nicht hoch.
Montag, 15. April 2019
Merde!
Ja, ich weiß, auf der Welt werden jetzt gerade Kriege geführt, werden Menschen gequält, verstümmelt, ausgebeutet und müssen hungern - trotzdem schmerzt es, wenn Weltkulturerbe so was widerfährt:
Sonntag, 14. April 2019
Aus Feigheit in die Vormoderne
Wie definiert man eigentlich Feigheit? Man könnte sagen, Feigheit bedeutet, angesichts eigener Verfehlungen mit dem Finger auf andere zu zeigen. Er war‘s, er war‘s! Anständige Leute versuchen Schulkindern das normalerweise abzugewöhnen (außer die Eltern derjenigen, die, kaum dass sie sprechen können, mit Papas Anwalt drohen, versteht sich). Der greise Mit-Papst Benedikt alias Joseph Ratzinger hat damit augenscheinlich weniger Probleme. Zu den Missbrauchsskandalen in der Katholischen Kirche fiel ihm, der immer noch als bedeutender Intellektueller gehandelt wird, nur ein, mit dem Finger zu zeigen: Die 68er sind schuld. Aber sicher doch. Die 68er sind immer schuld, wenn die Welt nicht so läuft, wie Rechte und Konservative sich das vorstellen. Was muss das für eine herrlich kuschelige Welt sein, in der immer die anderen schuld sind!
Donnerstag, 11. April 2019
Ronny des Monats - April 2019
Mann, Mann, Mann, ist schon interessant, wie schnell man heutzutage zu einer kriminellen Vereinigung werden kann. Bzw. in den Verdacht geraten kann, eine zu sein. Paar Betonklötze in den falschen Nachbargarten gesetzt, schon richtet Gevatter Staatsanwalt sein scharfes Auge des Gesetzes auf einen. Auch wenn das jetzt fallen gelassen wurde: So ganz neu ist der Vorwurf, die deutsche Justiz sei auf dem rechten Auge, wenn schon nicht blind, dann aber zumindest gewaltig getrübt, ja nicht. Hat eine gewisse Tradition. Schon Tucholsky alias Ignaz Wrobel hat 1921 eine ziemlich eindeutige Rechnung aufgemacht.
Montag, 8. April 2019
Artgerechte Haltung
"Eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung und soziale Teilhabe – das sind wesentliche Bausteine für ein gutes und gesundes Leben, gerade auch im Alter.“
-- Also sprach Julia Klöckner, ihres Zeichens Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, kürzlich auf der Fachtagung »Im Alter in Form« der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen in Bonn.
Samstag, 6. April 2019
Wegsehen hilft nicht
Heute vor 25 Jahren begann der Völkermord an den Tutsi in Ruanda
"Aus der Geschichte der Völker können wir lernen, dass die Völker aus der Geschichte nichts gelernt haben." (Georg Wilhelm Friedrich Hegel)
Vor genau 25 Jahren, am 6. April 1994, wurde die Maschine des ruandischen Präsidenten Habyarimana beim Anflug auf den Flughafen der Hauptstadt Kigali von zwei Boden-Luft-Raketen getroffen. Es gab keine Überlebenden. Das und die Ermordung der belgischen Blauhelme, die zum Schutz von Premierministerin Uwilingiyimana abgestellt worden waren, war das Startsignal für die Hutu-Milizen, damit zu beginnen, die Tutsi-Minderheit im ganzen Land zu massakrieren. Dabei legten sie eine Effizienz an den Tag, die diejenige der NS-Mordindustrie im zweiten Weltkrieg bei weitem überstieg. Zwischen 800.000 und eine Million Menschen wurden binnen 100 Tagen ermordet. 8.000-10.000 pro Tag. Im Schnitt. Und das mit vergleichsweise einfachen Mitteln. In Handarbeit.
Dienstag, 2. April 2019
Oldies, not Goldies
Verstärkt seit dem Schandsommer 2015 wird Japan von interessierten Kreisen gern als leuchtendes Beispiel hergenommen. Sehet gen Nippon, auch im 21. Jahrhundert lässt sich als hoch komplexe, hoch vernetzte und hoch arbeitsteilige Gesellschaft prima klarkommen, wenn man die Grenzen dicht hält und auf ethnisch einigermaßen homogen ist. Mag vielleicht sein, problematisch wird es nur, wie sich jetzt herausstellt, wenn man nicht auch für ausreichend Nachwuchs sorgt und dann im Schnitt auch noch steinalt wird dabei.
Sonntag, 31. März 2019
Vorbilder, klimatisch
In dem Krankenhaus, in dem ich einst Zivildienst machte, arbeitete eine schon ältere Ambulanzschwester, die ihr Leben an dieses Haus geknüpft zu haben schien. Meist war sie für sich, kaum jemand redete mit ihr. Nicht weil sie geschnitten wurde, sie war einfach nicht besonders gesellig. Zudem wusste wohl keiner so recht, worüber man reden sollte mit ihr außer über das Krankenhaus oder über die Arbeit. Jeden Morgen kam sie um kurz vor sieben auf ihrem Fahrrad angeradelt. Es hieß, sie lebte allein in einem kleinen Einzimmerapartment in der Nähe. Ihr einziger Luxus seien ein Fernseher und ein kleiner Kühlschrank. Gefrühstückt und zu Mittag gegessen hat sie immer in der Kantine, abends aß sie mit den Ordensschwestern im Konvent. Vor der Arbeit habe sie zu Hause immer nur einen Keks zum Kaffee gegessen, sagten Kollegen, die mal mit ihr geredet hatten.
Freitag, 29. März 2019
Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (17)
Da stiefelst du, nichts Böses ahnend, mir nichts, dir nichts in den Getränkemarkt deines Vertrauens, um eine Kiste Wasser zu erstehen. Und dann, am Ausgang, du warst so weit mit allem durch und deuchtetest dich schon beinahe in Sicherheit, das:
Dienstag, 26. März 2019
Schönes bleibt (3)
"History does not repeat itself - but it rhymes." (Mark Twain)
Gibt so Dinge, die scheinen sich wirklich nicht zu ändern im Leben. Gibt viele, die das beruhigend finden. Ich kann mich da meist nicht so recht entscheiden. So wurde ja bald nach der 1:1-Gala der DFB-Elf am letzten Mittwoch gegen Serbien in Wolfsburg bekannt, dass Leroy Sané und İlkay Gündoğan von der Tribüne rassistisch beleidigt wurden. Was immer das im Einzelnen ist, neu ist das jedenfalls nicht.
Die Älteren werden sich erinnern, dass Leroy Sanés Vater Souleymane Sané einst bei Nürnberg spielte und ab 1990 beim Bundesliga-Aufsteiger SG Wattenscheid 09 zur Legende wurde. Mit Tony Baffoe, Jay Jay Okocha und Anthony Yeboah gehörte er Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger zu den ersten schwarzen Spielern in der Bundesliga und wurde mit Bananen beworfen, musste sich Affenlaute anhören oder Fangesänge wie "Husch, husch, husch - Neger in den Busch!".
Sonntag, 24. März 2019
Man vs. Food - Ruhrpott Edition
Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht aus einer der sexy pulsierenden super-duper angesagten Metropolen wie Berlin/London/Nüjork/München/Düsseldorf/Schweppenhausen stamme bzw. mich dort nicht bewege, sondern bloß am Rande jener verranzten Ex-Boomregion namens Ruhrpott. Vielleicht habe ich mir aber auch über die Jahre eine gewisse Kindlichkeit und damit die Fähigkeit zum Staunen bewahrt. Hermann van Veen und die Folgen? Nicht auszudenken. Trotzdem: Dieses Brunch-Buffett, zu dem ich heute geladen ward, war das mit Abstand gewaltigste, das sich mir bisher in den Weg gestellt hat. Stilecht in einer verranzten Zeche, wie das hier seit den Neunzigern Sitte ist. Hat mich überfordert. Reizüberflutung. Vornehmlich Tex-Mex. Alles, was fett und ungesund ist. Tacos, Wraps, Fajitas, Chili, Hot Dogs sowie alles, was sich irgendwie mit Käse überbacken lässt. Der unangebrachteste Satz hier lautet: "Du, ich muss auf meinen Cholesterinwert/meinen Blutzucker achten."
Samstag, 23. März 2019
Jenseits der Blogroll - 03/2019
Das letzte Wochenende des Monats ist schon wieder erreicht und damit ist es Zeit für den Lesestoff des Monats. Musik/Literatur/Kunst ist dieses Mal weniger, dafür umso mehr über Essen. Muss mit der momentan grassierenden Fastenzeit zusammenhängen. Obwohl ich mir außer einem mehrwöchigen, nicht religiös motivierten Alkoholverzicht gar keinen Zwang anzutun pflege, diesbezügliche Phantomschmerzen also ausscheiden. Außerdem bin ich katholisch sozialisiert, daher sind mir alle Hintertürchen bestens vertraut (Flüssiges bricht das Fasten nicht, auch Tiere, die ertränkt wurden, gehen als Fische durch etc.). Seltsam.
Dienstag, 19. März 2019
$tudio$i
Jetzt haben die doch tatsächlich herausbekommen, was niemand für möglich halten konnte: Dass Reiche und Prominente ihre eher durchschnittlich begabten Sprösslinge mittels großzügiger Spenden an US-Privatunis quasi auf der Überholspur dort hinein und da durch bugsiert haben sollen nämlich. Das hat mein Weltbild schon ein wenig ins Wanken gebracht. Ich meine, wir leben doch in einer Leistungsgesellschaft, oder? Ist es etwa nicht so, dass Reiche aus purer Menschenliebe heraus spenden ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten? Und wer würde schon auf die absurde Idee verfallen, private Universitäten seien irgendwie empfänglich für finanzielle Zuwendungen?
Samstag, 16. März 2019
Schmähkritik des Tages (26)
Heute: Magnus Klaue über Bernhard Schlinks 'Der Vorleser'
"1995, acht Jahre nach seinem Krimidebüt und sechs Jahre nach dem Mauerfall, sah Schlink die Zeit für seinen genozidalen Pageturner gekommen, dessen Protagonistin nach Beteiligung an Holocaust und Wiederaufbau noch über genügend Restlibido verfügt, um den weitaus jüngeren Ich-Erzähler, dessen erste Liebhaberin sie ist, nach der wöchentlichen Kernseifenwaschung erschöpfend und moralisch einwandfrei zu befriedigen. Sadistische Gutmütigkeit, sentimentale Herzenskälte, viehischer Anstand und bodenständige Sexualhygiene des Romans wie seiner Heldin sicherten diesem einen Spitzenplatz auf den Leselisten von Oberstufenklassen, VHS-Kursen und DaF-Seminaren. Effizient bei der Beihilfe zum Massenmord, aber im Einzelfall kulant, lebenslustig anpackend bei der Juden- wie der Trümmerbeseitigung und mit einem Herz für Unterprivilegierte, avancierte Schlinks […] Selbst-ist-die-Frau, die sich vom Goebbels- zum Primo-Levi-Fan mausert, zum Idol einer Generation aufarbeitungsgeschädigter Sozialkundelehrer, die Schlink fast noch mutiger fanden als Gudrun Pausewang.
Donnerstag, 14. März 2019
Re: FCB vs. LFC
Natürlich ist der FC Bayern München nicht an allem schuld. Aber an vielem. An dem Bild nämlich, das die Bundesliga und der hiesige Fußball zur Zeit abgeben, lässt sich schön studieren, was passiert, wenn man Wettbewerb so gar nicht reguliert: Der Teufel scheißt auf den dicksten Haufen. Die letzten Jahre über hat der FC Bayern seine dominierende Stellung in der Liga genutzt, Wettbewerb systematisch zu behindern und Konkurrenz um den abonnierten Titel nach Möglichkeit gar nicht erst aufkommen zu lassen (und ist damit zum Karrieregrab für zahlreiche junge Talente geworden). Jegliche Kritik daran wurde damit abgebügelt, man sei halt erfolgreich, habe gut gewirtschaftet und das dürfe ja wohl nicht bestraft werden.
Dienstag, 12. März 2019
Gebt ihnen halt Globuli
Warum redet eigentlich alles immer nur über streikende Schüler? Warum reden wir nicht mal darüber, in welchem Maße der Staat, i.e. die Bundesländer Kindern und Jugendlichen ihr Recht auf Beschultwerden vorenthalten? (Zur Erinnerung: Aus der Schulpflicht resultiert umgekehrt ein Recht auf Schule.) Abertausende Stunden fallen aus, weil Lehrerstellen nicht besetzt werden können, nicht einmal mit Fachfremden und Quereinsteigern. Neuester Ausfallgrund: Impfgegner. Kein Witz. In Teilen Niedersachsens haben die Masernfälle derart zugenommen, dass eine Schule in Hildesheim alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen, die keine gültige Masernimpfung vorweisen können, zwei Wochen lang vom Schulbetrieb ausgeschlossen hat.
Sonntag, 10. März 2019
Ronny des Monats - März 2019
Seit der letzten Verleihung ist so einiges passiert. Etwa der quasi offizielle Beweis, dass die AfD schlimmer röche als eine Biogasanlage, wenn Eigenlob stinken würde. Oder der 58jährige Münchner, der einem widerborstigen Taxifahrer mal die Meinung geigte. Oder was da aus der Schweiz zu vernehmen war. Die ist ja für nicht wenige Rechtsdrehende so was wie ein Musterland. Direkte Demokratie! Roger Köppel! Braune Kühe! Und jetzt das! Ein Schweizer Pressegrossist hat, so ist zu hören, die Zeitung 'Junge Freiheit' aus dem Sortiment von vier Filialen gelistet - und bei der NZZ reiben sie sich die Augen. Schockschwerenot! Zensur! Säuberungsaktion! Wann brennen die Bücher? Sind die Deutschen am Ende toleranter? Fragen über Fragen. Es sind also wieder einige heiße Kandidaten leer ausgegangen.
Donnerstag, 7. März 2019
Bullerei und Elfenstaub
Den Erinnerungen Vincent Klinks zufolge, musste ein Koch, der es zum Küchenchef bringen wollte, früher vor allem über drei Dinge verfügen: Trinkfestigkeit, die Fähigkeit, endlos über Fußball zu reden sowie einen unerschöpflichen Vorrat an Weibergeschichten. Wobei es bei letzteren egal gewesen sei, ob sie sich wirklich zugetragen hatten. Dazu in jedem Fall eine infernalisch laute Kasernenhofstimme. Halbwegs kochen zu können, so Klink, rangierte damals an vierter Stelle. Höchstens.
Montag, 4. März 2019
Närrisches Rollback
Der größte Vorteil, nicht in einer so genannten Karnevalshochburg zu leben, ist, dass man die Wahl hat. Derweil das närrische Volk sich draußen das Schietwetter schönsäuft, kann man sich kuschelig einigeln, sich ein paar Berliner reinpfeifen und den lieben Gott ansonsten einen guten Mann sein lassen. Man muss auch sonst keinen Aufwand betreiben wie seinerzeit mein Biolehrer. Der war Kölner mit Leib und Seele und liebte seine Heimatstadt von Herzen, gehörte aber zu jener Minderheit, der das närrische Treiben gewaltig auf den Docht ging. Also reisten er und seine Frau alljährlich für fünf Tage in eine humorlosere Gegend und kehrten erst Aschermittwoch wieder zurück.
Samstag, 2. März 2019
Unverhofftes Wiedersehen
Bis vor etwa zehn Jahren gab es in der von mir bewohnten Randständigen Mittelgroßen Ruhrgebietsstadt eine wunderbare Gaststätte, deren Inhaber einige Jahre lang das Kunststück hinbekommen hat, auf dem schmalen Grat zwischen Kneipe und Bar entlangzubalancieren. Vorne eine Kneipe mit einem Publikum, das nicht wirklich meins war. Zu alt, zu viele Goldknöpfe auf den Navyblazern. Hinten aber gab es ein Kaminzimmer. Klimatisiert. Dort saß man in tiefen englischen Ledersofas und ließ sichs gutgehen. Kein Laden, in den man ein Date ausführt, wie die jungen Leute das heute sagen, sondern einer, in dem man im Kreise guter Freunde die Woche Revue passieren lässt und das Weltgeschehen verhandelt. Gratis Salzstangen waren übrigens inbegriffen.
Donnerstag, 28. Februar 2019
Neues vom Kapitalismus (2)
Immer wieder herzig (oder steckt da am Ende Methode hinter?), wenn entsprechend Gestrickte auf den Trichter kommen, dass hart arbeiten doch nicht automatisch zu Wohlstand und einem properen Leben führt, sondern einen durchaus auch in einem Leben in Armut halten kann. Dabei ist das eigentlich längst bekannt. So hat zum Beispiel Barbara Ehrenreich in einer Wallraff-mäßigen Aktion schon vor knapp 20 Jahren enthüllt, was es bedeutet, in den U.S. of A. mit so genannten Dienstleistungsjobs durchschlagen zu müssen. Und sie war weiß Gott nicht die einzige.
Sonntag, 24. Februar 2019
Jenseits der Blogroll - 02/2019
Die letzte Woche des Monats ist wieder einmal angebrochen und damit auch die Zeit für die Netzfundstücke. Für alle, die nicht vor haben, sich in der nächsten Woche im Karneval die Kante zu geben, sondern lieber Lesestoff konsumieren wollen. Aber nicht nur für die, versteht sich.
Samstag, 23. Februar 2019
Geframt geschwurbelt
Die Sprachwissenschaftlerlin Elisabeth Wehling, die uns seit der Wahl Donald Trumps zum POTUS unermüdlich das Phänomen des Framing erklärt, ist Absolventin der University Of California, Berkeley. Sie betreibt das International Berkeley Framing Institute, das 2017 von der ARD beauftragt worden ist, einen Leitfaden zu entwickeln, wie diese linguistische Allzweckwaffe eingesetzt werden kann im Kampf gegen marktradikale Heuschreckenmedien. An sich eine charmante Idee, denn eine Kommunikationstechnik, mit deren Hilfe sich einer wie Donald Trump zum US-Präsidenten und eine Partei wie die AfD zur ernstzunehmenden politischen Größe pimpen lässt, kann nicht völlig unpfiffig sein.
Mittwoch, 20. Februar 2019
Von 'bösen' Onkeln und Vertrauenspersonen
Ein Schwank aus meiner Jugend, an den ich in letzter Zeit öfter denken muss
Im Sexualkundeunterricht, den wir in den Siebzigern immerhin bereits bekamen, wurde uns unter anderem beigebracht, dass es da draußen ganz bestimmte 'nette Onkel' gibt. In Wahrheit seien das aber 'böse Onkel', weil sie uns auflauerten, uns entweder mit Gewalt, meist jedoch mit Nettigkeit mit zu sich holten, um sich dann geschlechtlich an uns zu vergehen und uns schlimme Schmerzen zuzufügen (wie genau, verriet man uns natürlich nicht, es musste reichen zu wissen, dass so einer einem weh tun wollte). Daher sollten wir nie, niemals mit Fremden mitgehen. Nun ist dagegen, Kindern diesen Ratschlag einzuschärfen ja weiß Gott nichts einzuwenden, im Gegenteil. Nur erschienen diese 'netten Onkel' ausschließlich als namenlose, sadistisch veranlagte Perverslinge, die von außen in die heile Welt von uns Kindern einbrachen.
Sonntag, 17. Februar 2019
Wortspielhölle, revisited
Hier in der Gegend wird gerade ein katholischer Kindergarten zwecks Sanierung entkernt. Und nicht einmal hier entkommst du ihr, der allgegenwärtigen Wortspielhölle...
Freitag, 15. Februar 2019
Schmähkritik des Tages (25)
Heute: Jürgen Roth über Frankfurt und die Herrschaft der Asozialcharaktere
"Neulich bin ich durch die sogenannte neue Frankfurter Altstadt spaziert. Man muss es diesem vom feixenden Weltgeist ersonnenen Deppenort lassen: Eine derart verlogen historistische, lächerliche architektonische Aufführung, die zudem all jene Knete verschlungen hat, die für sozialen Wohnungsbau angeblich nicht zur Verfügung steht, bringt nicht mal das dummheitsgestählte Berlin mit seinem Halunkenschloss zuwege. Kein Zweifel: Der von der EU verliehene Spezialpreis 'Europäischer Stadtidiot des Jahrtausends' wird Frankfurt nimmer abzuknöpfen sein.
Dienstag, 12. Februar 2019
Bildet Clans!
"Ja, mach nur einen Plan! / Sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch’nen zweiten Plan / Gehn tun sie beide nicht."
(Bertolt Brecht)
Alles immer planen zu wollen geht gern mal schief. Ist dem Stiefvater eines guten Freundes passiert. Der hatte das Leben in der Zukunft auf die Spitze getrieben: Sich nie was gegönnt, immer alles gespart. Für später. Wenn wir in Rente sind, sagte er immer zu seiner Frau, dann machen wir es uns schön. Das sah in der Praxis so aus, dass er ein Jahr nach erfolgtem Renteneintritt eine Gehirnblutung erlitt und noch ein halbes Jahr im Koma lag, bevor man ihn für austherapiert erklärte. Feine Idee. Ein Extremfall, gewiss. Aber auch eine Warnung, das Hier und Jetzt nicht zu vergessen.
Sonntag, 10. Februar 2019
Ronny des Monats - Februar 2019
Wieder einmal ziert eine 10 den Tageskalender, was bedeutet: Es werden wieder Ronnys vergeben. Überflüssig zu sagen, dass sich wieder viele mit schönen Einzelleitungen beworben haben, obwohl leider nur 5 Preise plus ein Ehrenpreis zu vergeben sind. Zum Beispiel der seines Jobs verlustig gegangene 'Volkslehrer' Nikolai Nerling aus Berlin, der jetzt, da er mehr Tagesfreizeit hat, offenbar KZ-Gedenkstätten unsicher macht. Oder die Berufsempörte und Broder-Herzerin Alice Weidel, die mit ihrem beleidigten Tweet über die Ansprache von Charlotte Knobloch im Bayerischen Landtag anlässlich des 27. Januar ihr ganzes Können gezeigt hat.
Muttis beste Freundin Charlotte #Knobloch hat sich wirklich entblödet, im Bayerischen Landtag eine Gedenkveranstaltung für geschmacklose Parteipolitik zu missbrauchen. Wie tief muss man sinken?https://t.co/px2MobTXU9— Alice Weidel (@Alice_Weidel) 24. Januar 2019
Aber auch woanders war schwer was los am 27. In Dortmund zum Beispiel. Die Top 5:
Donnerstag, 7. Februar 2019
Mach gut, Rudi!
Im Ruhrgebiet wird Fußball deutlich emotionaler gelebt als anderswo. Und nirgends im Ruhrgebiet wird er so emotional gelebt wie beim FC Schalke 04. Nirgends wurde und wird Tradition so gepflegt wie in Gelsenkirchen, nirgends flossen bei Hauptversammlungen mehr Tränen der Rührung, nirgends wurde mehr Bohei um 'verdiente Mitglieder' gemacht als auf Schalke. Gerüchten zufolge gab es 'verdiente Mitglieder' im Rentenalter, die dafür, dass sie ein, zwei Mal im Monat Besuchergruppen 'ma dat Paakstadion zeichten' und sie ein wenig herumführten, pauschal ein paar tausend DM bekamen. Monatlich. Bar auf die Hand, versteht sich. (Wer überdies das alte Parkstadion kennt, weiß, dass man schon ein äußerst glühender Anhänger des FC Herne West sein musste, um die zugige Schüssel ernsthaft schön oder gar spektakulär zu finden.) Eine dieser Geschichten nach dem Motto: Wenn‘s nicht stimmt, ist es wenigstens gut erfunden. Es passte jedenfalls ins Bild.
Dienstag, 5. Februar 2019
Alles esoterischer Quark? - revisited
Taugt das was? Eindeutig JEIN!
Ein Gastbeitrag von Gerhard Keller
Momentan ist es mir aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, Sport zu treiben. Lust auf Gewichtszunahme habe ich aber keine. Daher habe ich gut zwei Wochen beschlossen, einen Selbstversuch mit Aphagie zu unternehmen, auch als 'Intervallfasten' bekannt.
Samstag, 2. Februar 2019
The longer read: Generation Greta
Aufräumen und Rebellieren
Leute, die ihrer Umwelt aggressiver Weise und mit seligem Grinsen unter die Nase reiben, wie irresuper strukturiert sie ihr Leben im Griff, vielleicht gar ein Geschäftsmodell daraus gemacht haben, kann ich von jeher nicht ab. Triggern mich. Ich suche dann das Haar in der Suppe. Jeder hat schließlich seine Leichen im Keller. So strahlt die Aufräum- und Entrümpelgöttin Marie Kondo eine derartige Perfektion aus, dass man glaubt, so ihr jemals überhaupt mal ein Furz entwiche, dann röche der wahrscheinlich nach Chanel No. 5. Gelegentlich ertappe ich mich dabei, mir unter sparkendem joy vorzustellen, wie Frau Kondo am späten Vormittag mit vollgekotzter, derangierter Garderobe und mächtigem Kater in einer komplett zugemüllten Bude aufwacht und nicht dagegen ankämpfen kann, es auf eine perverse Weise irgendwie geil zu finden. Ich kann nicht anders. Bin doch auch nur ein Mensch!