Montag, 16. September 2024

Ronny des Monats - September 2024


"Hüte dich vor den Ideen des Merz!" (Volksweisheit)

Es ist Herbst in Deutschland und es gibt keine Parteien mehr, es gibt nur noch "Ausländer raus!". Vorläufige Erkenntnisse aus einer Woche politischem 'Diskurs': Ausländer sind schuld an der Situation in Schulen, Universitäten, Krankenhäusern, Arztpraxen und auf dem Wohnungsmarkt (Merz). Über die Asylpolitik soll gefälligst das Volk entscheiden und nicht Gerichte (Söder) - wo kämen wir auch hin, wenn in im vielbesungenen Rechtsstaat Gerichte sich erdreisteten zu befinden, was rechtens ist? Ach ja, und nicht jeder SS-Mann war ein Verbrecher (Chrupalla). Aber man darf ja niiiichts mehr sagen in diesem Land.

Schon gehört? 78 Prozent sind unzufrieden mit der Regierung. 78 Prozent! Donnerlüttchen! Wann schmeißt der Chaoshaufen endlich hin und erlöst uns von den endlosen Qualen? Ach nee, stop, Moment! 78 Prozent Unzufriedenheit war ja 2018. Wir erinnern uns: Damals, als jede Zeitung voll war mit "MERKEL -- DAS ENDE???", "LASST ES ENDLICH SEIN!!!", "SCHWARZ-ROT AM ABGRUND!!!" "HAT SCHWARZROT FERTIG???" Das musste dieser berühmte linksgrüne Mainstream sein. Momentan sind 84 Prozent mit der Regierung unzufrieden. Das ist zwar mehr, aber jetzt auch nicht um die Welten mehr, die man annehmen sollte.

Kopfschüttel. Die Top 5 des Monats:

Platz 5: Die AfD Thüringen.
Die beleidigt mal wieder die Intelligenz. Man weist darauf hin, das auf dem Frontispiz des Thüringer AfD-Wahlprogramms abgedruckte Gedicht 'Für Thüringen' von Franz Langheinrich (1864-1945) könne unmöglich ein 'Nazi-Gedicht' sein, da es ja schon zur Kaiserzeit verfasst worden sei. Letzteres stimmt natürlich. Wenn aber das schwülstige Poem selbst kein Nazi-Gedankengut enthalten soll und man auch keineswegs als Nazis wahrgenommen werden will, warum hebt man dann ausgerechnet das Werk eines Autoren auf die Titelseite, der während der NS-Zeit für offen antisemitische Zeitschriften schrieb, Vorträge gegen den 'Kulturbolschewismus' hielt und auf den Anders Breivik sich ausdrücklich berief?

Platz 4: Die wahren Verfolgten
Die Einzelhandelskette Edeka hat sich ganzseitigen Anzeigen zum Vielfalt bekannt und unter dem Motto 'Blau ist keine gute Wahl' ein Statement gegen die AfD gemacht. Und weil Ronny und Co. sich dadurch von linksgrünwoker Propaganda verfolgt wähnen, halten sie sich nicht mehr für Sophie Scholl, sondern für die verfolgten und ermordeten Juden. Drunter machen sie’s nicht mehr. Und starten ganz mutige Protestaktionen. Trotzdem, ich habe Fragen: Was droht einem denn konkret, wenn man als Deutscher bei Edeka einkauft? Nächtliche Festnahme, Folterkeller, Deportation und Lagerhaft? Frage für einen Freund.


Platz 3: Schweizer Treppenwitz

Das Lustige am rechtsbürgerlichen Lager ist seine komplette Lernresistenz. Hitler kam 1933 an die Macht, weil eben jenes Lager - vor allem die DNVP - meinte, jetzt müsse mal Schluss sein mit dieser Quasseldemokratie. So verhalfen sie der NSDAP zur Macht, in dem Größenwahn, sie könnten sie locker kontrollieren. Lasst den Schreihals mit der Rotzbremse doch einfach mal machen, dann werden die schon sehen. (Hinterher schoben sie das dann den Linken in die Schuhe). Und jetzt kommt Eric Gujer des Weges, seines Zeichens Chefredaktor der NZZ, und meint: Nun mal keine Hysterie, der Höcke, der ist ja kein Hitler. Lasst die AfD doch mal machen, dann werden die schon sehen. Nun ja, Herr Gujer hat schließlich die Möglichkeit, sich beizeiten in die neutrale Schweiz abzusetzen, wenn es brenzlig wird hier.

Platz 2: Maximilian Müger (ex AfD)

Der ballerte in einem inzwischen gelöschten, aber archivierten TikTok-Video mit einem Sturmgewehr herum und laberte dazu was von "Migration bekämpfen!". Aha. Darf man da spekulieren, wie er sich die Migrationsbekämpfung konkret vorstellt? Außerdem sei in Polen eh alles viel besser, weil weniger multikulti. "Ja dann geh doch nach drüben!", möchte man ihm in schöner rechter Tradition zurufen. Müger legte übrigens seine Parteiämter nieder. Nicht ausgeschlossen aber, dass er schon auf seine triumphale Rückkehr nach der Machtübernahme spekuliert.

Platz 1: Madame Apartheid
Lena Kotré, die für die AfD im brandenburgischen Landtag das Gesäß in den Sessel drückt, forderte nach dem Messerangriff von Solingen ein Betretungsverbot öffentlicher Veranstaltungen für Asylbewerber, Asylberechtigte und ukrainische Kriegsflüchtlinge. Zum Schutz der jüdischen Gemeinden, wie sie allen Ernstes angab. Wie edel! Konkret müssen wir uns das also so vorstellen:



Ein Gutes hat das natürlich: Wo die AfD ans Ruder gerät, werden zahlreiche Firmen abwandern und die Region wird unattraktiv für Arbeitskräfte werden. Da ist natürlich so ein staatliches Arbeitsbeschaffungsprogramm eine hochwillkommene Entlastung. Es wird nämlich viele Tausend Volksfestkontrolleure brauchen, die die ethnische Integrität der Besucher überprüfen.


Und der Ehrenronny des Monats geht dieses Mal an:

Friedrich Merz (CDU)

Mit Merz fing es an, mit Merz hört es auf. Nur so viel:


Demnächst in diesem Theater: "Ich habe niemals behauptet, ich würde die AfD halbieren!"








11 Kommentare :

  1. "könne unmöglich ein 'Nazi-Gedicht' sein, da es ja schon zur Kaiserzeit verfasst worden sei. Letzteres stimmt natürlich."

    Als hätt's vor 1933 keine Nazis gegeben, Deutschvölkisches Brauchtum nannte man damals halt noch anders.

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  2. Und jetzt ist er Kanzlerkandidat der CDU!

    Gute Nacht Deutschland;-)

    Rhetorische Frage dazu: Oder gibt es schon einen, der garantiert keine Ambitionen auf den Posten hat und daher Merz mit voller Kraft den Rücken stärkt?

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  3. Im Kampf gegen den Faschismus ist auf den (deutschen) Staat sehr wohl Verlass. Man kann sich nämlich darauf verlassen, dass er sich im Zweifel auf die Seite der Faschisten stellt. Und beim größten Teil der sogenannten Opposition siehts auch nicht viel besser aus.

    Hatte der Steinmeier nicht gerade neulich den Bürgerinnen und Bürgern dafür gedankt, dass sie gegen Rechts auf die Straße gingen? Und ist sein Parteigenosse Scholz ("Wir müssen in großem Stil abschieben!") nicht sogar mitgelaufen?

    Ich kann gar nicht so viel fressen wie ich kotzen möchte.

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  4. Das Volk soll also beim Thema Asyl entscheiden und nicht die Justiz? Dann brauchen wir wohl wieder einen Volksgerichtshof.

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    1. Die Vergangenheit hat schon häufiger gezeigt, dass es für den Rest der Welt besser ist, wenn das deutsche Volk möglichst wenig entscheidet. Was die Gegenwart angeht bin ich noch nicht ganz sicher.
      PS. Roland Freisler war beamteter Jurist.

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    2. Fun Fact: die Witwe von Roland Freisler hat nicht anteilig seine Pension, sondern später auch Erhöhungen derselben bekommen, mit der Begründung (anschnallen, bitte!), er hätte in der BRD bestimmt mehr verdient (in der Freien Wirtschaft, natüüürlich, niemand - niemand sage ich!! - hätte den in den Staatsdienst übernommen. Nee, is klar). Aber gut, er wäre neben den anderen furchtbaren Juristen, die munter weitergemacht haben, kaum aufgefallen, denke ich.

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    3. Der österreichische 'Volkskanzler'-Kandidat Kickl äußerte schon 2019, dass das Recht der Politik zu folgen habe. Ach, und an die UN-Menschenrechtskovention müsse man auch mal dringend ran.
      Nur für den Fall, dass es jemanden interessiert, wo die Reise so hingehen könnte...

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    4. Herbert 'Volkskanzler' Kickl: "Wir sind der Chef in diesem Land!"* und
      "So geben wir dem Volk die Macht zurück!"*, "Ich habe schon eine lange Fahndungsliste mit Volksverrätern"*
      Die aktuellen Umfragewerte* weisen recht deutlich darauf hin, wo die Reise vermutlich hingehen wird. Bonettis Bonmot vom Volksgerichtshof ist in Österreich leider gar keines, sondern ernstlich dräuende Zukunftsaussicht.

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    5. Könnte sein, die deutsch-österreichische Reise geht in Richtung "Der Führerwille ist Rechtsquelle" (Franz Gürtner, Reichsjustizminister bis 1941). Und ein Führer findet sich ja immer, wenn das Volk ihn haben will.

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  5. PS. Wenigstens ein paar Leute scheinen inzwischen begriffen zu haben, dass sich der deutsche Faschismus längst nicht mehr bloß in der AfD wohlfühlt, sondern inzwischen stellenweise auch in Parteien, die mit S und C anfangen. Es wäre gut, wenn es sehr viel mehr würden (die Leute, nicht die Parteien), aber große Hoffnung hab ich da nicht. Weshalb ich einen ebenso klugen wie verbitterten kommunistischen Publizisten und bekennenden Nestbeschmutzer zitieren möchte: Die Welt wäre ein besserer Ort ohne Deutschland. Viel fehlt nicht mehr, damit ich diesen Satz unterschreibe. Und falls jetzt wer mit dem Argument kommt, dass in Russland alles noch viel schlimmer ist, und mit der Frage, ob ich mich denn selbst gegen Rechts engagiere: Dass Russland eine imperialistisch agierende Diktatur ist, macht den wieder aufkommenden Faschismus in Deutschland nicht ungefährlicher. Und ja, ich engagiere mich, und zwar hauptsächlich in der Bildungsarbeit mit Kindern mit Migrations- und Fluchthintergrund. Nebenbei mach ich noch ein bisschen Theater, aber so jung bin ich nicht mehr, dass ich glauben würde, dass man mit Kunst, von der Bühne oder von sonstwo aus, die Welt zu einem irgendwie besseren Ort machen könnte.

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  6. Ist mal wieder typisch christlich.
    Erst Parteivorsitz mit 94%+ gewählt, nun Kanzler ohne Gegenkandidat.
    Huch, das hat die CDU doch seit Adenauer der SED vorgeworfen?

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