Sonntag, 27. November 2022

Jenseits der Blogroll - 11/2022

 
So, mal sehen: Nürnberger Lebkuchen? Check. Spekulatius? Check. Lübecker Marzipan? Check. Mandarinen? Check. Nüsse? Check. Ein wenig (!) dezente (!) Deko? Check. Alles da, der Geburtstag des Religionsstifters kann nahen. Moment mal! Christliches Propagandamaterial in einem Agnostikerhaushalt? Was kommt als nächstes? Ein Adenauer-Poster überm Bett? Mumpitz! Erstens haben viele (Vor-)Weihnachtsbräuche heidnische Wurzeln und zweitens wusste schon der große René Goscinny: "Man kann doch Barbar sein und trotzdem Blumen lieben!" Stopp, Halt! Eines fehlt. Die monatliche Linksammlung. Hier isse:

Politik. Wilhelm Heitmeyer über Kontrollverlust in der Krise.

Herfried Münklers Vortrag über die notwendige Enttäuschungsverarbeitung der EU.

"Auch nach einem wie auch immer gearteten Waffenstillstand wird Russland eine revisionistische Macht sein, die bei nächstbester Gelegenheit versuchen könnte, ihre Ziele im Schwarzmeerraum doch noch mit Waffengewalt zu erreichen. Und auf der Gegenseite wird die Ukraine bestrebt sein, den Status von vor 2014 wiederherzustellen, also auch die Annexion der Krim rückgängig zu machen und den Donbass wieder vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen." (Münkler, a.a.O.)

(Fortsetzung folgt hoffentlich.)

Tomasz Konicz mit einer rotbraunen Inside story.

"Querfronttendenzen entstehen aus den unterschiedlichsten Motiven heraus. Etwa aus populistischem Kalkül oder aus Opportunismus. Doch sie wirken objektiv als eine Art »Einstiegsdroge« in die Wahnwelt der Neuen Rechten. Ihr Erfolg beruht darauf, rechte Ideologie in linke Rhetorik zu verpacken. Objektiv fungiert die Querfront als ein reaktionärer Transmissionsriemen, der einerseits rechtes Gedankengut in linke und progressive Milieus hineinträgt, und andrerseits der Neuen Rechten immer neues, verblendetes Menschenmaterial zuführt." (Konicz, a.a.O.)

Michael Herl ist beruhigt: Die CSU ist endlich wieder wie früher.

Wirklich schlimm! Die Leute verstehen einfach keinen Spaß mehr.

Eberling machts vor. Man kann für sich aus Gründen mit Teilen der politischen Linken abgeschlossen haben, ohne deswegen Rechten, Querfrontlern und anderen Spinnern hinterherzudackeln. Geht also.

Kultur, Gesellschaft, Gedöns. Andreas Meinzer mit einer Verteidigung des rauen Reality TV a'la DSDS.

Hans Magnus Enzensberger ist in hohem Alter verstorben. Von seinem Riesenwerk wird etliches bleiben. Ich erinnere mich an die 'TransAtlantik', neben 'Tempo' eines der coolsten publizistischen Projekte der alten BRD, und sein Essay 'Ein bescheidener Vorschlag zum Schutz der Jugend vor den Erzeugnissen der Poesie', das in einem Oberstufen-Deutschbuch abgedruckt und dessen Lektüre damals für mich eine Befreiung war. Plötzlich hatte ich was kapiert. Und sein SPIEGEL-Essay von 1991 über Saddam Hussein als neuer Hitler? Nun ja, wo Licht ist, da ist auch Schatten.

(Enzensbergers Essay 'Bescheidener Vorschlag...' ist online verfügbar, allerdings nur als PDF-Datei, die sich beim Anklicken automatisch herunterlädt und daher hier nicht verlinkt. Ist mir zu heiß. Ich kann hier daher nur empfehlen, das bei Interesse selbst zu suchen.)

Wie niedlich! Gewisse Dinge ändern sich offenbar nie. Dies Textlein hätte genau so auch 1990 in der 'UNICUM' oder einem anderen erbaulichen Traktätchen stehen können.

Heike-Melba Fendel über Hilfsbereitschaft.

Musik. Vor einiger Zeit machte ein netter Mensch mich mit dem 1996er Debütalbum 'Marching Into Oblivion' des längst beendeten Projekts 'Darkstar' des damaligen 'Psychotic Waltz'-Gitarristen Dan Rock bekannt. Progressive Metal mit starken Elektronikeinflüssen. Spannend, auch heute noch.


(Video im erweiterten Datenschutzmodus. Anklicken generiert keine Cookies.)


Spocht. Vier einstige englische Nationalspieler blicken zurück auf die WM 1990 in Italien. Größte Überraschung: Der vierschrötige Verteidiger Terry Butcher, der damals seinem Nachnamen alle Ehre machte und bei seinen Gegenspielern gefürchtet war für seine eiserne, an Brutalität grenzende Härte beim Einstecken wie beim Austeilen, erweist sich als sanfter, sensibler, herzlicher Mensch, der offen darüber redet, wie lange seine Frau und er brauchten, über den Tod ihre Sohnes hinwegzukommen, der als Soldat in Afghanistan getötet wurde.  
Sport.

Erinnert sich noch jemand an Sebastian Deisler? Der bald zu 'Basti Fantasti' hochgejubelte Mittelfeldler galt Anfang der Nuller als größtes Talent seit Günter Netzer. Ließ sich wie viele Toptalente von den Bayern anwerben, die WM sollte seine werden. Dann verletzte er sich bei einem Testspiel, fiel danach in eine schwere Depression und beendete seine Profikarriere sang- und klanglos.

Essen, trinken, gut leben. Jörn Kabisch betreibt seit einiger Zeit mit Katharina und Merlot den Gasthof 'Zum Schwan' in Castell im Steigerwald und bekommt gelegentlich, sagen wir, anstrengende Reservierungsanfragen.

Wer Ananas auf der Pizza für die Höchststrafe hält, hat das hier noch nicht gesehen.

"»Hmmm«, machte Stiefvater mit vollem Mund. »Kartoffeln, Fleisch und Sohse. Die Deutsche Küche ist doch die beste der Welt!«“ (Ulli Hannemann)
 
Vincent Klink erinnert sich, wie er Anfang der Siebziger als ambitioniertes schwäbisches Provinzköchlein gemeinsam mit seiner letztens traurigerweise verstorbenen Frau Elisabeth seine ersten Gourmet-Gehversuche unternommen hat. Etwa im damals noch weltberühmten 'Maxim's' in Paris.

"Schlecht kochen ist keine Kunst, das kann jeder. Aber auch noch stolz darauf sein, das bringen nur deutsche und englische Hausfrauen fertig." (Wolfram Siebeck)

Das Rezept. Wiewohl in Sachen Essen deftigem Norddeutschem wie Grünkohl und Pfefferpotthast keineswegs abgeneigt und durchaus franko- sowie italophil, ferner auch Indischem zugetan, habe ich einen weiteren soft spot für die Küche der alten k.u.k.-Monarchie, genauer die Wiener und die Böhmische. Die ist nicht nur köstlich und erfrischend ungesund, aber, von Ausnahmen wie Wiener Schnitzel abgesehen, nichts für Kurzbräter, Wokrührer, Bissfestgarer und andere kulinarische Hektiker. Die Wiener Küche etwa kennt neben dem berühmten Tafelspitz viele weitere Siedefleischgerichte, die nur dann gelingen, wenn das Leichenteil über Stunden knapp unter dem Siedepunkt vor sich hin simmert. Und wer sich für ein Gulasch weniger Zeit nimmt als einen halben Tag, hat sicher eine Abkürzung genommen und muss zur Strafe auf zähem oder strohigem Fleisch herumkauen.

Vor etlichen Jahren hatte ich im K.u.K. Hofbeisl in Bad Ischl Rindfleisch in Majoranjus mit Bandnudeln von der Mittagskarte und ward höchst angetan. Eine Art Gulasch, aber völlig ohne Paprika und in einer köstlichen Sauce, deren Zusammensetzung außer der namensgebenden deutlichen Majorannote nur schwer zu entschlüsseln war. Ich hatte das schön längst als nette Erfahrung wegarchiviert, als ich bei den Kochgenossen auf ein Rezept für Majoranfleisch stieß. Weil das Fleisch kleiner geschnitten wird, ist die Garzeit nicht gar so lang. Ein Gulasch light sozusagen. Und es hat wie Gulasch den Vorteil, dass man unbedingt preiswerte 'unedle' Teile vom Rind nehmen sollte, die sich für Steaks und Braten nicht eignen, aber erst länger geschmort ihren ganzen Wumms entfalten.






6 Kommentare :

  1. Hm. Soll man Korrekturvorschläge machen? Ich mag Ihren Blog sehr, aber es stört mich, dass der Name von Georg Seeslen falsch geschrieben ist (ohne "l" im Nachnamen). Nichts für ungut und einen guten Tag wünscht x

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    1. Danke. Und "Seeßlen" schreibt sich mit Esszett (die taz schreibt ihn mitt Doppel-s- weil sie keine ß-Versalie verwenden). Nicht dafür.

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    2. Entschuldigung, war aus Versehen auf "anonym". - S.R.

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  2. Lieber Herr Rose auch ein weiterer Name wurde falsch geschrieben: Der Herr Koniecz schreibt sich Tomasz Konicz.

    Gruß Schorsch

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    1. Wer Ananas auf der Pizza für die Höchststrafe hält, hat schlicht keine Ahnung. Und TK-Tex-Mex-Pizza mit Hackfleisch und Bohnen (und noch ein paar abstruse, aber wohlschmeckende Sorten) gabs schon in den 1990ern in deutschen Supermärkten.

      Aber wer es natürlich ganz original und ur-italienisch haben will, bitte sehr.

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