Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Samstag, 9. Dezember 2017
Immerhin konsequent
Eine kleine Preisfrage (weil, ich bin ja kein Arzt): Angenommen, ein Patient ist zwei Mal mit Anlauf, die Rübe voraus, ohne Helm und ungebremst vor eine stabile Wand gerannt. Beide Male war er überzeugt, als Sieger aus dem Duell hervorzugehen und die Wand einzureißen, ist aber beide Male mit einem Schädelbruch in der Klinik gelandet. Wenn dieser Patient, der hoch und heilig versprochen hat, das nie mehr wieder zu tun, nunmehr drauf und dran ist ist, das ein drittes Mal zu versuchen, wieder ohne Helm, und erklärt, dieses Mal würde es aber ganz bestimmt klappen, weil er jetzt mehr Anlauf nähme - wie nennt man so ein Krankheitsbild? Ich weiß, Ferndiagnosen sind gerade im Feld der psychischen Erkrankungen nicht unproblematisch, aber gesund ist das garantiert nicht. Aber konsequent, immerhin. So wie die SPD.
Dienstag, 5. Dezember 2017
Schmähkritik des Tages (13)
Heute: Vincent Klink über den Zustand der Gastronomie
"Siebzig Prozent der Gastronomie-Azubis halten die Lehre nicht durch. Die Ausbildungszeit gilt als hart. Sie wird aber meist so empfunden, weil größtenteils langweiliger Mist gekocht wird. Meiner Ansicht nach sind die Gründe nicht bei einer schlaffen Jugend zu suchen, sondern es liegt an den schlechten Betrieben, welche in Deutschland die absolute Mehrheit einnehmen. Gräbt man noch tiefer, schlägt man aber beim Verbraucher auf, dem es nicht billig genug sein kann, der seinen Bauch als Mülldeponie akzeptiert und der sich nicht um gastronomische Mitarbeiter und um Lebensmittelqualität schert.
Sonntag, 3. Dezember 2017
Über Stammitaliener
Gibt ja verschiedene Anzeichen dafür, dass man langsam alt wird. Da sinkst du zum Beispiel beim traditionellen halbjährlichen Bowlen mit den alten Kumpels auf die Knie, aus lauter Dankbarkeit, endlich einen Strike hinbekommen zu haben. Früher wärst du mit einem lockeren Schwung in die Hocke und einem Hüpfer wieder oben gewesen. Jetzt? Nun ja. Früher erschien dir ein komplett ruhiges Wochenende ohne jegliche 'aufregende' Aktivitäten als unmittelbare Vorstufe zum finalen Umzug in eine Senioreneinrichtung, inzwischen findest du es ziemlich okay. Du versuchst, etwas Geld zu sparen für den Notfall, weil du nicht mehr Eltern, Freunde und/oder Verwandte anpumpen magst, wenn die Waschmaschine kaputt ist. Du lässt eine Flasche Wein auch mal ein paar Monate liegen, anstatt sie sofort aufzumachen und auszusaufen. Du machst dir überhaupt Gedanken um Gesundheit. Weil Gesundheit halt nicht mehr so selbstverständlich ist.
Donnerstag, 30. November 2017
Das Böse auf unseren Feldern
Von Zeit zu Zeit, wenn alle sich total einig sind und es ganz irre kuschelig wird und alles im Prinzip gaaanz einfach ist, finde ich das suspekt und bin dagegen. Dass ich damit mitunter Leute vor den Kopf stoße, ist mir bewusst, nehme ich aber in Kauf. Keine Ahnung, ob's bloß sehr spätjuvenile Lust am Abweichlertum ist. Zwar habe auch ich meine Roten Linien, meine aber, dass simples Schwarzweißdenken der Aufklärung niemals dienlich ist und alle gegen einen niemanden weiterbringt, egal wo. Und dann muss es auch mal stauben. Ich halte das aus. Das war damals bei Böhmermann so, das war kürzlich in der Causa Jebsen der Fall. Wenn Menschen einem nichtssagenden Modepüppchen, das einen schlimmen Song aufgenommen hat, deswegen Mord und sexuelle Gewalt androhen, vermag ich auf der Stelle zum glühenden Fan der Dame zu mutieren. Aus Prinzip. Es muss schon gegen eine Arschgeige von hohen Graden gehen, wenn ich einen Shitstorm begrüße.
Dienstag, 28. November 2017
Bald ist Weihnachten
Und da galt es früher immer, an die eingemauerten Brüder und Schwestern in der Sowjetzone zu denken. Betraf mich mangels Verwandten drüben jetzt nicht so. Weil es aber die Zeit war, in der schon Anführungszeichen ein politisches Statement sein konnten, bekam ich sehr wohl mit, dass die konservative Hälfte der Erwachsenen einen andauernd dazu bringen wollte, in der Vorweihnachtszeit Kerzen ins Fenster zu stellen. Oder Pakete zu verschicken.
Sonntag, 26. November 2017
Asozialticket in schwarzgelb
25,77 Euro pro Monat sind 2017 im Hartz-IV-Regelsatz von (noch) 409 Euro für Verkehr vorgesehen. Also für Mobilität, nicht für Verhütung. 37,80 Euro kostet momentan im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr das Sozialticket im Monat. Damit kann man im ganzen Stadtgebiet bzw. Kreisgebiet einen Monat lang fahren. Noch. Denn die CDU-/FDP-geführte Landesregierung will das Ticket in Nordrhein-Westfalen ab 2018 abschaffen. Die geschätzten 40 Millionen Euro, die man sich dadurch einzusparen erhofft, sollen in den Straßenbau fließen. Soso. Aha. Ein Kilometer Autobahn kostet zwischen sechs und 20 Millionen Euro. 40 Millionen will man einsparen, indem man das Sozialticket streicht. Davon kann man, so die obigen Zahlen korrekt sind, also zwischen zwei und sechs Kilometer Autobahn bauen bzw. instand halten. Wer schon einmal per Auto in NRW unterwegs war, der weiß: Wenn das die Verkehrssituation im Lande nicht schlagartig verbessern wird, dann hilft gar nix mehr.
Mittwoch, 22. November 2017
Kopflos, Weimar, Bullerbü
Man wird zweifellos alt. So hätte ich noch vor Tagen niemals gedacht, dass ich für Christian Lindner und die FDP mal so etwas wie Dankbarkeit empfinden würde. Ja, richtig gelesen. Lindner. FDP. Dankbar. Ich. Weil sie uns allen einen großen Dienst erwiesen haben, indem sie das Jamaika-Tauziehen einseitig gecancelt haben. Und dafür sogar in Kauf nehmen, zeitweise den traditionell der SPD vorbehaltenen Ehrentitel der Vaterlandslosen GesellenTM angepatzt zu kriegen. Denn wer sich weigere, eine Regierung zu bilden, so wird nunmehr im hohen Tone moralischer Empörung verfügt, der versündige sich am Gemeinwohl. Putzig, wenn welche, die sich kaum jemals etwas anderem als dem Eigennutz verpflichtet gesehen haben (ob nun dem eigenen oder demjenigen interessierter Kreise bzw. Peergroups), plötzlich das Gemeinwohl wiederentdecken.
Sonntag, 19. November 2017
Babylon Berlin
Da wurde, wie es heißt, auf Intervention des Berliner Kultursenators Klaus Lederer (Linke) die Verleihung des 'Karlspreises' (nicht zu verwechseln mit dem Aachener) an Ken Jebsen abgesagt, die im Berliner Kino 'Babylon' stattfinden sollte, und Teile des Netzes wähnen sich endgültig im Vierten Reich angekommen. Jetzt ginge es endgültig los, barmen sie in voller Ausübung ihrer Redefreiheit, Staatszensur, kein Zweifel, die Redefreiheit werde nunmehr endgültig abgeschafft.
Ist natürlich, wie so oft, hysterischer Quatsch. Die Ironie ist doch, dass nirgends der drohende Verlust von Meinungs- und Redefreiheit heftiger bejammert wird als dort, wo sie am hemmungs- und schrankenlosesten praktiziert wird. Jebsen darf weiterhin seine Webseite betreiben und sich öffentlich äußern, ohne dass ihm das jemand verbieten würde oder könnte. Nur gibt es kein Menschenrecht darauf, dass einem immer und überall ein Forum dafür geboten wird. Das Kino 'Babylon', in dem das Event steigen sollte, kassiert Fördermittel aus Steuern und muss es daher hinnehmen, dass die Politik sich beizeiten einschaltet, so vertraglich nicht anders geregelt. Wer damit ein Problem hat, muss sich nach einer anderen Location umsehen. Überdies scheint Lederer im Rahmen seiner Kompetenzen gehandelt zu haben, sollte das nicht der Fall gewesen sein, dann besteht die Möglichkeit, gerichtlich dagegen vorzugehen. Es wäre nicht der erste Prozess, den ein Bundesland verlöre und würde nicht der letzte bleiben.
Freitag, 17. November 2017
Tesla-Terror
Obwohl zeitweiser Autofahrer, hasse ich die Gurkerei meistens. Sicher, in einem netten Spaßwagen, vielleicht einem offenen Roadster, bei entsprechendem Wetter, die passende Musik dazu, über kurvige münsterländische Land- oder gebirgige Bergstraßen zu gondeln, dem könnte ich schon was abgewinnen. Die tagtägliche Karrerei aber, die vor allem darin besteht, sich über verstopfte Straßen quälen und die automobile Inkompetenz sowie das fehlende Sozialverhalten von geschätzt 30 Prozent imbeziler Mitverkehrsteilnehmer ertragen zu müssen, ist nichts weniger als nervig. Warum tue ich mir das noch an? Nun, weil ich manchmal doch ein Auto brauche, das Fahrrad nicht alle Probleme löst, Car Sharing in meiner Gegend nicht nennenswert vertreten ist und man sich als nicht allzu dolle Verdienender zwischen Dauerkarte für Öffis und Auto entscheiden muss. Leider.
Dienstag, 14. November 2017
Schmähkritik des Tages (12)
Heute: Heinz-Josef Bontrup über die absehbaren Folgen einer 'Jamaika'-Koalition
"Was soll im Ergebnis herauskommen, wenn sich vier neoliberale Parteien beziehungsweise ihr sogenanntes Spitzenpersonal auf eine Koalition verständigen? Die Prognose ist leicht: In vier Jahren wird es in Deutschland noch mehr Arme, Arbeitslose und prekär Beschäftigte geben. Der Umwelt wird es nicht besser gehen. Die Energie- und Klimaziele werden verfehlt werden. Die Altersarmut größer und die Vermögenden noch reicher sein. Die extreme Rechte wird weiteren Zulauf bekommen und am Verfall der EU wird die deutsche Jamaika-Regierung mit ihrer neoliberalen Wirtschaftspolitik kräftig mitgemischt haben. Am Ende bleibt 2021 nur gesellschaftlicher Jamaika-Frust. […]" (Heinz-Josef Bontrup in: Frankfurter Rundschau vom 13.11.2017)
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