Sonntag, 17. Oktober 2021

Vermischtes und Zeugs (VIII)


Schon der große Wiglaf Droste wusste, dass Sex/Gender-Debatten allein zu dem Zweck erfunden wurden, um ein paar Akademikerinnen zu ernähren. Ansonsten fügten sie der Welt weder Wahrheit noch Schönheit zu. Das lässt sich problemlos erweitern auf kurrente Diskriminierungsdebatten. Das mit Abstand Nervigste an Teilen des identitätspolitischen Diskurses ist seine geistige Armut. Zu erkennen daran, dass Gegenargumenten meist bloß mit Gekeife und Shitstorms begegnet wird. Zuweilen bekommt man den Eindruck, der ganze Kram sei eine Art Wissenschaftssimulation für mäßig begabte aber privilegierte Bürgerkinder, die keinen Bock haben auf ernsthafte gedankliche Arbeit.

Studieren lässt sich das am Beispiel des Rummtatas um die juvenilen verbalen Fehlleistungen von Sarah-Lee Heinrich. Taz-Autorin Silke Mertens gibt folgende Benimmregeln aus:

"Diskriminieren kann nur, wer Macht hat. […] Schwarze, die sich negativ über Weiße äußern, und Weiße, die negativ über Schwarze reden - das wird nie das Gleiche sein, nicht in 100 Jahren. Queers dürfen Heteros ablehnen, aber nicht umgekehrt. Frauen dürfen Männer nicht dabeihaben wollen, aber nicht umgekehrt. Behinderte Menschen dürfen über Nichtbehinderte lästern, aber nicht umgekehrt. Jüdinnen und Juden dürfen sich über nichtjüdische Deutsche lustig machen - umgekehrt keinesfalls." (Mertens, a.a.O.)

Abgesehen davon, dass Behinderte, Frauen, Schwarze u.a. nicht per se machtlos sind und es schon ein klein wenig anmaßend rüberkommt, mit welcher Selbstverständlichkeit Frau Mertens meint, bestimmen zu können, wer gefälligst was zu tun und zu lassen hat, stelle ich mir folgende Situation vor: Ein Behinderter, eine Jüdin, ein Schwarzer und eine Frau, die ja allesamt qua Machtlosigkeit zum Diskriminieren berechtigt sind, knobeln untereinander aus, wer über wen wie stark genau lästern darf. Das wird bestimmt lustig.

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Apropos Rassismus: In der taz, das sollte lobend erwähnt werden, ist auch Platz für das hier:

"80 Jahre nach dem Überfall der Nazis auf die Sowjetunion - wir erinnern uns: ein rassenideologischer Vernichtungskrieg mit dem Ziel, »Lebensraum« zu schaffen -, nach mindestens 24 Millionen sowjetischen Opfern, sagen Deutsche, die stolz darauf sind, ein paar Fetzen des sogenannten rassismuskritischen Diskurses mitgekriegt zu haben: Rassismus gegen Weiße? Hat es nie gegeben! Gratuliere zu dieser sagenhaft dummen Einsicht." (Viktoria Morasch)

Danke!

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Gesehen: Adventskalender. Seit einigen Jahren auch mit lustigen Sprüchen (also 'lustig' wie in 'lustige Hüte'). Bald wird nichts mehr sicher sein vor der allgemeinen Verwitzelung der Welt



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Auch gesehen: 'Schumacher' auf Netflix. Brachte Erinnerungen zurück. Zwar war mir der patriotische Kult um den nussknackergesichtigen Rheinländer immer zuwider, trotzdem war in den Neunzigern und frühen Nullern sonntagnachmittägliches Formel 1-Gucken Pflichttermin für mich. Weil ich der Meinung war und bin, dass es sehr wohl großer Sport ist, ein solches Geschoss auf Rädern zwei Stunden lang im Grenzbereich zu bewegen. Und Schumacher, mochte er in der Öffentlichkeit oft eher linkisch aufgetreten sein und auch seine Schattenseiten haben, war einer der besten aller Zeiten. Weil er auch mit einem heillos unterlegenen Auto wie dem Ferrari F310 wahre Wunder wirkte.

Seit seinem Skiunfall Ende 2013 hält die Familie ihn aus der Öffentlichkeit heraus. Wenn man bedenkt, wie lange sie das schon erfolgreich tun und wie billig zum Beispiel Kameradrohnen inzwischen sind, muss das ein erheblicher Aufwand sein. Viele kommen zu Wort in dem Film, ehemalige Weggefährten und Gegner, auch die Familie, seine Frau und die beiden Kinder. Eine halbe Stunde nach Ende dachte ich: Ist eigentlich nur mir aufgefallen, dass seine Familie bei jedem ihrer Statements schwarz trägt?

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Gesellschaftlicher Fortschritt in a nutshell: "Studenten beschäftigen sich mit Klassismus, statt über Klassenkampf nachzudenken" (Lucas Rudolph)








2 Kommentare :

  1. ... Wiglaf Droste ...
    ein Unikat, wie viele Menschen warten wohl auf einen, der so was wieder schreiben kann.
    Seine Beiträge zum Beispiel zum "Häuptling eigener Herd" — da wirds wohl noch dauern, was Neues wieder lesen zu dürfen. Leider gibt es seine Beiträge nur noch antiquarisch(.)

    Gruss
    Jens

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    1. Ein Teil wird immer noch bei Edition Tiamat verlegt, Reclam Leipzig wurde eingestampft, tatsächlich nur antiquarisch. Bin sehr froh, mich beizeiten ausgestattet zu haben. Vielleicht macht Klaus Bittermann ja mal eine Werkausgabe.

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