Montag, 6. August 2012

Feudalismus 2.0


Technische Neuerungen, heißt es immer noch, machten uns grundsätzlich freier und  entlasteten uns von stupider Arbeit. Wer da zu widersprechen wagt, gilt schnell als piesepömpliger Bedenkenträger. Natürlich möchte kaum jemand die Möglichkeiten noch missen, die zum Beispiel das Internet in puncto Kommunikation und Information bietet. Doch wäre es schlicht töricht, nicht auch über den Preis zu reden, den das hat. So wird oft geschrieben und diskutiert, dass die Grenzen zwischen öffentlich bzw. beruflich und privat immer mehr verschwömmen. Mitarbeiter müssen via E-Mail und Handy rund um die Uhr erreichbar sein, auch im Urlaub, und Millionen exponieren sich bereitwillig via facebook und Co einer wachsenden Öffentlichkeit.

Donnerstag, 2. August 2012

Die Mär von der Schere im Kopf


"Seit 2008 wird zurück geritten!", so entfuhr es ARD-Sportkommentator Carsten Sostmeier angesichts des Goldmedaillengewinns der deutschen Vielseitigkeitsreiter in London. Hintergrund war, dass die deutsche Equipe 2008 in Peking durch einen umstrittenen Protest der Gegner auf dem zweiten Platz gelandet war und nun die verdiente Revanche bekommen hätte. Der rhetorische Herrenreiter musste ziemliche Kritik einstecken für seinen Adolf-Rekurs und sich öffentlich entschuldigen. In dem Trubel ist übrigens die nicht minder geschmacklose Äußerung Sostmeiers untergegangen, die heimtückischen Briten und Franzosen hätten "uns" 2008 die schöne Goldmedaille am grünen Tisch mit fiesen sportrechtlichen Winkelzügen schmählich entrissen. Zu "heimtückischen Welschen" und zum "perfiden Albion" ist es da nicht mehr weit. Man braucht Sostmeier noch nicht einmal rechtes Gedankengut zu unterstellen. Vermutlich kam er sich einfach nur irre witzig vor.

Dienstag, 31. Juli 2012

Sprachliche Hassobjekte


Also-ja-Sätze

Sie sind überall. Platitüden, in denen die grundsätzlich die beiden Füllwörter „also“ und „ja“ auftauchen. Das „also“ steht immer am Anfang, während das „ja“ meistens in der Nähe des Prädikats oder des Objekts haust. Beispiele gefällig? Es gibt mehr davon, als einem, der Sprache und Kommunikation nicht völlig stumpf über sich ergehen lässt, lieb sein kann:

Montag, 30. Juli 2012

Halbkritisches zu Olympia


Also Olympia. Natürlich kann man eine Menge Kritisches über die Olympischen Spiele sagen und sich abwenden mit den Worten: "Guck' ich nicht!" Gern wird beklagt, dass der Geist des Gründers, Pierre de Coubertin, längst verflogen ist und einer ungehemmten Kommerzialisierung Platz gemacht hat. Das kann man, wie gesagt beklagen, aber man sollte es sich gut überlegen. Denn die Spiele sind ursprünglich aus dem Gedanken entstanden, die Jugend der Welt für den imperialistischen Überlebenskampf zu stählen. Dann doch lieber Kommerz. Man kann sich auch anders seinen Spaß machen: Zum Beispiel kann man mitzählen, welche zusätzlichen Disziplinen diesmal von Chinesen geentert werden und hochrechnen, wie viele Olympiaden es noch dauern wird, bis bei ausnahmslos allen Siegerehrungen drei rote Fahnen mit gelben Sternen gehisst werden und alle anderen teilnehmenden Nationen das ganze aus Frust boykottieren.

Freitag, 27. Juli 2012

Susanne Lothar (1960-2012)


Zu Susanne Lothar fallen mir nur Superlativ-Floskeln ein, wie sie von PR und Presse täglich massenhaft verbreitet werden. Auch hatte ich kein persönliches oder gar freundschaftlichen Verhältnis zu ihr. Warum fühle ich mich dennoch genötigt, hier einen Nachruf zu bringen, wenn mir nichts Kreativeres einfällt? Weil ich bei ihr das Gefühl habe, eine prägende persönliche Begegnung gehabt zu haben mit einem faszinierenden Menschen. Ich hatte nämlich das Glück, diese zierliche, doch so große Frau einen unvergesslichen Abend lang live im Theater erleben zu dürfen und selten hat mich etwas so berührt und durchgeschüttelt. Das ist jetzt ziemlich genau zwanzig Jahre her. Die traurige Nachricht von ihrem frühen Tod brachte vieles zurück. Doch bleibt vor allem tiefe Dankbarkeit.

Freitag, 29. Juni 2012

Verdient ausgeschieden


Vercoacht

Der 2:1-Sieg (2:0) Italiens war verdient und ging völlig in Ordnung. Auf deutscher Seite hätte man sich auch über eine 0:3- oder 0:4-Klatsche nicht beschweren dürfen. Das wiegt umso schwerer, als dass Prandelli taktisch nichts anders gemacht hat als in den Spielen zuvor und die italienische Mannschaft daher im Vorfeld eigentlich gut auszurechnen gewesen ist. Sollten sich beim DFB ein paar Leute mit Ahnung vom Fußball befinden, dann wird Löw sich für seine taktische Einstellung und seine Mannschaftsaufstellung zu Recht einige unangenehme Fragen gefallen lassen müssen. Man bedenke, dass Roy Hodgson mit der spielerisch und taktisch weitgehend überforderten englischen Elf Italien immerhin eine Verlängerung abverlangt hat, indem er ganz simpel eine 4-4-2-Formation gegen eine 4-4-2-Formation hat spielen lassen. Wenn Löw unbedingt mit seiner Aufstellung überraschen wollte, warum nicht von Anfang an mit zwei Spitzen, Reus und Klose, auflaufen? Warum keine Mittelfeldraute mit Özil und Khedira als Vertikalachse? Wieso musste unbedingt der sichtlich nicht fitte Schweinsteiger spielen?

Donnerstag, 28. Juni 2012

GER - ITA: Ausblick - Tipp


Die italienische Nationalmannschaft ist ein Phänomen: Nicht nur, dass mit ihnen bei großen Turnieren fast immer zu rechnen ist, scheinen sie doch auch von Skandalen in der heimischen Seria A völlig unbeeindruckt. Im Gegenteil, je schlimmer Wettskandale, Korruption, zerbröselnde Stadien und Gewaltprobleme der Fans, desto mehr scheint das die Squadra Azzurra zu motivieren.

Freitag, 22. Juni 2012

GER - GRE: Rückblick - Ausblick - Tipp


Rückblick

Die Griechen haben sich in der Vorrunde als die Defensiv- und Konterkünstler erwiesen, als die sie 2004 von allen unerwartet Europameister geworden sind. Während der Gruppenphase haben sie sich nie aus der Ruhe bringen lassen und eine optimale Chancenauswertung gezeigt. Das unterscheidet sie von der deutschen Mannschaft, die eher offensiv aufgestellt was und etliche Chancen vergab. Wer seine Chancen nicht verwertet, bekommt irgendwann die Quittung, heißt eine alte Fußballweishei und das Beispiel Holland zeigt, dass da etwas dran ist. Weil sehr defensive Gegner in der Regel äußerst konterstark sind, war die deutsche Mannschaft auch gut beraten, eher vorsichtig vorzugehen und nicht zu versuchen, Tempofußball zu spielen.

Sonntag, 17. Juni 2012

GER - DEN: Rückblick - Ausblick - Tipp


Rückblick

Das in weiten Teilen überzeugende 2:0 gegen die Niederlande ist nicht allein durch die spielerische Klasse der deutschen Mannschaft entstanden, die sich im Gegensatz zum ersten Spiel gegen Portugal sichtbar steigern konnte. Genau so wichtig waren eklatante Schwächen und Nachlässigkeiten der Niederländer. Die niederländische Mannschaft ist neben der spanischen die mit den meisten Superstars europäischer Topclubs in ihren Reihen und hat bisher im ganzen Turnierverlauf enttäuscht. Vor allem die schlampige Abwehrarbeit kam einem Stürmertyp wie Mario Gomez entgegen. Zwischen der zwanzigsten und siebzigsten Minute konnte der Eindruck aufkommen, dass Oranje eigentlich keinen Bock mehr auf Fußball mehr hatte und das Spielen weitgehend einstellte. Dass die Niederländer in den letzten zwanzig Minuten dann besser ins Spiel fanden, lag nicht nur an ihrer offensiveren Ausrichtung durch die Hereinnahme von Huntelaar, sondern auch daran, dass die deutsche Mannschaft das Tempo heraus nahm und den Vorsprung nach Hause schaukeln wollte. Das ist bei einem Turnier an sich vernünftig, nur ließ leider die Konzentration ein wenig nach, sodass das zu einer gefährlichen Sache wurde.

Mittwoch, 13. Juni 2012

GER - NED: Rückblick - Ausblick - Tipp


Rückblick

Für den oberflächlichen Zuschauer war am Samstag der Fall klar: Ein müdes Gewürge mit glücklichem 1:0-Ausgang. Nur durch die Mitte, mehr Glück als Verstand, die deutschen Rumpelfußballer sind zurück. Laaangweilig! So kann das nicht weiter gehen, da durfte man mehr erwarten und so weiter. Wenn Löw hinterher meinte, es sei ein taktisch gutes Spiel gewesen, dann mit Recht. Der Mann ist, im Gegensatz zu einigen seiner Vorgänger, kein Dummschwätzer. Denn aus taktischer Sicht lieferte das Spiel mindestens drei wichtige Einsichten.