Montag, 20. Juli 2020

Schmähkritik des Tages (40)


Heute: Elfriede Hammerl über Uncle Ben und arteigene Glücksgefühle

"Die Rassismus-Debatte in den USA, angefacht durch die brutale öffentliche Ermordung des Afroamerikaners George Floyd, hat bewirkt, dass der US-Konzern Mars künftig auf »Uncle Ben«, die Werbefigur für eine von ihm vertriebene Reissorte, verzichten will. Das »Uncle Ben's«-Logo, wir kennen es alle, zeigt einen freundlich lächelnden dunkelhäutigen Herrn mittleren Alters in der Kleidung schwarzer Bediensteter […] auf den Herrschaftssitzen der amerikanischen Südstaatler im 19. Jahrhundert. […]

Alles weit weg und bei uns nicht vorstellbar? […] Überlegenheitsansprüche waren und sind weltweit üblich, sie orientieren sich nur nicht immer an der Hautfarbe, sondern auch an anderen Merkmalen, an der ethnischen Zugehörigkeit von Menschen beispielsweise, am sozialen Status ihrer Herkunftsfamilien, an ihrer Religion oder – nicht zuletzt – an ihrem Geschlecht. […]

Bestimmte Menschen propagieren den Vorrang ihrer Bedürfnisse aufgrund von Merkmalen, die ihnen zufällig in den Schoß gefallen sind. Sie verwechseln Glück mit Leistung oder berufen sich im Falle hochmögender Ahnenreihen auf deren […] Leistungen. Nur dass persönliche Verdienste nichts sind, was sich in der DNA der Nachfahren ablagert. […]

Und immer ist das Bestreben im Spiel, den Unterlegenen und Unterdrückten ein anderes, quasi arteigenes Glücksempfinden zuzuschreiben, als seien sie genetisch darauf programmiert, Lust aus Unterordnung und Verzicht zu gewinnen. Die treue Resi, heißt es dann, habe nichts Schöneres gekannt, als bis zum Umfallen in der Küche zu stehen, der alte Johann hätte gar nicht gewusst, was er mit einer »Freizeit« hätte anfangen sollen, und in der zeitgenössischen Version heißt es: »Für diese Leute ist das ja schon viel Geld! « »Diese Leute«. Ein anspruchsloser Menschenschlag. Nicht füttern!" (profil, 18.07.2020)


Anmerkung: Frau Hammerl trifft hier durchaus einen Kern. Bei Rassismus und Sexismus geht es eben nicht nur um Beleidigungen, abschätzige Blicke und konkrete Benachteiligungen (die sich noch am ehesten mit Gesetzen zumindest abmildern lassen), sondern auch um Zuschreibungen. Die fieserweise oft durchaus nett klingen können. Und die doppelt fieserweise von Betroffenen oft noch selbst perpetuiert werden.

Sich auf dieser Ebene mit Rassismus und Sexismus auseinanderzusetzen, erscheint mir jedenfalls weit sinnvoller, da erkenntnisfördernder, als inquisitorisch und oberflächlich nach falschen Schreibweisen, bösen Straßennamen und nach diversen Ferkeleien und Fehltritten in der Vergangenheit von Künstlern zu schnüffeln, jedes Mal "Skandal, mach das weg!" zu kreischen und das auch noch für links auszugeben.

Unvergessen die Episode, die sich einst im Bremer Stadtteil Ostendorf zugetragen hat. Als dort eine Asylunterkunft eingerichtet werden sollte, versuchte das im Sprengel siedelnde, sich selbst überwiegend links verortende Bionade-Biedermeier das zu verhindern. Begründung: Man habe natürlich absolut nichts gegen Flüchtlinge, aber man sei doch in Sorge, dass so viel Wohlstand »Diese Leute« überfordern könnte. Der nächste Discounter sei schließlich auch so weit weg. Diese Sorge, sie rührt einen noch heute.





6 Kommentare :

  1. Tatsächlich gebe ich zu, ein Gegner von solchen Änderungen wie bei Uncle Ben zu sein. Oder auch der gerne gegessene Mohrenkopf. Oder Teile von Pippi langstrumpf usw... usf... Dadurch, daß man solche Begriffe wegzensiert, ändert sich für die, die es betrifft, nichts. Änderungen von Bildern und Zensur von Begriffen heißt für die Betroffenen nicht, daß sie dann automatisch bessergestellt sind. Wenn dem so wäre, dürfte das Problem nach der vielen Zensiererei gar nicht mehr bestehen - es ist aber schlimmer geworden. Uncle Ben kann sein Logo lassen wie es ist - aber darauf schauen, daß schwarze Angestellte genauso gut bezahlt werden wie weiße und gleiche Aufstiegschancen haben Im übrigen frage ich mich, wieso es noch Blondinenwitze gibt. Oder Männerwitze. Oder Boxenluder...

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    1. Viel zuzugeben gibt es da nicht, denke ich. Straßen umbenennen und Wörter verbieten ändert an den herrschenden Verhältnissen mal so gar nichts.

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    2. Siewurdengelesen22. Juli 2020 um 21:22

      Derlei Aktionismus suggeriert aber, dass man etwas täte und hilft etwas dabei, sich wohlzufühlen in seinem Einsatz für eine gerechte Welt.

      Das Vogel-Strauss-Prinzip kann dabei sehr fördernd sein. Ausserdem muss sich dazu keiner direkt mit dem Problem auseinander setzen, wenn sich an den Symbolen abgearbeitet werden kann.

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  2. Guter Link zum Zeit-Artikel, Lesebefehl.
    Diese Linksfaschisten und Salonliberalen sind der kulturelle Teil des neoliberalen Systems, Subversivität, Widerstand von unten, am A...h.
    Salonliberale stehen zu Werteliberalen wie Neoliberale zu Wirtschaftsliberalen- beide sind jeweils unvereinbar miteinander.

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  3. Man kann den Mohrenkopf österreichisch Indianerkrapfen nennen. Mit einer weiteren Ösi-Süßspeise (Mohr im Hemd) dürften die Ösis einigen Umbenennungsstress haben (Afrikaner im Polohemd/ T-Shirt?) …
    Und der beliebte Negerkuss heißt nun Afrikanerlippenliebkosung, oder wie? …

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    1. Nein, Schoko-Schaumkuss oder 'Schwedenbombe' (Österreich).

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