Dienstag, 14. Januar 2020

Damit mal Ruhe ist


Ein regelmäßiger Leser wird nicht müde, den unter dem Pseudonym ('Künstlername' möcht' man's nicht nennen) 'Chris Tall' arbeitenden Witzeknubbel Christopher Nast für einen 'Ronny des Monats' zu nominieren. Ich habe das immer vor mir hergeschoben. Sich an ihm abzuarbeiten, ist nämlich nicht ganz einfach. Ich komme mir dabei ein wenig vor wie ein peinlicher Vater, der seiner pubertierenden Tochter erklären muss, wieso es jetzt keine so gute Idee ist, im Bikini durch die Altstadt von Marrakesch zu laufen. Oder sich spießig die Ohren zuhält angesichts von 'Krachmusik'. So möchte man eigentlich nicht sein bzw. wollte es nie werden. Außerdem ist der Kerl mir dafür einfach zu egal.

Was soll's? Recherchieren wir mal.

"Der als Chris Tall firmierende Christopher Nast ist mit seinen zusammengeklauten, vermeintlich tabubrechenden Witzen der Fips Asmussen des Anti-Political-Correctness-Backlashs. Um das erfassen zu können, genügen ein paar Youtube-Clips." (Hans Mentz)

Damit wäre eigentlich schon alles Nötige gesagt und der Fall erledigt. Na gut, vielleicht doch noch 1-2 Sätze. Damit endlich Ruhe ist.

Also, was macht er denn so, der Herr Tall? (Wenn RTL einen Komiker ankündigt mit den Worten: "Er nimmt kein Blatt vor den Mund und spricht die Wahrheiten aus, für die andere sich zu fein sind.", ist Unterirdisches zu befürchten.)

Er scheint seit einigen Jahren gewissen Erfolg damit zu haben, im Fernsehen und auf der Bühne ziemlich genau die Witzchen zu reißen, die wir vor 35, 40 Jahren auf dem Schulhof auch gerissen haben. Teils Böses, teils Pubertäres über Behinderte, Schwarze, Türken, Frauen u.a. Nicht nett. Mea culpa. Nur herrschte unter uns damals Konsens, dass so was nicht in die Öffentlichkeit gehört und dass es besser ist, wenn niemandem aus den von uns da durch den Kakao gezogenen Gruppen das zu Ohren kam.

Weiters vermittelt er seinem Publikum, es sei kein Zeichen von Rassismus, wenn Schwarze über Witze, die über sie gemacht werden, nicht lachen könnten. O-Ton: "Das kann passieren. Dann seid ihr aber keine Rassisten, dann hat der Schwarze keinen Humor."

Mehr noch: Eigentlich sei es doch vielmehr rassistisch, über Schwarze keine Witze zu machen. Denn dann würde man ja qua Hautfarbe einen Unterschied machen. Soso, vordergründig nicht unschlau gedacht, das. Funktioniert aber nur, wenn man folgende  Prämissen akzeptiert: Dass die Witze über Schwarze auch wirklich witzig sind, also welche, über die alle lachen können und nicht nur die Rassisten im Saale. Und dass es etwas total Erstrebenswertes und Schönes, ja geradezu ein Privileg ist, von Tall et al. öffentlich in den Modder getunkt zu werden.

Abgesehen davon, dass es nach dieser Logik auch sexistisch wäre, eine Frau unverprügelt und unmisshandelt zu lassen, da schließlich alle das gleiche Anrecht darauf haben, wie Dreck behandelt zu werden, habe ich nie verstanden, wieso rassistische Stereotypen abgebaut werden oder gar verschwinden sollten, wenn man sie bloß penetrant genug und aggressiv genug breittritt. Vielleicht wird die Welt besser, wenn alle sich mal ein wenig entspannen. Aber bestimmt nicht, wenn immer bloß eine Seite Entspannung fordert, mit dem Fuß aufstampfend auf ihrem gedachten Recht auf Rassismus und Diskriminierung beharrt und das als aufklärerische Heldentat abfeiert.

"Darf der das?", fragt er andauernd rhetorisch mit Dackelaugen. Und jedes Mal will man ihm antworten: "Natürlich darfst du das, solange du nichts Strafwürdiges absonderst. Das solltest sogar du verstehen. Die Tatsache, dass du seit Jahren völlig unbehelligt auf Tour bist und das Schlimmste was dir passiert, ein paar moppernde Kritiker sind, sollte dir da irgendwas sagen. Außerdem, was soll die bescheuerte Frage? Würdest du deine Klappe halten, wenn jemand 'Nein!' sagte? Glaube kaum. Also frag' gefälligst nicht so blöd."

Im Prinzip unterscheidet das Tallsche "Schulhofgeplärre" (Hoff) sich kaum von dem Gepluster Mario Barths, wenn der seinem begeisterten Publikum abendfüllend die These reindreht, Frauen seien zwar doof, aber leider, da mann ja schließlich angewiesen sei auf permanenten Geschlechtsverkehr, irgendwie auch ein notwendiges Übel. Oder wenn ein Dieter Nuhr neoliberalen Leistungströten die Skrupel nimmt, indem er ihnen versichert, wer in diesem pipaproperen Land arm sei, kein Abi und/oder keinen Job habe, sei halt leider faul und doof, daher selbst schuld, da könne man nun mal nichts machen, und das sei noch lange kein Grund für linke Fisimatenten.

Tall macht das, was spätestens seit Thilo Sarrazin perfekt salonfähig ist: Die Tatsache, dass es Angehörige von Minderheiten gibt, die Beleidigtwerden und verletzende Witze auf ihre Kosten nicht sonderlich schätzen bzw. es nicht sonderlich schätzen, wenn so was passiert, zu handfesten Verboten und sich selbst zum mutigen Tabubrecher aufzublasen. Sich dergestalt sich in die Rolle des Unterlegenen geschmuggelt, lässt noch das armseligste Gewitzel sich als Satire tarnen. Dabei bricht Chris Tall nicht ein einziges Tabu, das nicht Tausende vor ihm schon eingerissen hätten. Die 'sozialen' Netzwerke quellen über vor 'witzigen' Sprüchen wie seinen.

Ein Affirmationsschaumbad für alle, die hämische Tränenlach-Smileys lieben, Veränderungen hassen und um Himmels Willen nicht gestört werden wollen beim Konsum.

Einmal nur ist er wirklich angeeckt. Als er einen seiner ersten Auftritte mit dem Spruch eröffnete, es würde nunmehr die Bude "abgefackelt", denn jetzt sei "Chris-Tall-Nacht". Den bringt er angeblich längst nicht mehr.

Bleibt die Frage aller Fragen: Wieso bekommt Christopher Nast alias Chris Tall keinen Ronny des Monats (was er sehr gut wird verschmerzen können)? Weil ich ihn gar nicht so rechts finde, sondern bloß ein ziemlich genaues Spiegelbild von vielem, für das dieses Deutschland im Jahr 2020 immer noch steht: Große Klappe, dicke Hose, durch nichts zu erschütterndes Selbstbewusstsein, treten nach unten, Gratismut, und wenn‘s mal Gegenwind gibt, sich als Opfer fühlen. Alles so normal, dass einem schlecht werden möchte. Anschlussfähig in gewissen Milieus? Unerheblich. Ist doch eh längst egal, was man macht oder nicht, es macht im Zweifel die Rechten stärker.

So, und jetzt hoffe ich, mich nicht mehr mit ihm befassen zu müssen.




15 Kommentare :

  1. Sehr schöner Artikel! Hat Spaß gemacht zu lesen und spricht mir aus dem Herzen.

    LG
    Dude

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  2. Da hat der Hausherrr etwas missverstanden, denn ich schrieb, dass es von Herrn Burow eine ziemliche Heuchelei sei, wenn so ein Typ wie Tall durch die Landesanstalten gereicht wird und ein musikalische Satire sofort von der Webseite entfernt wird.

    Ob Tall ein stilechter Alltagsrassist ist, könnten evtl. die Leute von People of Color oder die Schriftstellerin und Musikerin Noah Sow ("Deutschland Schwarz Weiss") besser beurteilen. Wenn die Reduzierung eines Schwarzen auf Rassenklischees kein Rassismus ist, und die Bemerkung über den Baumwollpullover keine Beleidigung, bin ich raus. Wenn hier so etwas wie Toleranz durchblickt, dann darf ich auch Verständnis für Witze über Frauen und Kinder unterstellen. In dieser Logik dürfen dann missbrauchte Kinder und vergewaltigte Frauen aus "Gründen der Gleichbehandlung" und "Meinungsfreiheit" auch mit Spott und Häme überzogen werden.

    Jetzt dürft Ihr Euch freuen.

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    1. Also, altautonomer, da hast Du vielleicht was missverstanden. Ich zumindest sehe nicht, dass der Hausherr irgendwo behauptet, die Reduzierung eines Schwarzen auf Rassenklischees sei kein Rassismus, das mit der Baumwolle keine Beleidigung usw. Auch lese ich oben an keiner Stelle auch nur einen Anflug von Verständnis für die Kapriolen des Herrn Nast heraus. Echt nicht. Nur die Feststlellung, dass ziemlich viele sich an dem Rumgebratze nicht stören, sondern es sogar genießen.

      Das einzige Unwerwartete ist die Feststellung, dass er den Schmalspurbrachialkomiker Nast nicht besonders rechts findet, sondern als - ich interpretiere - vergleichsweise banalen Vertreter einer verbreiteten Alltagsarschigkeit sieht.

      "Gar nicht so rechts" heißt ja nicht gleich "gutzuheißen" oder auch nur "akzeptabel".

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    2. Dass der Typ Alltagsrassismus verbreitet buw. mit rassistischen Klischees operiert, ist ja unstrittig. Ich halte es nur nicht für sonderlich zielführend, sich an der Charaktermaske abzuarbeiten, da ich nicht glaube, dass da wirklich ein politisches Programm dahintersteckt, sondern eher Schulhofgehabe und, wie richtig bemerkt, "Alltagsarschigkeit".

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  3. Fluchtwagenfahrer17. Januar 2020 um 09:52

    Liebes Altauto,
    wenn ich dich manchmal so lese denke ich an die VVJ. Zum o.g. Typen kann ich nur folgendes anmerken, ist halt ein W...xer. Passt aber ins Konzept, des Brainwashing und Gewöhnen des Publikums an Dinge die man "nicht sagen darf" aber zweifellos einige denken.
    Viel bedenklicher stimmt mich die Tätigkeiten des ÖRF.
    Bsp.: Gestern Abend,16.01.20,19:30 DAS auf NDR. https://bit.ly/3676kfn
    Kernthema: RECHTSTAATLICKEIT. Diese verf...kte Monstranz die vor einem herumgetragen wird als wenn dieser Kampfbegriff irgendetwas mit der Realität zu tun hätte.
    Beweis: Ein reanimierter ex Verfassungsrichter auf der roten Couch faselt von RECHTSTAATLICHKEIT im Zusammenhang Freiheit und der damit einhergehenden hohen Verantwortung (Tim Taylorgeräusch) gefolgt von einem Kurzvideobeitrag indem das Ordnungsamt Beweise beiseite schafft, dem gegnerischen Rechtanwalt vorenthält um seinen Mandanten zu entlasten. Scheinbar gängige Praxis. Das im Kontext RECHTSTAATLICHKEIT lies mich platzen und nicht so ein A.loch wie oben, denn den Penner kann ich einfach wegschalten im TV, die sog. Judikative und seine ausgelagerten Appendixe nicht.

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    1. Was bedeutet denn VVJ?
      Aufklärung für einen Ungebildeten bitte.

      "Passt aber ins Konzept, des Brainwashing und Gewöhnen des Publikums an Dinge die man "nicht sagen darf" aber zweifellos einige denken."

      Ich weiss, dass es nicht so einfach ist festzustellen, ob es nur "einige" sind, die "zweifellos so denken" oder ob da bereits ein breites Einverständnis in der Gesellschaft angesprochen wird.

      Wenn ich jetzt gemein wäre, und das mag ich gerade sein,
      könnte ich das auch als Option/Einstimmung auf eine autoritäre Transformation der Gesellschaft interpretieren.

      Und es gibt inzwischen genug Hinweise darauf, das es nicht nur von rechts, sondern auch von links ein "flirten mit autoritären bis hin zu faschistischen Lösungsansätzen gibt" um einen Ausweg aus der ökonomischen und ökologischen Krise zu finden.

      Und ich würde auch nicht unterschätzen, dass der Widerstand gegen solche Lösungen nicht sehr auffallend sein wird. Ich würde mich sehr gern irren.


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    2. Pardon, ich wollte Eberlings von ihm selbst entfernten Kommentar(rest) löschen, da ist der andere auch im Orkus verschwunden. Er lautete (sinngemäß):
      Volksfront von Judäa. Und jetzt bist du draußen.

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  4. Die alten Medien werden ohnehin nur noch von Alten und Säuglingen genutzt. Von daher stellt sich da eh keine Frage. Entscheidend ist die Deutungshoheit im Netz. Wenn Ihr die nicht stellt, wer stellt die dann wohl?

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  5. @ Stefan

    So ist es also um die Meinungsfreiheit in den Systemmedien bestellt. Kommentare löschen und dann sinnentstellt wiedergeben. Wo ist mein Haiku zum Thema Borreliose? Wegen Seiten wie "Stefan's Online-Stübchen" wählen die Leute AfD. Anzeige ist raus ;o)

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  6. Volksfront von Judäa? Ist das die Monty-Pythonisierung des politischen Diskurses?

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