Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Mittwoch, 31. Oktober 2012
Rückkehr des Großen Kürbis
Es ist wieder so weit: Das Fest des großen Kürbis ist da. Von bizarr bis gruselig herausgeputzte Kinder erpressen von den Nachbarn Süßigkeiten und nicht minder zurecht gemachte Erwachsene strömen in Scharen zu Halloween-Partys, auf denen sie die Nacht zum Tage werden lassen, um den folgenden Morgen des stillen Allerheiligen-Tages in gebührender Wortkargheit zu begehen. Schließlich sind auch die Supermärkte seit einiger Zeit nicht nur voller Weihnachtsgebäck, sondern auch voller Horror-Zubehör. Das gefällt nicht allen. So bezieht zum Beispiel in Polen die katholische Kirche mutig Stellung gegen das satanische Fest, an dem Okkultismus und Zauberei gehuldigt werde. Auch hierzulande ist man auf der Hut: Weil gewisse, sehr deutsche Dödel sich nicht nur in jeder freien Minute auf Traditionen besinnen, sondern auch sonst voll kritisch durchblicken, ist man in diesen Kreisen schwer um die einheimische Kultur besorgt. Von amerikanischem Kulturimperialismus wird da gern gemoppert. Müssen wir denn wirklich immer alles mitmachen, was von dort kommt? Und überhaupt sei das doch alles eh nur Kommerz und jappjappjapp.
Sonntag, 21. Oktober 2012
Willkommen im Mainstream, Homiez!
HipHop war vielleicht die dominierende Jugendkultur der letzten 15, 20 Jahre. Für Menschen, die qua eigener Sozialisation irgendeine Form von Rockmusik und einigermaßen normal geschnittene Hosen bevorzugen, war diese Zeit eine schwere Prüfung. Jugendliche, die im Englischunterricht keinen einzigen geraden englischen Satz über die Lippen bekamen, fuchtelten mit den Armen, machten unter obskuren Fingerverrenkungen einen auf Ganzböserjunge und parlierten dazu fließend kryptische Fachausdrücke in annähernd jenem Idiom, das ihnen doch eigentlich ein komplettes Rätsel war. Sie waren enttäuscht, wenn der Jugendrichter es wegen Dauerkiffen und/oder Graffittisprüherei bei einer Ermahnung beließ oder ihnen Sozialstunden aufbrummte, anstatt sie, wie ihre US-Vorbilder in den Knast zu stecken. Dazu trugen sie Kleidung, die sie in jedem anderen Jahrhundert vermutlich als Angehörige des fahrenden Volkes der Gaukler ausgewiesen hätte.
Dienstag, 16. Oktober 2012
Stating The Obvious
Die Bundesagentur für Arbeit ist ein sehr großer Laden. Dort gibt es viele Abteilungen. Eine davon heißt wahrscheinlich: 'Sonderarbeitsgruppe', nein, 'Task Force' klingt cooler: 'Task Force zum Herausfinden offensichtlicher Dinge' oder so ähnlich. Sollte das so sein, dann hat diese Truppe jetzt einen echten Coup gelandet: Die haben nämlich eine Allensbach-Umfrage in Auftrag gegeben, und die Demoskopiefüchse haben – wahrscheinlich dank der Anschaffung neuer, hypermoderner Computer – herausgefunden, dass viele Deutsche wenig schöne Vorurteile gegenüber Hartz-IV-Empfängern hegen:
Freitag, 12. Oktober 2012
Unser langer Lauf von uns weg
Abt.: Sommerloch-Wiederholung
Da ich, wie bereits erwähnt, gerade mitten im Umzug stecke, habe ich nicht nur viel zu tun, sondern auch den Kopf ziemlich voll mit anderen Dingen. Daher werden hier in nächster Zeit ältere Beiträge ohne tagespolitische Bezüge, an die ich mich gern erinnere, in loser Folge wieder aufgewärmt werden (damalige Kommentare inklusive).
Vieles wäre wohl einfacher, wenn die wackeren Athener, die einst den persischen Invasoren eins auf die Mütze verpasst haben, eine Brieftaube zur Hand gehabt hätten. Oder ein Pferd. Aber nein, der Überlieferung zufolge mussten sie ja unbedingt einen antiken Urahnen von Dieter Baumann, Haile Gebrselassie und Achim Achilles per pedes losjagen, die freudige Nachricht in der Hauptstadt zu verkünden. Ein stinknormaler Soldat wäre das vermutlich in aller Ruhe angegangen, hätte nichts überstürzt und sich unterwegs, sobald er außer Sichtweite gewesen wäre, vielleicht an einem schattigen Plätzchen ein paar Mezedes und einen Schoppen Retsina gegönnt. Irgendwann am Abend wäre er ganz entspannt beim Bürgermeister aufgeschlagen, hätte ausführlich Bericht erstattet, einen Orden dafür bekommen und sich auf der Siegesfeier noch gepflegt einen hinter die Binde gekippt.
Mittwoch, 10. Oktober 2012
Fragen, en passant
Wenn man vom Kinderkriegen einmal absieht, braucht man in diesem Land für so ziemlich alles irgendeine Bescheinigung (mit Stempel!), die belegt, dass man auch qualifiziert ist. Wer per Kfz, Krad oder Brummi die Gegend unsicher machen will, braucht dazu, klar, einen Führerschein. Das eine oder andere wiwawichtige Staatsexamen muss vorweisen, wer beruflich als Doc, Pillendreher, Rechtsverdreher oder Kinderverdreher, a.k.a. Lehrer, sein Unwesen treiben will. Will man seine Mitmenschen durch das Führen eines potenziell bissigen Vierbeiners behelligen, dann müssen Herrchen und Brutus zuerst eine entsprechende Prüfung ablegen. Erst recht dürfen Träger von Knarren, Wummen, Ballermännern etc. nicht unexaminiert in die Weltgeschichte entlassen werden. Sogar wer eine leitende Position im Universum eines bekannten amerikanischen Bullettenbräters anstrebt, tut gut daran, an der einschlägigen Uni brav seine Scheine gemacht zu haben. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen, aber es sollte klar geworden sein, wovon die Rede ist.
Mittwoch, 3. Oktober 2012
Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft
Als einigermaßen erfahrener, geradezu abgestumpfter Angehöriger der Konsumgesellschaft meint man ja leicht, nur noch schwer zu schocken zu sein. Manchmal aber, da kommt man auch mit einigen Jahren auf dem Buckel in Situationen, die einen in ein vertracktes Dilemma bringen oder einem gar echte Grenzerfahrungen bereiten können.
Irgendwann im Herbst letzten Jahres kam mir ein Artikel in die Quere über ein bis dahin so gut wie unbekanntes Duo zweier junger Frauen. Die machten, so hieß es, unter dem Namen Boy handgemachte, wundervoll zwischen Melancholie und Beschwingtheit aufgehängte Popmusik. Normalerweise ist Gute-Laune-Mädchenpop nicht wirklich mein Fall, aber ich war neugierig geworden. Ein Klick auf das Video zur Single Little Numbers ließ die Sonne aufgehen: Dreieinhalb Minuten ansteckende Ausgelassenheit und Sorglosigkeit. Nicht eine Sekunde der puren Lebensfreude, die Valeska Steiner und Sonja Glass, durch das sonnige Barcelona tollend, da verbreiteten, wirkte aufgesetzt, bemüht oder künstlich. Kitsch? Meinetwegen! Text banal? Drauf geschissen! Das hatte Charme, brachte Erinnerungen zum Klingen an längst vergangene Sommer, in denen die Welt einem offen zu stehen schien und nur der Moment zählte. Ausnahmsweise schien es einmal angebracht, das oft so schnöde verheizte Attribut reizend.
Donnerstag, 20. September 2012
Große Qualitätsmedienschelte
Wenn man bei Google 'heribert prantl' eingibt, dann schlägt die Autocomplete-Funktion als nächste Einträge vor: 'kirche', 'voßkuhle' und 'kontakt' - lauter fast unverfängliche Sachen also. Kein Vergleich jedenfalls, was bekanntlich passiert, wenn man zum Beispiel 'bettina' eintippt. Belässt man es bei 'heribert prantl' und klickt auf 'Suche', dann erscheint als erstes Ergebnis der Wikipedia-Eintrag zu seiner Person. Dort heißt es, man liest es mit Verwundern, dass der gute Mann gelernter Jurist ist. Das überrascht einen umso mehr, als dass Prantl in einem seiner letzten Kommentare für die Süddeutsche Zeitung erneut die Mär vom quasi rechtsfreien Raum Internet ventiliert hat. Wörtlich meint er: "Im Internet gibt es noch kaum Regeln". Und das finde ich erstaunlich.
Dienstag, 18. September 2012
Fürchtet euch! - Nicht
Na, wer hat sich damals, Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger auch diebisch gefreut, als die Komiker von Monty Python den ganzen Frömmlern gekonnt einen eingeschenkt haben? Wer außer mir hat sich noch auf die Schenkel geklopft, als die Gebetbuchschnüffler die Backen aufgeplustert, nach Verbot geschrien haben und ihnen zugerufen: Willkommen im 20. Jahrhundert, Spießer? Wegen des großen Erfolges ist nun ein, so hört man, unterirdisch schlechter Film aufgetaucht namens Unschuld der Muslime, mit dem ein Scherzbold den Muslimen der Welt einen ähnlichen humoristischen Knuff verpassen wollte. Dummerweise gibt es unter denen nicht nur viele, die das nicht witzig finden, sondern auch ein paar Durchgeknallte, die es nicht beim Backenaufblasen belassen. Dumm gelaufen.
Samstag, 25. August 2012
Böser Blasentee
Ja, richtig, Bubble Tea
ist pappsüß, sieht in der Regel aus, als käme er von einem anderen
Planeten, enthält angeblich doppelt so viele Kalorien wie Cola und
kleine Kinder könnten an den Kügelchen ersticken. Also ganz böse.
Nun bin ich kein manischer Kalorienzähler, aber der Gedanke, dass
man sich mit einem Becher mal eben 500 davon reinpfeift, ist auch mir
nicht wirklich sympathisch. Ich selbst bin eh wenig gefährdet, weil
ich mir nicht viel aus Süßigkeiten mache und auch ein Problem mit
als Getränken feilgebotenen Chemiecocktails aller Art habe. Das war
übrigens nicht immer so: Als Kind gab es für mich nichts Schöneres
als diese aus Pulver angerührten Erfrischungsgetränke. Wenn da
'Orange' draufstand, dann konnte man davon ausgehen, dass er engste
Kontakt, den das Zeug mit Orangen hatte, darin bestand, bei der
Anlieferung im Supermarkt an einer Steige Orangen vorbei getragen
worden zu sein. Diese Vorliebe hat sich, wie gesagt, gründlich
ausgewachsen.
Dienstag, 14. August 2012
Quält euch!
Die Kulturpessimisten blicken mal
wieder voll durch: Die geringer als erwartet ausgefallene deutsche
Medaillenausbeute bei den am Sonntag zu Ende gegangenen Olympischen
Spielen sei darauf zurückzuführen, dass wir Deutschen nicht mehr
bereit seien, uns zu quälen, es fehle uns am letzten Quentchen
Siegeswillen. Silber dürfe nicht das neue Gold sein. Und weil Sport
der Spiegel der Gesellschaft sei, stehe es schlimm um Deutschland. So
entfuhr es Michael Backhaus in der BamS in schöner Verleugnung
dessen, was den Olympischen Geist irgendwann einmal ausgemacht hat.
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