"Nach meiner Asienreise hat mich die frische, raue Luft des Sauerlands umgeschmissen." (Heinrich Lübke)
Angela Merkel mag im öffentlichen Auftreten das Temperament einer Terrine Kartoffelsuppe verströmt haben, als sei ihre Kanzlerinnenschaft von der Firma Pfanni gesponsert gewesen. Aber die bloße Tatsache, dass sie die erste Frau im Kanzlerinnenamt war, überstrahlte vieles und ließ Deutschland plötzlich als Speerspitze der Emanzipation erscheinen. Olaf Scholz? Sieht man von CumEx- und anderen Verstrickungen ab, schlumpfte der so durch die Weltgeschichte und tat nach außen vor allem das, was er am besten kann: Nicht auffallen. Wie viel auch das wert sein kann, zeigt sich gerade wieder.
Könnte es am Ende eventuell sein, fragt sich, dass Friedrich Merz und sein Mitsauerländer Heinrich Lübke etwas mehr als nur die bloße Herkunft gemeinsam haben? Wobei Lübkes verbale Fehltritte teils nicht belegbar sind und wenn doch, wohl auf eine Alzheimer-Erkrankung zurückzuführen waren. Ein gewisser Mangel an Weltläufigkeit ist aber bei beiden nicht zu leugnen.
Man hatte es ja schon fast verlernt seit Kohls Zeiten, sich als Deutscher fremdzuschämen für den Kanzler. Dessen Nachfolger Gerhard Schröder mochte immer etwas Parvenuhaftes umweht haen, aber er profitierte auch enorm vom Kontrast zu seinem Vorgänger. Gegen den raumgreifenden Oggersheimer vermochte jeder rotnasige Ruhrpott-Frührentner in Strickjacke weltmännisch rüberzukommen.
Nach dem Friedensnobelpreisträger und Weltbürger Willy Brandt und dem perfektes Englisch parlierenden Helmut Schmidt wirkten Kohls tapsige Auslandsauftritte zum Leidwesen derer, die damals keine glühenden CDU-Anhänger waren, wie ein Rückschritt in die Fünfziger und frühen Sechziger. Da fielen, gerade einmal gut zehn Jahre, nachdem sie fast den ganzen Kontinent mit ihrem Wesen beglückt hatten, etliche Westdeutsche dank Neckermann et al. wieder über Teile Europas her, wenn auch nicht in feldgrau. Sommers kamen sie hekatombenweise in Italien, Spanien und anderen Schwellenländern angetöffelt mit ihrer harten D-Mark.
Wer das Geld hat, neigt dazu, frech zu werden, und so sind die Geschichten Legion, wie teutonische Touristen beim Essen im subtropischen Ausland auf Sauerkraut, Erbsensuppe et al. bestanden. Wenn sie sich dann doch einmal herabließen, fremdländische Kost zu versuchen, dann aßen sie Spaghetti, haha, mit der Schere und lachten sich kaputt über die unpraktisch zu essenden Nudeln. Die Einheimischen machten gezwungenermaßen gute Miene dazu, weil sie die Devisen der tedeschi und alemanes brauchten.
"Die Italiener, so hieß es, fraßen die Singvögel lebend mit Spaghettis. Nudeln als Beilage waren dekadenter Irrsinn, während die Kartoffel (wohlgemerkt die Pellkartoffel und nicht ihr weibischer Vetter, die Salzkartoffel!) die Speise Luthers, Arminius' und Friedrichs des Großen war." (Hannemann)
Auch später waren Deutsche im Ausland vor allem geschätzt wegen ihrer Finanzkraft und weniger wegen ihrer Weltläufigkeit und entspannten Freundlichkeit. Wenn der erwähnte Helmut Kohl ausländischen Staatsgästen Pfälzer Saumagen vorsetzen ließ, stocherten die zwar befremdet darin herum, ließen sich aber meist nichts anmerken, weil sie auf die Finanzkraft der deutschen Volkswirtschaft angewiesen waren.
Vielleicht muss man Friedrich Merz gratulieren für seine herausragende Leistung, es in Angola einen ganzen Vormittag lang tapfer ohne ein anständiges Stück germanisches Graubrot ausgehalten zu haben. Wobei ich diesen Ausrutscher im Gegensatz zu seinem Brasilien-Affront nicht unnötig dramatisieren würde. Im Vergleich dazu war das schlimmstenfalls eine unbedachte Äußerung, die daher auch keine großen Wellen geschlagen hat. Trotzdem, merkt der beratungsresistente Briloner nicht, wie er sich ein ums andere Mal den Mund verbrennt? Weiß er nicht, dass es zum kleinen Einmaleins der Diplomatie gehört, im Zweifel lieber die Klappe zu halten und freundlich zu lächeln? Fragt er sich nie, auch nicht still und heimlich, was Merkel und Scholz an seiner Stelle getan hätten? Man mag Verständnis haben, dass Heimweh den geplagten Regierungschef übermannt haben mochte, Sehnsucht nach urigen Produkten heimischer Scholle. Nur: Rational ist das nicht. Und damit auch nicht professionell.
"Merz erinnert an den reichen Onkel, der immer alles besser weiß, gern über das Ausland herzieht, wo das Wetter zu heiß, die Straße zu holprig, das Bier zu warm ist. Sein Vorwurf an das Ausland ist fundamental: Es ist nicht Niedereimer." (Stefan Reinecke)
Die Sache ist dummerweise die: Wenn man in diesen Zeiten der sich rasant verschiebenden Verhältnisse auf der Welt Regierungschef eines Landes ist, bei dem nicht mehr die halbe Welt in der Kreide steht und um Waren bettelt, sondern das mehr denn je auf Investitionen aus dem Ausland angewiesen ist, die Verhältnisse sich also gleichsam umdrehen, dann ist es vielleicht eine noch weniger gute Idee als sonst, sich auf diplomatischem Parkett aufzuführen wie ein Elefant im Porzellanladen.
In Bezug auf Fettnapf-Fritze jedenfalls bewahrheitet sich einmal mehr: Du kriegst den Mann aus dem Sauerland, aber das Sauerland offenbar nicht aus dem Mann heraus. Die Lernkurve bleibt steil.
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