Donnerstag, 19. September 2024

Volkes Wagen

 
"Die Zahl der Kunden, die sich ein Auto um 100.000 Euro leisten könnten, sei begrenzt, sagte Habeck der »Welt« in einem Doppelinterview mit VW-Chef Diess. »Wenn Sie 2025 kein E-Mobil für unter 20.000 Euro anbieten, dann werden Sie - so fürchte ich - im Markt scheitern.« Dann müsse sich VW konzentrieren auf Porsches und SUV und sei nicht mehr Volkswagen. »Dann bieten Sie nur noch Premiumwagen an und müssten sich in PW umbenennen«" (Quelle)

Das war 2019. Man kann von Robert Habeck halten was man will. Man kann ihn einen klapperten Kinderbuchautoren ohne Wirtschaftskompetenz nennen. Die schlechte Nachricht: Mit dem obigen könnte recht haben.

Wie es aussieht, hat VW etwa eine halbe Million unverkaufte Autos für die Halde produziert. Bei nicht wenigen anderen Firmen würden in so einer Situation die Insolvenzanwälte schon mal langsam mit Aufwärmübungen beginnen. Weil die Leute den Shit wohl irgendwie nicht kaufen. Natürlich können die VW-Mitarbeiter nichts für teils hanebüchene Fehlentscheidungen des Vorstands. Böse Zungen sagen schon, bei VW solle man sich doch auf das konzentrieren, was man dort am besten kann: Currywurst.



Das Problem in Deutschland ist weniger, dass es welche gibt, die sagen, früher sei alles besser gewesen. Die Zahl derer, die das wirklich vorbehaltlos unterschreiben würden, ist wahrscheinlich kleiner als gedacht. Außerdem lässt sich das auch vergleichsweise leicht widerlegen. Problematischer sind jene, die meinen, was früher richtig gewesen sei, könne doch heute unmöglich falsch sein. Denn dieser Selbstbetrug ist weit tückischer. Vor allem in Zeiten, in denen sich politisch damit punkten lässt, jeden Vorstoß in Richtung Veränderung als ideologisch fundierten grünen Diktaturversuch zu denunzieren.

Und sicher, für die Krise bei VW ist maßgeblich der Vorstand verantwortlich. VWs Strategie sah ab den 1980ern unter anderem so aus, dass man China als wichtigsten Auslandsmarkt immer weiter aufbaute und dort einen mehr als gerüttelten Teil seiner Gewinne erzielte bis hin zur existenziellen Abhängigkeit. Wobei man sich mutmaßlich auch vor Zwangsarbeit nicht bange machte. Jetzt machen die Chinesen ihr eigenes Ding mit erschwinglichen Elektroautos. Europäische Verbrenner sind da immer weniger gefragt (BMW, Mercedes und vielleicht Audi werden sich wegen ihres Premium-Bonus noch etwas länger halten können). Auch die Modellpolitik wird im Vorstand entschieden:

Zu Zeiten, da ich noch Autoquartett spielte, hatte VW drei Pkw-Modelle im Angebot (Transporter und LT nicht mitgezählt): Polo, Golf und Passat. Dazu ein paar Karosserieformen: Den Passat gab es als Kombi und Fließheck, alle drei als Derby, Jetta und Santana mit Stufenheck, den Golf Cabrio sowie das Coupé Scirocco auf Golf-Basis. Übersichtlich. Heute haben die Wolfsburger nicht weniger als 21 Modelle im Sortiment. In endlos zu konfigurierenden Ausstattungsvarianten. Weil man wohl irgendwann auf die Idee gekommen, Autos müssten individuell wie Fingerabdrücke sein.

Und das ist noch harmlos. Bei Mercedes gab es ebenfalls bloß drei Modelle: C-Klasse (ex 190er), E-Klasse (ex 200/300, davor Strich-8) und S-Klasse. Davon abgeleitet das S-Klasse-Coupe, den SL und das T-Modell. Später noch ein Mittelklasse-Cabrio. Jetzt sind es 21 Pkw-Modelle mit Verbrennern und 9 vollelektrische. Also dreißig. AMG-Rennpappen nicht mitgezählt. Holla! Bei BMW nicht anders. Die Bajuwaren boten bis in die Neunziger den Dreier, den Fünfer und den Siebener feil. Den Dreier als Coupé oder Cabrio, den Fünfer als Kombi und zeitweise ein Luxuscoupe (Sechser oder Achter). Plus die als Vertreterschubsen getarnten M-Schleudern. Heute: 22 Modellreihen. Bei Audi sieht es nicht viel anders aus.

Ist es da sooo abwegig, wenn welche sagen: "Alles so schön bunt hier, ich kann mich gar nicht entscheiden!"? Zumal die Modellvielfalt ja auch kostet. Was sich dann wiederum im Preis niederschlägt. Andere Hersteller kommen immer noch mit 4-6 Modellen hin. Wie machen die das bloß? Dazu regiert der Trend zu immer größer, immer fetter, immer breiter. Grund: Der Kunde will es so. Bei VW fliegen Klein- und Kompaktwagen aus dem Programm wie der Polo und der eUP. Bei französischen, japanischen und koreanischen Herstellern sind seltsamerweise immer noch Klein- und Kleinstwagen zu haben. Schwaches Bild für eine Marke, die mal das Image hatte, erschwingliche Autos für jedermann zu bauen.

Aber vielleicht ist es ja nicht der Vorstand allein. Mich zum Beispiel hat schon des öfteren der Verdacht beschlichen, in einigen Teilen des Volkswagen-Konzerns glaubt man, die Kunden müssten dankbar sein für die Ehre, eines von Deutschlands geilsten Autos kaufen zu dürfen.

Selbstredend kann ich hier nur über meine Erfahrungen berichten, aber der größte VW-Händler hier (Eigenwerbung: "Wir bewegen die Region!") ist mir immer wenig kundenorientiert begegnet. Wann immer ich dort war, hatte ich den Eindruck, ich störe irgendwie und man lege auf mich als Kunden keinen großen Wert. Meine Frage nach einem Gebrauchten wurde, nachdem die fröhliche Plauderrunde hinter dem Tresen nach 10 Minuten mal kurz Pause machte mit plaudern, lustlos beantwortet mit: "Sehen Sie halt da hinten auf dem Hof, ob was dabei ist." Als ich nach einer Probefahrt fragte, wurde ich angeschaut, als hätte ich mich soeben mitten im Showroom entblößt und mich auf dem Tresen entleert.

Klar, so ein an Neu- oder Jahreswagen nicht interessierter Habenichts wie ich ist halt mehr so C-Kunde. (Kleiner Marketing-Tipp unter Pastorentöchtern: Natürlich ist es okay, A-, B- und C-Kunden zu haben. Die Kunst ist aber, einen C-Kunden das nicht merken zu lassen. Nicht dafür). Einem Nachbarn, dem man eine im Wartungsvertrag vorgesehene Inspektion ohne Angabe von Gründen verweigert hatte, wurde beschieden, er solle doch zum Anwalt. Freund von mir, der da mehr als 20 Jahre lang alle zwei bzw. drei Jahre einen Neuwagen gekauft hatte, wurde kurz nachdem der Dieselskandal aufgekippt war, patzig und von oben herab behandelt, als er es wagte, nach einem Rabatt zu fragen. Hat sich dann auf dem Absatz umgedreht, ist zum Japaner gewechselt und hat es nie bereut.

Ist natürlich nur eine Anekdote. Einzelfall, gewiss. Aber nach Auto für jedermann, für die berühmten 'kleinen Leute' sieht mir das nicht aus.









2 Kommentare :

  1. Dazu kommen mir zwei Gedanken.

    Vor etwa 1 Dekade war noch grosses Tohuwabohu wegen Feinstaub.
    Heute beachtet niemand mehr PM10 und PM2,5. Da die Batterie eine knappe Tonne wiegt und der Reifenabrieb proporzional zum Gewicht ist, wäre das ja (E-)SUV verkaufsstörend.

    Jahrzehntelang wurden Neuwagen geparkt. Dauerparkplatz.
    Seit einem Jahr ist der Parkplatzmarkt in Eilat eingebrochen, vorher gabs etwa 10-11mio an Parkgebühten für Neuwagen hinter Stacheldraht. Und Wüstensand uns Meeresbrise ausgesetzt, wurden die wohl kaum noch verkauft.
    Überproduktion für Börsenkurs ist wohl passé.

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  2. ... am Festhalten der Luftgekühlten unter Nordhoff ist VW Anfang der siebziger Jahre schon mal fast pleite gegangen. NSU und Audi sind dem quasi wie Sterntaler ins PKW-Portfolio gefallen und haben komplett ohne Wolfsburg Know How den Konzern mit wassergekühlten Frontmotoren gerettet.
    Wobei dann natürlich der VAG Konzern in den Siebzigern bis in die Neunziger wirklich tolle Fahrzeuge gebaut hat. Golf 2 mit 400.000 Kilometern auf der Uhr sind keine Seltenheit.
    Jetzt wird es allerdings richtig eng und ich glaube nicht, dass der VAG-Konzern in der jetzigen Form überleben wird. Die gescheiterte alte Softwareplatform ist sozusagen der erste Sargnagel.

    Gruß
    Jens

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