Sonntag, 2. November 2025

Bla-Bla-Land


"Neu in meinem Stadtbild: Eine indische Familie (Opa mit Turban), die holländisch spricht und in ein Auto mit holländischem Kennzeichen steigt. Fragen Sie mal Ihre Tochter ..." (Bonetti)

Wenn man sich vor Augen führt, dass die amtierende Regierung mit 1.000, in Worten: ein-tausend Milliarden Euro an zusätzlichem Geld einen finanziellen Spielraum zur Verfügung hat wie wohl noch keine deutsche Regierung vor ihr, dann kann man, nein, dann muss man ihre Performance nicht anders als beschämend nennen. Wo sind die großen Projekte, die großen Würfe? Die Infrastrukturoffensiven, die Bildungsreformen, die Digitalisierungsinitiativen? Alles bitter nötig. Statt dessen so? Ach neee, lass uns lieber mal weiter Verbrenner bauen und fossile Energie verballern. Digitalisierung? Hats damals auch nicht gegeben, Und, hat's uns geschadet? Wollen wir nicht doch wieder Atomkraftwerke…? Ach ja, auf jeden Fall Bürgergeld abschaffen!

Die größte Herausforderung der Menschheit, die Klimakrise soll bitteschön marktwirtschaftlich und technologieoffen geregelt werden, wenn der freie Markt aber Veggi-Burger und Tofu-Würstchen hervorbringt, muss sofort reguliert werden. Konservative Logik in Reinform.

— Ingwar Perowanowitsch (@ingwarpero.bsky.social) 9. Oktober 2025 um 12:06

Das hat auch mit dem zu tun, was hierzulande inzwischen 'Debattenkultur' genannt wird. Ohne dass schallend gelacht wird. 

Geht man einmal von der selbstverständlich heillos obsoleten Prämisse aus, dass eine Debatte nur dann etwas bringt, wenn alle Beteiligten am Ende wenigstens etwas schlauer geworden sind, indem sie Argumente der jeweiligen Gegenseite zumindest kennengelernt haben, auch wenn sie sich diese doch nicht zu eigen machen, dann ist das meiste von dem, was momentan so unter dem Rubrum läuft, schlicht Zeitverschwendung. Weil sich eigentlich nur Ressentiments und Totschlagargumente gegenseitig an den Kopf geworfen werden. Und man es meist nicht mit Argumenten zu tun hat, sondern mit Provokationen. Und weil es nicht mehr um Austausch von Argumenten geht, sondern um Deutungshoheit.

Immer noch wälzen sich ja die letzten armseligen Ausläufer der komplett bekloppten, von Fritze Merz losgetretenen 'Stadtbild-Debatte' durch die Medien. Die eine Seite so: Hurra, endlich spricht mal einer die Probleme an, über die sich niemand sonst zu sprechen traut! (Was hat eigentlich diese 'A'fD noch gleich gemacht die letzten Jahre über?) Die andere so: Gar nicht! Rassismus! Nadsi! Erkenntnisgewinn: Irgendwo bei Null. Wer die apokalyptische Weltsicht nicht teilen mag, ist ein halbblindes Träumerle, das sich standhaft weigert, die Probleme zu sehen. Dass unter denjenigen, die Merz kritisieren, eventuell nicht wenige sind, die sagen, sie sähen schon Probleme, aber vielleicht stünde nicht unmittelbar der Weltuntergang bevor und es gäbe vielleicht andere Lösungen als autoritären Durchgriff und Massenabschiebungen (wovon das meiste eh von Gerichten wieder kassiert würde)? Kommt gar nicht erst vor. 

"Wenn mehr Grenzkontrollen, mehr Abschiebungen, weniger Asylgesuche, eine Aussetzung des Familiennachzugs, wenn all das die AfD-Zahlen nicht schrumpfen lässt -- ja, dann landet man eben beim »Stadtbild«. Wenn wir das korrigiert haben, wie auch immer das funktionieren soll, dann, ganz sicher, ist der Höhenflug der AfD bestimmt gestoppt." (Robert Pausch)

Nicht.

Die Sache ist doch die: Hätte Merz das Problem wirklich klar benannt, wie behauptet wird, dann hätte er etwas gesagt in der Art von: "Es gibt in Teilen etlicher Städte hierzulande mitunter Probleme, die durch bestimmte Gruppen verursacht werden, darunter auch Menschen mit Migrationshintergrund. Darüber müssen wir reden.", dann hätte man dem schwer widersprechen können, man hätte nachfragen können, wie er das genau meine und eventuell wirklich diskutieren können. Hat er aber nicht. Statt dessen hat er maximal unpräzise und höchst missverständlich etwas auch in ganz rechten Milieus Anschlussfähiges geraunt, dabei sehr viele Menschen vor den Kopf gestoßen, wundert sich über den Gegenwind und fühlt sich wieder einmal böse missverstanden.

"Rassismus ist wie Brokkoli." (Stefan Sasse)

Ja-haaa, sagen da jetzt welche, aber die teils heftigen Reaktionen gewisser Leute zeigen doch, dass Merz da wohl was angesprochen hat. Den Finger in eine Wunde gelegt hat. Blödsinn. Eine heftige Reaktion bedeutet erst einmal überhaupt nichts. Heftige Reaktionen lassen sich mit allem möglichen Quatsch auslösen. Auch mit Dingen, bei denen man gehörig falsch liegt. Jemandem, der mir nichts getan hat, eine zu knallen und dann zu sagen: "Soso, sieh an, das haben Sie jetzt wohl nicht so gern, wie?", oder meinem Nachbarn in den Vorgarten zu scheißen und der sich deswegen aufregt, ist kein Zeichen dafür, dass ich etwas irre richtig gemacht, gar "einen wunden Punkt getroffen" habe oder so was, sondern nur dafür, dass ich unzivilisiert bin. 

Wobei: Was den Erkenntnisgewinn angeht, muss ich mich korrigieren. Es gibt doch einen. Nämlich dass nicht unbedeutende Teile der CDU/CSU, darunter der Bundeskanzler, immer noch der Idee anzuhängen scheinen, man müsse der 'A'fD nur weit genug entgegenkommen, dann sönken deren Umfragewerte und Wahlergebnisse ganz bestimmt auch wieder. Ergebnis bislang: Irgendwo bei Null. Also wird wohl demnächst die nächste blaune Sau durchs Dorf getrieben werden. Und ebenfalls 'Debatte' genannt werden wird.








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