Samstag, 7. November 2015

Mütter, sperrt die Töchter ein!


"In der moralischen Entrüstung schwingt auch immer die Besorgnis mit, vielleicht etwas versäumt zu haben." (Jean Genet)

Es gibt Leute, die sind so freundlich, die Welt unaufgefordert wissen zu lassen, was sie im Innersten umtreibt. Jürgen Mannke, Vorsitzender des Philologenverbandes Sachsen-Anhalt, hat in der aktuellen Ausgabe der Verbandszeitschrift ein von seiner Vize Iris Seltmann-Kuke mitunterzeichnetes Editorial verbraten, das sich mit den Gefahren befasst, die entstehen, wenn "viele junge, kräftige, meist muslimische Männer" hier einwandern und sich möglicherweise ganz bald schon an hiesigen Mädels vergreifen oder sie gar, "sicher oft attraktiv", wie sie nun mal sind, in "ein oberflächliches sexuelles Abenteuer" hineinzuquatschen trachten.

Freitag, 6. November 2015

Das China-Komplott


Im Nachhinein bin ich ja ganz froh, dass es zu meinen jüngeren Jahren noch keine All-you-can-eat-Chinabuffets gab. Wäre das nämlich so gewesen, dann wäre ich mindestens einmal pro Woche da gewesen und hätte mich auf eine Weise ins Koma gefressen, dass ein Anfänger wie Obelix bei dem Anblick heulend sein drittes Wildschwein in die Ecke gefeuert hätte und ein Möchtegern wie Gérard Depardieu aus Frust in einem Zen-Kloster verschwunden wäre, um den Rest seines verpfuschten Daseins bei trockenem Reis, Wasser und Meditation zu fristen.

Mittwoch, 4. November 2015

Jaja, die Unterschicht


Mehr Koinzidenz geht kaum: Erst Burkhard Schröders schönen Artikel, dann den nicht minder schönen, von ihm zitierten Artikel Britta Steinwachsens gelesen, nachmittags dann beim Friseur warten müssen und insgesamt eine knappe Stunde vom RTL-Nachmittagstrash vollgemüllt worden. 'Mitten im Leben'. 'Familien im Brennpunkt'. 'Betrugsfälle'. Mit Laiendarstellern besetzte, holprig inszenierte, ordinäre Brüll- und Anpöbelhöllen. Such dir nen Job, du faule Sau! Ey, isch hab nen neuen klargemacht. Na warte, du Schlampe! Darum bitten, dass das abgeschaltet oder wenigstens leiser gemacht wird? Keine Chance. Ich wette, das Gerät kann nur RTL und die Fernbedienung liegt in einem mit Zeitschloss gesicherten Tresor. Nach einigen Minuten ist es mir zum Glück gelungen, Smartphone und Ohrhörern sei Dank, das, was da den berühmten Tick zu laut aus dem Lautsprecher quoll, einigermaßen auszublenden.

Montag, 2. November 2015

Durchlauferhitzte Krähwinkelei


"History does not repeat itself but it rhymes." (Mark Twain)

Es gibt in Deutschland diese Tradition, Staatswesen, demokratisches gar, nicht als gemeinsame Aufgabe aller Bürger zu begreifen, sondern als Obrigkeit, an die man die Verantwortung für die Politik weitgehend abtritt, die man mal machen, von der man sich bereitwillig regieren lässt und sich ansonsten heraushält. Das ist natürlich höchst bequem, denn wenn's mal schief läuft, dann ist man's auch nicht gewesen als Bürger, sondern "die da oben", die "eh machen, was sie wollen". So bin ich mir alles andere als sicher, ob es sich nur um eine Einzelmeinung handelte, wenn etwa meine selige Großmutter zu sagen pflegte, am zweiten Weltkrieg sei ausschließlich und allein "die Politik" schuld gewesen. Es könnte sich als größte, nachhaltig schädliche Folge der Kanzlerschaft Merkels erweisen, dieser Art von Aversion gegen die Politik mit ihrer jegliche Kontroverse erstickenden Art Politik zu machen massig Futter gegeben zu haben.

Samstag, 31. Oktober 2015

Alibikirgisen


Der Geschichtslehrer, den man mir in der Oberstufe zugeteilt hatte, war schon älter und riss sich keine zwei Beine mehr aus für seinen Job. Das wurde ihm aber von den meisten nachgesehen, weil er ein prima Kerl war. Dem konservativen Bürgertum jedoch, aus dem die Mehrheit der Schülerschaft sich rekrutierte, war er ein Dorn im Auge. Er war Ende der Sechziger als Junglehrer einer der ersten gewesen, der es gewagt hatte, ohne Krawatte zum Dienst zu erscheinen und er war wohl einmal von einem Lokalreporter auf einer Veranstaltung der DKP, deren Mitglied er nie war, fotografiert worden. Daher hatte er seinen Ruf als eisenharter Kommunist weg, als fünfte Kolonne Moskaus, der unschuldige Kinderseelen mit seinen gottlosen Lehren zu indoktrinieren trachtete. Als der Mann auch noch Schulleiter wurde, sahen sie endgültig den Untergang des christlichen Abendlandes gekommen. Gab es also damals auch schon, so ein hysterisches Gehuste und es war damals schon Blödsinn.

Dienstag, 27. Oktober 2015

Leben ist lebensgefährlich


... ob mit Wurst oder ohne

Schlechte Nachrichten für Atheisten. Dass Religiösität, Kirchen und traditionelle Frömmigkeit in unseren Breiten tendenziell an Bedeutung verlieren, heißt keineswegs, dass entsprechende Mechanismen und Denkweisen mit ausstürben. Wenn einem dort, wo das Christentum herrschte, früher etwas abgeklemmt werden sollte, das man gern tat oder mochte, dann hieß es, das sei Sünde und man käme in die Hölle, wenn man das nicht schleunigst bleiben ließe. Heute heißt es mit einiger Wahrscheinlichkeit, davon könne man Krebs kriegen.

Samstag, 24. Oktober 2015

Schade, dass er gegangen ist


Wolfgang Lieb, sicher den allermeisten der hier Lesenden und Kommentierenden als Mitherausgeber der NachDenkSeiten bekannt, verlässt diese mit sofortiger Wirkung, wie gestern bekannt gegeben wurde. Seine Erklärung dazu, die freundlicherweise noch veröffentlicht wurde, drückt sehr gut aus, wie auch meine Bauchschmerzen sich anfühlen, die mich angesichts der - freilich großen, diffusen, vielgestaltigen - linken Szene seit einiger Zeit immer öfter und immer stärker befallen. Ich wollte mich schon länger zu einigem äußern, was mir an Teilen des linken Spektrums zunehmend missfällt und auch beunruhigt. Da gärte was, allein, mir fehlte ein wenig der Anlass. Der ist jetzt da. Lieb meint unter anderem:

Dienstag, 20. Oktober 2015

Cocooning ist keine Lösung...


... und Ängste machen dumm. Einige ungeordnete Gedanken zum ersten Geburtstag von 'Pegida'

In den Achtzigern prägten Soziologen den Begriff des 'Cocooning'. Frei übersetzen könnte man das mit 'sich verpuppen/in einen Kokon zurückziehen'. Beschrieben werden soll damit das Phänomen, dass Menschen in unsicheren Zeiten dazu neigen, sich in aus Sehnsucht nach Sicherheit und Geborgenheit in eine private Komfortzone zurückzuziehen. Es mag ein wenig hinken, dem Terminus vielleicht nicht ganz gerecht werden, aber vieles um das Phänomen Pegida kommt vor wie Cocooning im großen Stil. Deutsche zuerst. Grenzen dicht. Alle ausweisen aus meinem Vorgarten. Die da oben sind böse und jeder, der was anderes behauptet, will mir was.