Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Samstag, 20. Oktober 2018
Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (16)
In der Warteschlange an der Discounterkasse vermögen sich mitunter Welten aufzutun. So sprang mich heute die dort ausliegende Meistverkaufte der Nation mit der Headline an, Bestsellerautorin Charlotte Link gönge auf Merkel los. Hui, dachte ich, gedenken da am Ende zwei nicht mehr ganz juvenile Damen sich im Schlammcatchen zu üben? Nein, erfuhr ich näheren Blickes, die Unterhaltungsliteraturschreiberin, hieß es dort, sei der Meinung, es habe 2015 einen immensen Kontrollverlust gegeben, will heißen: Sie findet Merkels Flüchtlingspolitik eher nicht so gut. Nähere Recherchen meinerseits haben ergeben, dass die Lady am Vorabend zu Gast beim servilen Markus Lanz war und dortselbst die hoch originelle Einsicht zum Besten gab, wer nicht 100 Prozent auf Merkels Willkommenstrip sei, gölte als rechts außen.
Freitag, 19. Oktober 2018
Keep the Kreishaus!
Bitte die inferioren Handyfotos zu entschuldigen, ich hatte schlechtes Licht und die Linse nicht geputzt vorm Knipsen. Das Kreishaus, das Sie hier sehen, verehrte Leser*innen, ist Baujahr 1979 und liegt ein wenig versteckt in der Peripherie der Innenstadt. Vielleicht ist es bloß Nostalgie, aber ich mag diese Art öffentlicher Architektur sehr. Natürlich ist die Hütte kein großer Wurf und kein Schmuckstück. Es ist jene vielgeschmähte 'Sparkassenarchitektur', in der auch das ungeliebte Bundeskanzleramt in Bonn ausgeführt ist. Aber gerade die unmonumentale Unauffälligkeit und geschäftsmäßige Nüchternheit macht den Charme aus, finde ich. Da wird nicht geprotzt, da drängt sich nichts auf, es soll niemand beeindruckt oder eingeschüchtert und auch nicht groß repräsentiert werden. Betritt man das Gebäude, läuft man weiter auf Kopfsteinpflaster. Ein öffentliches Forum.
Dienstag, 16. Oktober 2018
Finis Bavariae
(wie wir es kennen)
Jo sog amal, wo leben wir eigentlich? Da geht eine Landtagswahl ungefähr so aus wie von Demoskopen seit Wochen und Monaten prognostiziert, in Bayern muss die CSU sich zum zweiten Mal in ihrer Geschichte in eine Koalitionsregierung bequemen (und wird das wohl auch in Zukunft tun müssen) und dann übertrifft man sich medial mit Katastrophen-Superlativen. Ein politisches Erdbeben! Ein Fiasko! Casca il mondo! Was soll nur werden? (Fürs Protokoll: Dass Mehrheiten sich ändern, gilt außerhalb Bayerns als ziemlich normaler demokratischer Vorgang.) Was werden soll, weiß natürlich keiner, weil man nicht in die Zukunft sehen kann.
Samstag, 13. Oktober 2018
Die Unreifeprüfung
Aufgabe: Interpretieren Sie den Songtext 'Aussa mit die Depf' der österreichischen Sängerin Hannah. Achten Sie dabei besonders auf die korrekte Verwendung geeigneter Fachausdrücke.
Der Text zum in alpenbairischer Mundart verfassten Song 'Aussa mit die Depf' ist in einfacher Strophen-Refrain-Form gearbeitetet. Nach einem kurzen Prolog ("He Weiberleit, was koch' ma heit?"), der die Grundstimmung des Kommenden vorgibt, folgt der Refrain, der allein aus dem Vers "He Weiber! Aussa mit de Depf - heut gibt‘s Nudeln!" besteht. Die Strophen sind jeweils aus vier Versen mit Endreim nach dem Schema aabb aufgebaut. Die Wahl dieser höchst konventionellen Form könnte darin begründet sein, dass eine möglichst breite Massenwirkung dieses eminent politischen Textes angestrebt wird.
Mittwoch, 10. Oktober 2018
Ronny des Monats - Oktober 2018
Bei allem Üblen, was so vor sich geht, sollte man das Positive nie vergessen. Möge man mich deswegen für einen unverbesserlichen Optimisten halten - bitte sehr, da kann ich mit leben. Aber ich brauch das nun mal, um nicht durchzudrehen. So fand ich es sehr erfreulich, dass Ronny und seine Spießgesellen ein paar Mal tüchtig ins Klo gegriffen und auch mal Gegenwind bekommen haben. Etwa, dass diverse rechte Musikveranstaltungen in Thüringen krachend gescheitert sind, weil die zuständigen Staatsgewalten ihren Job ernst genommen haben. (Moral: Geht alles, wenn nur der politische Wille da ist). Oder dass die AfD in Hamburg mit ihrer dämlichen Lehrerdenunziations-Hotline mit massenhaft Nonsens-Meldungen getrollt wird.
Sonntag, 7. Oktober 2018
Lob des Krempels
Ballast abwerfen ist ja das Gebot der Stunde. Radikal entrümpeln. Besitz belastet nur. Jeder dessen Hausrat nicht in zwei Kartons passt, ist ein krankhafter Messie und soll mal aufräumen, so geht die Fama. "Simplify your life!", predigt uns der frühere evangelische Pfarrer, spätere Zeichner frommer Witzbildchen und jetzige Oberentrümpler Werner Tiki Küstenmacher seit Jahren (und dürfte damit ironischerweise einiges an Mammon angehäuft haben, der ihn irgendwie so gar nicht zu belasten scheint). Erst wenn dein Heim aussieht wie eine leerstehende Wartehalle, dann wirst du erkennen, was wirklich wichtig ist im Leben, heißt es. Mag sein, aber ich mag nicht. Was, wenn ich es gerade faszinierend finde, dass das Leben eben nicht simpel ist, sondern komplex, kompliziert und manchmal eben unauflösbar schwierig?
Donnerstag, 4. Oktober 2018
Einigkeit und Recht und Freizeit
Gestern war ja wieder dieser Einheitsgedenktag, an dem immer frei ist. Den gedachte ich unter anderem dafür zu nutzen, im hübschen Bad der Nachbarstadt eine Runde zu schwimmen und hernach im herrlich temperierten Solebecken noch ein wenig zu entspannen. Da ich zudem für meine Verhältnisse recht früh auf den Beinen war, dachte ich: Mach dich zeitig auf den Weg, dann hast du eine Chance, halbwegs ungestört ein paar Bahnen zu ziehen. Guter Plan. Hatte ich mir so gedacht. In der Theorie. Als ich auf den Parkplatz einbog, sah ich nur noch Volksmassen in allen Farben, Formen, Größen und Altersgruppen strömen. Und zwar dummerweise fast ausschließlich hinein. Also Plan gecancelt. Dumm gelaufen. Zuerst geärgert, dann aber dachte ich: Dass so viele Menschen an diesem Tag offenbar wichtigeres und Schöneres zu tun zu haben, als daheim vor der Glotze dieser 'Deutschen Einheit' zu gedenken, kann kein ganz schlechtes Zeichen sein. Und ward wieder ein wenig versöhnt mit dem Tag.
Dienstag, 2. Oktober 2018
Vermisches vom 2.10.2018
Was ich an der Causa Kavanaugh so interessant finde: Ich kann autoritäres Schulhofrowdy-Gehabe auf den Tod nicht ausstehen und es verursacht mir fast körperliche Beschwerden, wenn Leute immer wieder mit so was durchkommen. Es mag meinetwegen höchst unreif sein, aber es verschafft mir eine gewisse Befriedigung zu sehen, wie so ein Rumbrüller, Einschüchterer, Empörter, Aufdentischhauer und Backenaufbläser auch mal vor die Wand läuft mit seinem Rumbrüllen, Einschüchtern, Empören, Aufdentischhauen und Backenaufblasen, wie er vor laufenden Kameras und vor den Augen der Welt Gegenwind bekommt und es gar nicht fassen kann. Ob er den Job am SCOTUS am Ende bekommt oder nicht (man wird schon einen Weg finden) - egal, allein das war es wert.
Sonntag, 30. September 2018
Warum, ach sag', warum
Michael Spreng, seines Zeichens ehemaliger Chefredakteur des meistverkauften Presseerzeugnisses der Nation, muss sich doch sehr wundern. Wieso ist sein früherer Arbeitgeber in letzter Zeit bloß so komisch? Die Gazette "[...] zersetzt [...] systematisch den Respekt vor den Institutionen und Repräsentanten des Staates und delegitimiert die liberale deutsche Demokratie. Die Zeitung macht sich damit freiwillig oder unfreiwillig zur Vorfeldorganisation der AfD." Der nicht mehr gar so neue Schriftleiter "[…] Julian Reichelt hat offenbar eine Truppe von selbsternannten Kriegern um sich geschart, die glauben, sie lägen im Schützengraben und müssten nicht nur die Kanzlerin, sondern auch den liberalen Rechtsstaat sturmreif schießen.“ Büschen viel Weltkriegsmethaphorik. Egal.
Freitag, 28. September 2018
Patriarchat, fortgeschrieben
Sicher, es sind die USA und die sind - Platitüde - in vielem anders. Einigen wir uns vielleicht darauf: Richter, egal wo und welcher Instanz, sollten zunächst einmal über den nötigen Sachverstand verfügen, ihren Job ordentlich zu erledigen. Weiterhin steht nirgendwo geschrieben, dass Richter moralisch zu 100 Prozent integer sein müssen. Und nein, Richter müssen auch keine Heiligen sein, es wäre weltfremd, geradezu kindisch, das zu erwarten. Ein Bewusstsein aber, eine Art Kompass für das, was richtig und falsch ist, muss man schon erwarten von einem Richter. Ferner eine Fähigkeit zur Reflexion, sich in die andere Seite hineinversetzen zu können. Ich mit meinem laienhaften Verständnis von Rechtsprechung wüsste jedenfalls nicht, wie man sonst Recht sprechen könnte.
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