Es gibt da in einem der Nachbarländer diese Provinzstadt, ich komme gerade nicht auf den Namen. Fängt mit P an. Irgendwann im Frühjahr hatte ich das untrügliche Gefühl, da unbedingt endlich mal hin zu müssen. Bei meinen bisherigen Frankreichurlauben zu Jugendzeiten habe ich auf der Durchreise vom Boulevard périphérique aus immer nur Eiffelturm und Sacré Cœur im Dunst liegen sehen. Dann sind zwei Freunde in den Neunzigern mal zum Frühstück dahin gefahren. Eigentlich wollten wir zu dritt fahren, Dummerweise lag ich ausgerechnet an dem Tag mit Magen-Darm flach. Ah ja, jetzt weiß ich's wieder: Paris!
Wie also hinkommen? In der Nachbarstadt im Süden gibt es ein Reiseunternehmen, das ganz Europa per Bus erschließt. Die haben unter anderem auch eine Tagestour nach Paris im Sortiment. Die Nacht durchfahren, den Tag über umschauen, nächste Nacht wieder zurück für gerade mal 99 Euro. Günstiger geht nicht. Wenn es da nicht dieses bekannte Problem gäbe bei mir: Ich bin eh schon ein heikler Schläfer, aber in Bussen, Flugzeugen, Autos und Zügen habe ich noch nie im Leben auch nur ein Mal einen längeren Nachtschlaf hinbekommen, allenfalls ein kurzes Nickerchen. Die begeisterten Erzählungen von Nachtzugnutzer:innen, wie erholt und ausgeruht sie morgens am Zielort ankämen, sind mir immer ein Rätsel gewesen. Ich kriege da kein Auge zu und laufe Tags drauf rum wie in 'Dawn Of The Dead'.
Erschwerend hinzu kommt, dass der Laden für so eine brackige Tagesreise zum Schäppchenpreis natürlich keinen ultramodernen Komfort-Spaceliner mit Luftfederung und Luxusschlafsesseln aus der Garage holt, sondern mehr ein Basismodell. Nicht schlecht, nicht klapprig, aber mit Sitzen, in denen einem, egal wie man sich reinfaltet, spätestens nach zwei Minuten die Arschbacken schmerzen. Bilanz: Wenn ich es in zwei Nächten auf vier Stunden Schlaf gebracht habe, dann war das viel. Man sollte sich für den Rückkehrtag nichts vornehmen. Andererseits: Hat man einen superteuren, mehrwöchigen Urlaub am anderen Ende der Welt verbracht, ist man hinterher auch gerädert. Tagesreisen -- der Jetlag des kleinen Mannes. Der Vorteil: Man wird morgens zentral an der Place de la Concorde abgesetzt und abends wieder abgeholt. Lästiges Pendeln entfällt.
Überraschung: Würde man mich fragen, welche europäische Metropole ich außer Amsterdam für eine Fahrradstadt halte, dann wäre Paris bis vor kurzem nicht unter meinen Top Ten gewesen. Jetzt schon. In vielen Bereichen sind inzwischen halbe Straßen dem Radverkehr vorbehalten, was auch weidlich genutzt wird. Vorbei die Zeiten, da man hier alles mit dem Auto erledigte. Zumal Paris sich von der Größe her ideal zum Radfahren eignet. Die Entfernungen sind meist arg lang für Fußmärsche und die Métro deckt viele Bereiche der Innenstadt nicht ab. Von Münster lernen, heißt siegen lernen. Und hier so? Kröppen sich die Leute schon über Pop up-Radwege und Fahrradstraßen auf sowie darüber, dass mal ein paar Ampeln nicht mehr den Autoverkehr bevorzugen.
Böse Überraschung: Das neue, seit diesem Jahr geltende Tarifsystem der Métro vermag einen in den Wahnsinn zu treiben. Man kann für 2 Euro eine Plastikkarte am Automaten ziehen, auf die man dann maximal fünf Fahrten für insgesamt 12 Euro laden kann. Will man mehr, braucht man eine neue Karte, denn man kann nur einmal pro Tag fünf Fahrten auf eine Karte buchen oder muss dann Einzeltickets kaufen. Hä? Will man mit der RER (i.e. S-Bahn) fahren, braucht man ebenfalls eine weitere Karte, denn das zählt als Zugfahrt, obwohl die SNCF gar nicht beteiligt ist. Wann habe ich mich zuletzt über das intransparente Tarifsystem des hiesigen Nahverkehrs geärgert? Memo an mich: Nächstes Mal vorher informieren, die App aufs Handy laden und das in Ruhe von daheim erledigen.
Weiteres Memo an mich: Sich vorab über Zugang zu einigen Attraktionen informieren. Nachdem ich dem Geschiebe durch Notre-Dame (Wartezeit: ca. 20 Minuten) glücklich entronnen war, wollte in unbedingt noch die nebenan befindliche Sainte Chapelle begucken. Ging aber nicht, da nur zusammen mit Conciergerie und mit vorher gebuchtem Ticket möglich. Den Louvre wollte ich aus Zeitgründen eh auslassen, aber der hat als eines der wenigen Museen dienstags eh geschlossen. Warum? Iss halt so. Vermutlich aus denselben Gründen, aus denen der Riesenkreisverkehr an der Place Charles de Gaulle der einzige in Europa ist, in dem überall rechts vor links gilt.
Da, wie gesagt, die Métro nicht alles abdeckt, erreicht man einiges am besten per RER. Eine Linie karrt am Seineufer entlang und man kann damit bequem etwa den Eiffelturm erreichen. Nur liegt die Linie wegen Bauarbeiten gerade still. Eine Alternative sind die Batobusse, die Seine-Boote, nur ist die Fahrt sauteuer und die Dinger waren wegen erhöhten Touristenaufkommens kurz vorm Kentern. Turm aus der Nähe gucken fiel also aus. Was ich aber nicht soo schlimm fand, da ich die kultische Verehrung, die diesem gigantischen Eisenpimmel zuteil wird, eh nie recht nachvollziehen konnte. Die ärgsten Arschgeigen kriegen schlagartig den verklärten Blick und entdecken den Romantiker in sich, wenn sie des Trumms ansichtig werden. Warum? Ich habe ihn von weitem gesehen und gedacht: Soso, sieht genauso aus, wie du ihn seit Kindertagen von Bildern kennst. Die Überwältigung hielt sich in Grenzen.
Sprachbarriere? Ich hielt mich brav an den Tipp, mir zuerst als Zeichen des Respekts einen abzubrechen mit meinen paar kümmerlichen Brocken Französisch, woraufhin das Gespräch immer auf Englisch fortgesetzt wurde. Einmal sogar, vermutlich wegen meines Akzentes, auf Deutsch. Die Ticketautomaten in der Métro können auf Wunsch Deutsch.
Und das Essen? Viel Zeit war ja nicht. Meine Befürchtung, es handele sich bei zentral gelegenen Cafés, Brassserien etc. um üble Nepperhöhlen und Touristenfallen, hat sich nicht bestätigt. Für ein Croissant und ein Café crème im Café Aux Tours de Notre-Dame waren acht Euro fällig. (In Frankreich sind, anders als etwa in Großbritannien, Service und Mehrwertsteuer inbegriffen, man erlebt also keine Überraschungen.) Das ist nicht billig, aber auch nicht die befürchtete Abzocke. Es gibt deutsche Kettenbäckereien, die einem für so was mehr abknöpfen. Nur war das Croissant größer, fluffiger und um Längen besser als alles, was ich bislang hierzulande hatte. Und die junge Dame, die bediente, war von berückender Freundlichkeit. (Überhaupt fiel auf, wie viele junge Menschen ohne äußerlich erkennbaren Migrationshintergrund in den zahllosen Gastronomiebetrieben bedienen. Personalmangel scheint man hier nicht zu kennen.)
Bevor es abends wieder zurückging, war noch Zeit für einen Happen. Aufs Geratewohl nach kurzem Blick auf die Karte im Café Carrousel eingekehrt. Zum Aperitif ein kleines Blondes, zu dem eine Portion hausgemachter Kartoffelchips gereicht wurde, danach ein ein Viertel Label Rouge-Hähnchen mit Pfifferlingrahmsauce und Kartoffelpüree, begleitet von einem Glas Macon. Natürlich war das nicht frisch gekocht, sondern vorproduziert, aber ohne Zweifel hausgemacht. Die Sauce war von einer Cremigkeit, die einen umhaute. Weil da mehr Butter und Sahne drin waren als ich in einem halben Jahr verbrauche. Aber leider geil. Kostenpunkt: 19,50 Euro ohne die Getränke. Es gibt bei uns nicht wenige Häuser in deutlich weniger schicken Gegenden (das Carrousel liegt an der Ecke Rue de Rivoli/Place des Pyramides), die einem für den gleichen Preis, wenn nicht mehr, ein frittiertes TK-Schnitzel mit Eimersauce, einer Handvoll TK-Pommes und einem lieblosen Beilagensalat mit Fertigdressing vorsetzen.
Gewiss ist der Vergleich zwischen einem Café/Bistro an einem Hotspot von Paris, das wegen der Touristenmassen kaum je um Publikum kämpfen muss, und einem Dorfgasthof in der deutschen Provinz nicht ganz fair. Der Punkt ist aber, dass die Pariser Gastronomen eben wegen der Nachfrage auch deutlich höhere Preise nehmen könnten, das aber nicht tun.
Schlussbetrachtungen: Der Schlafmangel machte sich in Paris, vermutlich wegen der vielen Ablenkung, nicht allzu dramatisch bemerkbar. Vom Montmartre hat man einen herrlichen Blick über die Stadt, aber der Eiffelturm ist hinterm Baum. Ist mir bewusst, dass die Innenstadt von Paris auch eine Schauseite ist, die es dem Reisenden leicht macht, vielleicht sogar zu leicht, sich in die Stadt zu verlieben? Ja. Ist mir bewusst, dass es in diversen Banlieues definitiv ganz anders aussieht? Ja. Werde ich noch einmal hin? Absolut. Aber dann etwas besser vorbereitet. Und mit Übernachtung.
....Carte nominative transport.....kostet 38,50 und man kann überall
AntwortenLöschenfahren.....für fünf Tage......
Besten Dank, weiß ich fürs nächste Mal bescheid.
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