"Wieder zu schreiben versucht, fast nutzlos." (Kafka)
Man kann immer Glück oder Pech haben im Leben. Bekanntlich hatte Franz Kafka seinem engsten Freund Max Brod testamentarisch aufgetragen, all seine Arbeiten zu verbrennen. Das bezog sich natürlich nicht auf die schon veröffentlichten Werke, sondern auf private Aufzeichnungen, Briefe und Skizzen. Da Kafka keinen seiner Romane beenden konnte, wären die Manuskripte vermutlich ebenfalls ein Raub der Flammen geworden. Zum Glück für die Weltliteratur entschied Brod, den letzten Willen des Freundes zu übergehen.
Nur dürfte so was eher die Ausnahme sein. Denn viel Literarisches gibt es, bei dem die Welt von Glück sagen kann, dass es nie veröffentlicht wurde. Es kommt durchaus nicht selten vor, dass gerade junge Menschen sich im Überschwang der Gefühle und hingerissen von ersten, tiefen Leseerfahrungen und sich schon auf Pegasus‘ Rücken dünkend, berufen fühlen, auch zur Feder zu greifen. Mir ging es da, vor allem nach meiner Konfrontation mit expressionistischer Lyrik, nicht anders.
"Lyrik ist schwyrik, / Leicht wird sie schmyrik." (Wiglaf Droste)
Als mir bei einem Umzug meine frühen dichterischen Ergüsse nach Jahrzehnten wieder in die Finger gerieten, dachte ich: Puh, Schwein gehabt, dass das ein reines Privatvergnügen geblieben ist. Auf Papier. Es ist eben nicht jeder ein Franz Kafka. Im Nachhinein bin ich auch froh und dankbar, dass es damals noch nicht die heutigen Möglichkeiten des Selbstpublizierens im Netz gab. Denn das Netz vergisst bekanntlich nicht. Normalerweise ist das ja so, dass literarische Newcomer:innen ihre Manu- bzw. Typoskripte diversen Verlagen andienen müssen wie sauer Bier und oft jahrelang Absagen kassieren. So schmerzlich das im Einzelnen sein mag, ist es in vielen Fällen wohl gut und sinnvoll, wenn erst einmal ein professionelles Lektorat gegenliest.
Dann gibt es Menschen, denen gesellschaftlicher Status, Netzwerke oder Zugriff auf Produktionsmittel es ermöglicht, die Resultate ihrer spätadoleszenten künstlerischen Hirnpfürze ohne solche Hürden zwischen Buchdeckel pressen und veröffentlichen zu lassen. Ob man die beneiden sollte, sei dahingestellt. Im Fall der frühen Lyrik des heutigen Kulturstaatsministers Weimer, die jetzt wieder aufgetaucht ist, wäre es wohl besser gewesen, sie wäre nicht an die Öffentlichkeit geraten.
Zumal ich hier gestehen muss, ein gewisses Verständnis zu haben für Weimers jüngeres Ich. Er hat den Kram mit zirka 20 Jahren geschrieben und im Selbstverlag veröffentlicht. Und kam sich vermutlich vor wie ein krasser, unbequemer Künstler mit seinen teils säfteligen Schwiemeleien. Hätte man mir in dem Alter angeboten, meinen Zeugs zu veröffentlichen, ich wäre sofort dabei gewesen und mir schwer als Künstler vorgekommen. Später dann wäre ich, siehe oben, froh über jedes Exemplar gewesen, das nicht in fremde Hände gekommen ist.
Ob ihm das peinlich ist? Ist nicht bekannt. Dass er diskret schweigt, ist einer der wenigen Aspekten seines bisherigen öffentlichen Wirkens, den man nur uneingeschränkt begrüßen kann. Ferner muss im zugute gehalten werden, dass nicht er selbst damit an die Öffentlichkeit gegangen ist, sondern dass sein Frühwerk von den Podcastern Dax Werner und Moritz Hürtgen durch Zufall entdeckt wurde.
Anders liegt der Fall bei Peter Voß, dem ehemaligen Intendanten des SWR. Auch der reimt für sein Leben gern, dass das Metrum nur so scheppert. Ein schönes Hobby, gewiss. So lange man der Umwelt damit nicht auf den Wecker fällt. Er aber bestückt damit einen wöchentlichen Newsletter, und in seiner Zeit als Intendant erschienen seine Arbeiten auch in der Hauspostille des Senders. Da holpern die Reime, da rappeln die schiefen Metaphern teils ohne erkennbares Versmaß fröhlich aneinander vorbei ins Leere.
"Die Rente drückt wie eine zentner-
schwer aufgehäufte Last auf Rentner,
wenn sie zu wenig davon kriegen.
Zugleich bedrückt sie junge Leute,
die sehn sich im System als Beute,
auch wenn nicht alle schon kapieren,
dass sie die Last einst schwer bezahlen."
schwer aufgehäufte Last auf Rentner,
wenn sie zu wenig davon kriegen.
Zugleich bedrückt sie junge Leute,
die sehn sich im System als Beute,
auch wenn nicht alle schon kapieren,
dass sie die Last einst schwer bezahlen."
Mitunter wird es auch schwer politisch unkorrekt. Weil man ja nichts mehr sagen darf. (Beruhigend zu wissen, dass ihn beim Gedanken an Massenfemizid dann doch Gewissensnöte plagen.)
Erinnert ein wenig an diesen Onkel, der auf Familienfeiern die gelangweilte bis betüterte Festgesellschaft, die nicht flüchten konnte, immer mit Selbstgedichtetem beglückte, und die sich wünschte, er hätte lieber aus dem großen Heinz-Erhardt-Buch rezitiert.
Es handelt sich, nota bene, nicht um den Ausfluß juvenilen Überschwangs und unreifer Selbstüberschätzung, sondern um das Werk eines Mannes, der auf eine jahrzehntelange Journalistenkarriere zurückblickt und dem man daher nicht zu unrecht unterstellen darf, dass er sein wichtigstes Werkzeug, die Sprache nämlich, auf professionellem Niveau beherrschen sollte. Daher müssen wir ihm jene Schonung, die wir dem jungen Weimer in diesem Punkt noch angedeihen lassen wollen, leider verweigern und sagen: Cringe!
Erinnert ein wenig an diesen Onkel, der auf Familienfeiern die gelangweilte bis betüterte Festgesellschaft, die nicht flüchten konnte, immer mit Selbstgedichtetem beglückte, und die sich wünschte, er hätte lieber aus dem großen Heinz-Erhardt-Buch rezitiert.
Es handelt sich, nota bene, nicht um den Ausfluß juvenilen Überschwangs und unreifer Selbstüberschätzung, sondern um das Werk eines Mannes, der auf eine jahrzehntelange Journalistenkarriere zurückblickt und dem man daher nicht zu unrecht unterstellen darf, dass er sein wichtigstes Werkzeug, die Sprache nämlich, auf professionellem Niveau beherrschen sollte. Daher müssen wir ihm jene Schonung, die wir dem jungen Weimer in diesem Punkt noch angedeihen lassen wollen, leider verweigern und sagen: Cringe!
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