Es ist, werte Lesende, eine Art Tradition geworden, dass die letzte Linksammlung des Jahres tagsüber am Heiligabend erscheint, quasi um die Weihnachtsfeierlichkeiten einzuläuten. Und auch heuer lege ich mir keine Beschränkungen auf a'la "Puh, ist das nicht ein wenig viel?", sondern haue gnadenlos alles raus. Es muss ja niemand alles anklicken. Alles kann, nichts muss. Bevor wir in medias res schreiten, möchte ich es aber nicht versäumen zu erwähnen, wie sehr es mich freut, dass Käpt'n Kurbjuhn, Nordhesse in Berlin vom Dienst, wieder auf Brücke ist. Und, Obacht, inzwischen ist er sogar bewaffnet (in Berlin vielleicht keine grundsätzlich schlechte Idee). Wehe also dem unglückseligen Köchlein, das es in Zukunft wagen sollte, inferiores Essen aufzutischen.
Die Links und Fundstücke des Monats:
Poltik/Weltgeschehen. Deutschland steht nicht kurz vor dem Faschismus, meint Michael Brie. Aber...
Ein aktuelles Interview mit Herfried Münkler zu Trumps 'Friedensplan', den er für eine "Luftbuchung" hält (eines von 2023, das gundsätzlichere Fragen berührt, findet sich hier).
Nancy Fraser zum progressiven Neoliberalismus.
"Der hegemoniale Block, der die US-amerikanische Politik vor Trump dominierte, war der des progressiven Neoliberalismus. Was klingt wie ein Widerspruch in sich, war die höchst reale, mächtige Allianz zweier seltsamer Gefährten: Auf der einen Seite der liberale Mainstream der Neuen Sozialen Bewegungen (Feminismus, Antirassismus, Multikulturalismus, Ökologie und Lesben- und Schwulenbewegung), auf der anderen Seite die dynamischsten, kulturell einflussreichsten und am stärksten finanzialisierten Sektoren der amerikanischen Wirtschaft (Wall Street, Silicon Valley und Hollywood). [...]
Das progressiv-neoliberale Ideal einer gerechten Statusordnung zielte nicht auf die Abschafftung von Hierarchien ab, sondern wollte diese lediglich »diversifizieren« – indem »begabte« Frauen und Mitglieder ethnischer und sexueller Minderheiten »empowert« wurden, nach Spitzenpositionen zu greifen. Im Effekt war dieses Ideal ganz und gar klassenspezifisch: Es war darauf ausgerichtet, besonders »verdienten« Mitgliedern »unterrepräsentierter Gruppen« die Möglichkeit zu verschaffen, Positionen und Einkommen auf einer Stufe mit denen heterosexueller weißer Männer ihrer Klasse zu erlangen." (Fraser, a.a.O.)
Stefan Sasse metert die sieben groben Fehler auf, die das bürgerlich-konservative Lager im Umgang mit der 'A'fD begeht.
Frank Stauss über unser nach Ansicht diverser Wirtschaftsfuzzis großes Vorbild China. Läuft bei denen!
Dieses Interview mit Ex-Oberstaatsanwältin Brorhilker, die die CumEx-Ermittlungen leitete, kann man immer mal hervorkramen, wenn es heißt, es ließen sich viele, viele Milliarden sparen, wenn man Bürgergeld Beziehende mal härter anfassen würde. Also Lesezeichen setzen.
Jan Tölva über das kapitalisierte Internet.
"Dem Kapitalismus ist es gelungen, selbst etwas so Geniales wie das Internet in eine die Nutzer:innen um den Verstand bringende Einöde zu verwandeln." (Tölva, a.a.O.)
Ernst Lohoff über die KI-Blase, deren Platzen, das keineswegs überraschend kommen wird, die Welt in die nächste Wirtschaftskrise stürzen dürfte. Auch Cory Doctorow sieht in dem KI-Gemache nichts weiter als ein Mittel, weiteres fiktives Kapital zu generieren.
Kultur/Gesellschaft/Gedöns. Georg Kammerer räumt ein für allemal auf mit dem Märchen, dass die Firma Coca Cola den Weihnachtsmann in heute bekannter Gestalt erfunden habe.
Lorenz Meyer hat drei Versionen der Weihnachtsgeschichte aufgetrieben. Eine von Harald Martenstein, eine von Mario Barth und eine von Klaus Kleber.
Martin Conrads über Raubdrucke als Kulturgut (mehr von Tobias Taibbi).
Jürgen Kaube (FAZ!) über Kulturstaatsminister Weimer.
"Wenn Wolfram Weimer sich vor Schriftstellern und Geisteswissenschaftlern wiederholt als Germanist vorstellt, gehört das zum selben Repertoire situationsabhängiger Selbstvermarktung. Er hat die Disziplin im Nebenfach studiert, aber weder jemals etwas zu ihr beigetragen noch etwas anderes über deutsche Literatur geschrieben als die ulkigen Sätze seines »konservativen Manifests«, Novalis (»Religion ist der große Orient in uns«) habe das Abendland gegenüber dem islamischen Orient kontrastiert. [...] Weimer kennt die Sachen eben oft nur vom Hörensagen, zitiert gern falsch und ohne Anführungszeichen, bewegt sich aber in einem Milieu, in dem er damit durchkommt." (Kaube, a.a.O.)
Und für Georg Seeßlen ist Wolfgang Weimer vor allem ein Kulturabbauminister.
Interview mit dem Kunsthistoriker Gilbert Lupfer über Restitution von Kunst.
Stefan Gärtners Schweizer Gefühl.
Musik. Chris Rea hat sich kurz vor Weihnachten final verabschiedet. Ich muss ehrlich gestehen, wenngleich er mir immer grundsympathisch war, nie ein wirklicher Fan gewesen zu sein. Einer seiner Songs aber ist unter meinen liebsten. Nicht einer seiner großen Chart-Hits wie 'Josephine' und 'Julia', auch nicht 'I Can Hear Your Heart Beat'. Nein, es ist die ebenfalls in den frühen Achtzigern erschienene Bluesnummer 'Stainsby Girls', die mich damals aufhorchen ließ und es heute immer noch tut. Fare Well!
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Linus Volkmann über Eurotrash, das nervigste und infantilste Pop-Genre ever.
Henning Uhle erinnert an den Song 'St. Elmo’s Fire (Man in Motion)' von John Parr aus dem Jahr 1985.
Zu Weihnachten ist es Sitte geworden, hier etwas saisontypische Orgelmusik einzuspielen. Dieses Mal Fraser Gartshore an der Orgel des 'Westerwälder Doms' in Wirges. Massive Zungen und Chamade! Headphones suggested, auch wegen der Nachbarn.
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Sport. Johannes Kopp und Martin Krauss mit gegensätzlichen Einschätzungen der aktuellen Bundesliga-Saison.
Essen/Trinken/gut leben. Jörn Kabisch über den Unfug mit den 'Weihnachtsbieren'.
Den 'Guardian' mag ich unter anderem für solche Aktionen: Diverse Schreiberlinge (Schreiberling:innen? Schreiberlingende?) lassen sich breitschlagen, Dinge zu essen, vor denen sie sich eigentlich ekeln, und dokumentieren ihre Erfahrungen (engl.). Immerhin, zwei Bekehrungserlebnisse gibt es.
In Berlin gibt es dieses Jahr einen 'Weihnachtsdöner', der Rotkohl und Bratapfelgewürz enthält, kommentiert Bernd Mathies. Wenn es stumpfe Traditionalisten ärgert, geht das in Ordnung.
Warum die Linke sich um sterbende Kneipen kümmern sollte, weiß Sascha Döring.
Maître Klink zur Mehrwertsteuer in der Gastronomie.
Das Rezept. Da der Nachmittag des 24. Dezember für ein Weihnachtsrezept ein klein wenig spät wäre, wollen wir uns auch dieses Jahr etwas Leichtes vornehmen, das helfen kann, die Folgen eventueller festtäglicher Völlerei wieder etwas auszubalancieren. Eine Gemüsesuppe nach Art einer Minestrone wäre da eine Idee. Ein 'Originalrezept' sucht man hier, wie bei allen Gerichten, deren Ursprung sich irgendwo im Dunkel der Geschichte verliert, vergebens. Dasjenige von Kollege Westerhausen jedenfalls hat drei entscheidende Vorteile: Die Zutaten kann man so ziemlich alle im Haus haben (gewürfeltes Suppengemüse z.B. ist bei mir immer auf Vorrat im Tiefkühler), es macht auch Menschen satt und glücklich, die vegetarisch bzw. vegan unterwegs sind, da die Hackklößchen separat zubereitet werden (oder ganz wegbleiben können), und es ist variabel. Lust auf gekochte/n Reis/Pasta als Einlage? Nur zu.
In diesem Sinne wünsche ich schöne Feiertage, ob nun gefeiert wird oder nicht bzw. in welchem Rahmen. Eine Pause jedenfalls haben wir uns alle verdient. Hier wird keine völlige Weihnachtsruhe einkehren, sondern auch dieses Jahr auf jeden Fall noch der ebenfalls traditionelle Blog-Jahresrückblick erscheinen.
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