Dienstag, 15. November 2016

Über Wettbewerb


Seien wir doch offen: Wettbewerb wird schon ganz schön überschätzt. Damals in der Schule haben sie versucht, uns zu imprägnieren gegen die Rote Gefahr. Drüben im Kommunismus, hieß es also, blühten Korruption und Vetternwirtschaft, weswegen dort bloß inkompetente, senile Witzfiguren an die Macht gelangten. Bei uns in der Di-Da-Demokratie dagegen, auf der richtigen Seite der Eisernen Vorhangs, da sei das freilich ganz anders. Bei uns sorge der freie Wettstreit der Ideen und Argumente, der Wettbewerb um des Wählers Gunst, automatisch dafür, dass am Ende die Fähigsten und Fittesten regierten. So wie ja in der Marktwirtschaft auch die berühmte Unsichtbare Hand dafür sorge, dass das jeweils beste Produkt sich letztlich durchsetze. Schon damals in den Achtzigern fragten wir uns, ob daran nicht etwas faul sein könnte, wenn exakt dieser Wettbewerb Geistesgrößen wie Ronald Reagan und Totalausfälle wie Dan Quayle, Vizepräsident unter George Bush sen., in höchste Ämter bringt.

Sonntag, 13. November 2016

Ronny des Monats - November 2016


Kinder, wie die Zeit vergeht! Vor einem Jahr wurden zum ersten Mal die Ronnys des Monats vergeben, auf dass schöne Einzel- und Gruppenleistungen auf dem Gebiet des Rechtsradikalismus und Faschismus nicht der Vergessenheit anheim fallen. Und es sieht nicht danach aus, dass die Kandidaten mir ausgehen. Inzwischen mischt auch die CSU fast immer mit beim fröhlichen Niveau-Limbo. So etwa der dritte Bürgermeister von Altdorf bei Nürnberg, der sich angesichts der Tatsache, dass der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland zu einer Veranstaltung anlässlich des Reformationstages eingeladen wurde, zu der Vokabel "Islamschweinerei" hinreißen ließ. Das erinnert nicht nur an längst vergangen geglaubte Zeiten, in denen man politischerseits ähnliches Vokabular benutzte, sondern hätte ihn auch gleich von Null in die Charts gebracht, wenn, ja wenn nicht wieder im letzten Moment die AfD ums Eck gekommen wäre.

Freitag, 11. November 2016

Ein Dammbruch?


So, nun, ja, Trump. Rückblickend wird natürlich einiges klarer und hinterher ist man bekanntlich immer schlauer. Trotzdem kam das überraschend. Und es bedeutet eine ganze Menge, bin immer noch am sortieren. Hat daher etwas gedauert. Ich lege mich mal fest: Die kommende Präsidentschaft Donald Trumps ist entweder eine politische Wetterscheide oder bleibt pure Episode, dazwischen scheint es nur wenig zu geben. Drunter mache ich es nicht. Vieles, leider allzu vieles, spricht dafür, dass die des öfteren anzutreffende Einschätzung, der 9.11.2016 sei der 11.9. für das liberale Zeitalter, wohl zutrifft. Die per se ja gar nicht üble Idee des Liberalismus wurde leider auf Jahrzehnte an die Wand gefahren durch die unter Ronald Reagan, einem von Trumps Vorgängern im Amte, begonnene neoliberale Verarmungspolitik der letzten 35 Jahre. Bei uns von den gegelten Klassensprecher-Schnullis von der FDP. Kein Wunder, dass niemand traurig ist. Vielleicht sollten wir aber.

Montag, 7. November 2016

Doppeltmoralinsaurer Demokratierest


"Die oberen Zehntausend dieser Gesellschaft sind ein Sumpf. Sollen sie fälschen, betrügen, sich schmieren lassen, koksen, wie es ihnen beliebt. Wenn sie uns nur verschonten mit ihrer Moral." (Hermann L. Gremliza)

Es kann hilfreich sein, sich klarzumachen, dass das, was wir bürgerliche Werte nennen, ursprünglich der Abgrenzung und Selbsterhöhung des etwa ab dem 18. Jahrhundert aufstrebenden Bürgertums gegenüber dem Adel diente. Blaublütige bildeten sich traditionell etwas darauf ein, keiner Erwerbsarbeit nachzugehen, weil das das gottgegebene Los von Bauern und Plebejern war ("Im Schweiße deines Angesichts..."). Sonderlich sparsam war man in diesen Kreisen meist auch nicht. Die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes wäre ohne das entspannte Verhältnis zum Geld, das diverse Fürsten pflegten, um etliche repräsentative, kunsthistorisch bedeutende Bauten ärmer. Die Bürgerlichen setzten solcher Verschwendungssucht das Ideal des fleißigen, sparsamen, korrekten Frühaufstehers und Schaffers entgegen, der seine Finanzen im Griff hat. So kam auch das Denken in die Welt, (Erwerbs-) Arbeit sei ein Wert an sich und wer nicht arbeite, demnach nichts wert.

Samstag, 5. November 2016

The longer read: Literatur in Zeiten des Mega-Ich


Über dicke Bücher im Allgemeinen und den irrtierenden Erfolg des Norwegers Karl Ove Knausgård im Speziellen

Einen Hang zur Kürze pflege ich von jeher. Als Schüler hatte ich kein Verständnis dafür, wie man bei einer Oberstufenklausur Seite um Seite mit Geschwafel vollschmieren konnte, nur um der Quantität willen. Meine Klausuren waren in der Regel kurz und bündig und deswegen unterm Strich weder besser noch schlechter benotet als die der notorischen Vielschreiber. Seitdem ist es nicht besser geworden. Mit zunehmendem Alter reagiere ich unleidlicher, wenn ich das Gefühl habe, ein Redner, ein Regisseur oder eben ein Schreiber will mir mit endlos langem hohlem Geklapper die kostbarer werdende Zeit klauen. Wie an anderer Stelle erwähnt, sind mir Menschen höchst suspekt, die das Leistungsprinzip auf den Umfang ihrer Lektüre ausdehnen, will heißen: für die Bücher unter 500 Seiten bloß Prospekte sind. Bei mir verhält es sich umgekehrt. Ein Buch über 500 Seiten muss richtig gut sein, der Verfasser verdammt was draufhaben, damit ich nicht die Geduld verliere und es wieder beiseite lege.

Mittwoch, 2. November 2016

Sündenstolze Sippenhaft


Sicher ist der Umgang der Deutschen mit ihrer Vergangenheit so einiges, bestimmt aber nicht immer unproblematisch. Schlussstriche zu fordern ("Ja, das waren gewiss ganz schlimme Dinge, die diese Verbrecherclique, die aus dem Nichts über Deutschland gekommen war, angerichtet hat, aber irgendwann muss es auch endlich auch mal gut sein mit den alten Kamellen."), ist ungefähr so alt wie die Unterschriften der Wehrmachtsgeneräle auf den Kapitulationsurkunden. Etwas jüngeren Datums ist die seinerzeit von Hermann Lübbe geprägte Invektive vom 'Sündenstolz'. Was ungefähr bedeutet, die Deutschen seien in toto insgeheim ein bisschen stolz auf die Überverbrechen der NS-Zeit ("Den Holocaust macht uns so schnell keiner nach."), zumal das die Möglichkeit verschaffe, sich mittels besonders penetrant zelebrierter Vergangenheitsbewältigung als moralisch höher stehende Menschen zu gerieren. Logisch, dass entsprechend Interessierte Kreise das dankbar aufgriffen.

Montag, 31. Oktober 2016

R2G-Socken


Es sind diese kleinen Dinge, die einem deutlich machen, in welch verrückten Zeiten wir leben. Nehmen wir die x-te Exhumierung der Rote-Socken-Panikmache durch die CSU. Als Westkind bin ich damit groß geworden, dass Konservative immer mit apokalyptischem Unterton in der Stimme davor warnten, dass 'die Roten' an die Macht kommen. Fragte man, wieso, dann bekamen ihre Mienen einen Ausdruck namenlosen Entsetzens. "Wie kann man bloß so dumm fragen? Weil das unser aller Untergang wäre.", brachten sie hyperventilierend und mit letzter Kraft über die zitternden Lippen. "Willst du etwa leben wie drüben?". Das musste als Argument normalerweise reichen. Auch wollten sie einem immer verbieten, YPS* zu lesen und später den SPIEGEL. Alles von Moskau finanzierte kommunistische Kampfblätter, das, die der Roten Gefahr den Weg ebnen sollten, indem sie die Hirne unschuldiger Kinder und Heranwachsender wuschen.

Samstag, 29. Oktober 2016

Warum nicht mal ein Arschloch?


Könnte, so habe ich mich während dieses Jahres schon des öfteren gefragt, Freund Hein zur Abwechslung auch mal ein richtiges Arschloch zu sich holen, wenn er heuer schon so einen Bodycount hinlegt? Viele Gute hat es dieses Jahr erwischt. Jetzt Manfred Krug. Mit 79. Geht in Ordnung, kann man nicht meckern. Er selbst war's auch zufrieden, hatte sich ja schon seit längerem aus der Öffentlichkeit verabschiedet. Krug kam aus der DDR, hat sich nie verbiegen oder vereinnahmen lassen und war in vielem das, was der eitle Wolf Biermann immer so verzweifelt zu sein begehrte: Ein Künstler, ohne klischeehaft zu sein, ein Übersiedler ohne Gewese drum zu machen, ein Dissident ohne zu nerven, ein Kerl ohne ein Macho zu sein. Darüber hinaus uneitel und verdammt cool, vor allem aber: anständig. Als er einsehen musste, dass er durch seine unseligen Werbeaktivitäten für Telekom-Aktien dazu beigetragen hatte, dass viele Kleinanleger ihr Erspartes verloren, entschuldigte er sich öffentlich. Für so was brauchst du Rückgrat. Dafür liebten ihn die Menschen. Gäbe es mehr von seiner Sorte, die Welt wäre vermutlich eine bessere.

Freitag, 28. Oktober 2016

Gallisches Dorf vs. Konzernokratie


"Dumme kann man gescheit machen, aber wenn einer ein Interesse hat, dann können Sie sich tot reden, der weiß genau, was sein Interesse ist." (Kurt W. Rothschild)

Zu erwarten war es ja irgendwie. Haben sie die widerständigen Wallonen doch noch rumgekriegt, jenes kleine Gallische Dorf der EU, das ein paar Tage lang öffentlich wagte, gegen das Freihandelsabkommen CETA zu sein und so die Hoffnung nährte, jenes Gebilde namens Europa sei doch noch irgendwie demokratisch. Ich bin schon ein wenig neugierig, wie diese Einigung am Ende zustande gekommen ist. Waren die Wallonen jetzt einfach zufrieden mit den paar Extrawürsten, die sie herausverhandeln konnten, oder musste man ihnen erst mit dem Beispiel Griechenlands drohen, um ihnen Vernunft beizubringen?

Montag, 24. Oktober 2016

Die Jungsantwort - was fehlt


"Es hilft alles nichts, die zweite Lebenshälfte beginnt inzwischen, und da geht es eigentlich nur noch darum, dem Verfall irgendwie würdig zu begegnen." (Don Alphonso)

Zu den unpolitischen Belanglosigkeiten im hiesigen Medienschaffen, bei der ich zuweilen hängen bleibe oder auch nicht, gehört, hiermit sei's offen und ehrlich ventiliert, die Rubrik 'Mädchenfrage/Jungsfrage' bei 'jetzt', jenem irre coolen, hippen Talentelaufstall der ehrwürdigen 'Süddeutschen'. Junge oder auf jung machende Frauen (hier: 'Mädchen') fragen junge oder auf jung machende Männer (hier: 'Jungs') Dinge, über die sie sich bei den jeweils anderen schon immer gewundert haben bzw. vice versa, und bekommen dann eine Antwort. Das ist meiner kursorischen Kenntnis nach meist recht oberflächlich, manchmal auch amüsant. Was völlig okay für mich ist, begehrt man schließlich gar nichts anderes zu sein.