Sonntag, 13. November 2022

Vermischtes und Zeugs (XXXVI)

 
Jetzt wird ja diskutiert, wie man sich denn nun verhalten soll zu der Schand-WM von Katarrh. Boykott? Darf man sich freuen? Und was, wenn nun doch irgendwo ein Fernseher läuft? Keine Ahnung. Augen und Ohren mit Kernseife auswaschen? Das Teufelsgerät mit dem Vorschlaghammer zertrümmern? (Das wird die Scheichs lehren!) Drei Vaterunser und sechs Ave Maria? Das ist übrigens gar nicht so abwegig. Vor vielen Jahren geriet mir ein katholischer Katechismus aus vorkonziliarer Zeit in die Finger (für Atheisten, Protestanten und andere Ungläubige und Ketzer: Das ist grob gesagt eine Art Schlaues Buch von Fähnlein Fieselschweif zum Führen eines gut katholischen Lebens in einer Welt voller Versuchungen).

Unter anderem ging es um die Frage, wie man sich verhalten soll als frommer Kathole, wenn irgendwo Musik der Lutherischen Nachtigall Johann Sebastian Bach gespielt werde und man sich dem, etwa aus Höflichkeit, nicht durch Flucht entziehen könne. Der Rat der weisen Kirchenmänner: Ohren zuhalten ist nicht nötig, anhören ist in Ordnung, aber ohne jede innere Anteilnahme oder gar Freude. Im Zweifel ist hinterher ein Beichtstuhl aufzusuchen. Zack, Problem gelöst!

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Ich glaube übrigens nicht, dass die Mehrheit der Deutschen die Spiele boykottieren, sondern zumindest daheim gucken wird. Sieht ja keiner. Woher ich das weiß? Erfahrung. Der Zufall wollte es, dass ich 1995, als Greenpeace zum Boykott gegen Shell aufrief, an einer Shell-Tankstelle jobbte. Solange es hell war, herrschte tatsächlich gähnende Leere. Als es dunkel wurde, war ziemlich normaler Betrieb. Sieht ja keiner. Und jetzt denken Sie mal scharf nach, warum das Fusek-Event auf November/Dezember verlegt wurde. Naaa?

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Apropos: Es ist ziemlich einfach, auf dem katarischen WM-Botschafter herumzuhacken für seinen Ausspruch von der Homosexualität als geistiger Verwirrung. Vielleicht ein bisschen zu einfach. Dass das, was der Mann mit dem lustigen Geschirrtuch auf der Murmel da von sich gegeben hat, unaufgeklärter Humbug ist, den man mit äußerster Höflichkeit unzeitgemäß nennen kann, sollte unstrittig sein. Trotzdem, es ist so wohlfeil. Die Erkenntnis, dass Homosexualität weder eine geistige Verwirrung noch sonst was schlimmes ist, hat sich auch bei uns erst vor einigen Jahren durchgesetzt. Die Älteren werden sich erinnern, dass der schandbare Paragraph 175 erst 1994 aufgehoben wurde (in der DDR war das bereits 1963 geschehen). 

Noch Ende der Achtziger habe ich mit eigenen Ohren gehört, wie Familienväter Sätze sagten wie: "Also wenn mein Junge so einer wär', ich würd' den eigenhändig erschlagen! Einmal kurz hinters Haus und, zack, mit dem Beil, erledigt!" Und damit nicht unbedingt eine Minderheit waren. Oder dass ein junger Mann, der sich, sagen wir, auf der Zeche geoutet hätte, sich auf eine Zukunft als Mobbingopfer hätte gefasst machen können. Erlebt habe ich auch, wie die Fassade eines Hauses, in dem zwei Frauen zusammenlebten mit dem Grafitto "Lesbenvotzen!" dekoriert wurde, was allgemein für großes Hallo und Heiterkeit sorgte. So begrüßenswert es ist, dass so was zunehmend inakzeptabel wird und vielerorts schon ist -- sooo lange ist das noch nicht her.

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Wie bitte? Döner wird teurer? In den ersten Städten soll bereits die Zehn-Euro-Marke geknackt worden sein? Moment mal, so haben wir nicht gewettet, Türk'! Ein Döner hat maximal vier Euro zu kosten und der Laden hat 23 Stunden am Tag geöffnet zu sein, damit man auch nachts um drei mit Vollrausch noch einen einpfeifen kann. So ist das Gesetz. So wie es auch Gesetz ist, dass der Deutsche ein Anrecht hat auf einen fetten Verbrenner in der Garage, billiges Benzin, auf Fleisch auf dem Grill, billige Lebensmittel beim Discount und darauf, dass günstiger Ökostrom aus der Steckdose kommt. Notfalls muss der Staat dafür sorgen, dass das so ist.

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Für mich als regelmäßigen Schwimmer stellt die Situation in der bescheidenen Heimatstadt sich wie folgt dar: Eines der beiden Hallenbäder ist dauerhaft wegen Renovierung geschlossen. (Man wollte das bis Oktober fertig haben, hat dann aber - oh Wunder und Überraschung! - in dem Bau von 1970 Asbest gefunden.) Das verbliebene Bad hat bis 15:00 Uhr auf. So bleiben mir pro Woche 9,5 Stunden, in denen sichs schwimmen lässt als Werktätiger ohne Schichtdienst. Samstags von 8 bis 12 Uhr und sonntags von 8:00 Uhr bis 13:30 Uhr. Oder auch mal gar nicht.

Tja, da müssen wir halt alle mal Verständnis haben. Und ungefragt geduzt wird man auch noch. Woran erinnert mich das doch gleich? Ach ja, an ein bestimmtes Geldinstitut...
 


Aber mit "Liebe Grüße" wird man vollgesoßt.

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"Nichts gegen Masturbation! Das ist Sex mit einem Menschen, den ich wirklich liebe." (Woody Allen)

Und noch einmal geht es um Sexuelles: Es fällt auf, dass es einen wachsenden Markt gibt für Sexspielzeug für Frauen, was entsprechend als emanzipatorischer Akt gefeiert wird. Immer ausgeklügeltere Apparaturen sollen die Damen auf neue orgasmische Level heben, ohne dass es dazu noch der tätigen Hilfe eines Mannes bedürfe. Nimm dies, Patriarchat! Ein Mann aber, der offen dazu steht, gelegentlich autoerotisch Hand an sich zu legen, gilt leicht als armseliger Wichser, der keine abkriegt, zu doof zum Daten ist und mal schön die Finger vom Schniedel lassen soll. Das muss dieses berühmte Patriarchat sein, dessen ganzes Sinnen und Trachten es ist, 24/7 Frauen zu knechten und zu unterdrücken.






3 Kommentare :

  1. Ich schätze die meisten Blogeinträge hier sehr. Auch diesen.
    Der Abschnitt zum Schwimmbad und zu den Sex-Toys finde ich untypisch, weil sich mir im Gegensatz zu den anderen Beiträgen nicht erschliesst, was der Autor damit aussagen möchte.

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    1. ich meinte natürlich "die Abschnitte zu..."
      Finger schneller als das Hirn...

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    2. Ja und? Die Rubrik 'Vermischtes und Zeugs' ist eine Wundertüte. Hier kommt, ähnlich wie in ein Notizbuch, alles rein, was mir so durch den Kopf geht, was kein ganzer Artikel wird und mal mehr, mal weniger ausgegoren. Like it or leave it.

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