Heute: Arno Frank über 'Die fabelhafte Welt der Amélie'
"Willkommen in »Die fabelhafte Welt der Amélie« mit neckischem accent aigu, einem hollywoodhaften Bilderbuch-Paris, wo selbst kleine Kellnerinnen sich traumschöne Appartements leisten können und immer irgendwo Sehenswürdigkeiten in der weichgezeichneten Gegend herumstehen.
In Erinnerung hatte ich die klebrige Niedlichkeitsmusik von Yann Tiersen, eine »starke Frau«, die murmeläugige Audrey Tatou als kindliche Göttin ihres Quartiers, mit schwarzen Herrenwinkern und ausreichend Freizeit, vermittels ausgeklügelter Streiche ihren Mitmenschen das Leben in etwas Märchenhaftes zu verwandeln.
Nicht in Erinnerung hatte ich die Sexszenen, die mein ansonsten für Sexszenen durchaus empfängliches Hirn im Lauf der zwei Jahrzehnte, die seit meiner letzten Sichtung der Liebeskomödie vergangen sind, einfach unterschlagen haben muss. Die Sau!
Nun also hockte ich da und konnte meinen Kindern unter allerlei Geräusper erklären, dass dieses lieblose Gerammel, nun ja, wie soll ich sagen ...? »S, E, X?«, buchstabierte die Jüngere hilfsbereit. Ja, genau. Ich hatte mal wieder als Vater versagt." (taz, 30.12.2021)
Anmerkung: Man kann den Film 'Die fabelhafte Welt der Amélie' (2001) für gruseligen Kitsch halten oder verträumt schwelgen (Jean-Pierre Jeunets und Marc Caros frühes Meisterwerk 'Delicatessen' von 1991 ist eh eine andere Liga). Was er auf keinen Fall ist: Ein rundum harmloser Knuffelfilm, den man problemlos Kindern zeigen könnte. Die großen Rehaugen, das ennervierende Quetschkommoden-Gedudel und die Kitschbilder kleistern in der Tat einiges zu. Es wird munter rumgevögelt, unter anderem auf dem Klo eines Bistros, eine Szene spielt im Sexshop, wo Amélie gefragt wird, ob sie rasiert sei, und auch die Grausamkeit mit der sie mitunter vorgeht beim Umerziehen ihrer Mitmenschen, könnte Kindern sauer aufstoßen.
Disclaimer: Ich fand den Film früher entzückend und inzwischen eher so na ja. Aber das oben Beschriebene hätte ich auch nicht mehr auf dem Schirm gehabt. Unbedingt notieren, jetzt, da die ersten Großnichten und -neffen langsam größer werden: Zeigt man diesen Film ("Sooo, jetzt gucken wir einen Film, den ich damals cool fand, der wird euch sicher auch gefallen.") nur minimal zu jungen Heranwachsenden, könnte es Irritationen und unangenehme Szenen bzw. Erklärungsnöte geben (ältere, mit YouPorn etc. sozialisierte Pubertanten werden bloß gelangweilt gähnen). Vor allem, wenn die spießigen Eltern der Kinder dabei sind, die den Film vor 20 Jahren auch gesehen, das aber ebenfalls verdrängt haben. Sicher, die Kurzen werden wohl nicht traumatisiert dadurch, aber, hey, wer will schon der peinliche Onkel sein, der auf der Feier immer diese eine Spur zu schlüpfrigen Witze erzählt?
Danke für die Warnung. Ich habe keine Kinder und wenig Hoffnung auf Enkel. Aber ich würde mit ihnen Blade Runner gucken.
AntwortenLöschenBeide sind gut zum Einschlafen.
LöschenVor allem der Zweite.
LöschenKinder sehen lieber Tierfilme, wie z. B. "Das Schweigen der Lämmer!"
AntwortenLöschenImmer diese 50jæhrigen Kinder.
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