Samstag, 2. Juni 2018

Werner zum 13. - ouhauerha!


Als Rötger Feldmanns alias 'Brösels' 'Werner'-Comics in den Achtzigern zuerst erschienen, hatte es so was noch nicht gegeben. Sie wirkten, als habe sie jemand mal eben hingetuscht (was sie nicht waren) und es hab Mut zum Absurden (man sollte bedenken, dass Monty Python zu der Zeit in Deutschland noch weitestgehend unbekannt war). Die Alben waren zusammengebastelt aus längeren Geschichten und Einseitern. Werner, gelernter Installateur und Motorrad-Fan, ging keiner Bierflasche ('Flaschbier') aus dem Weg, und wenn am nächsten Morgen der Kopf drückte, gab es 'Tasskaff'. Zucker fürs Gemüt, wenn er blasierte Popper und deren Vespas - klöter! - mit dem Chopper überfuhr. Zu Hochform lief Brösel auf, wenn er sich Geräusche ausdachte, die Werners alte Horex machte, wie etwa 'farz', 'schigger schigger schigger', 'öttel' oder 'verschleiß'. Oder wenn er sich autobiographisch an seinem ehemaligen Lehrherrn abarbeitete, indem er einen jüngeren Werner auf den Installateurmeister Röhrich losließ.

Es kommt durchaus häufig vor, dass Nebenfiguren im Comic, aber nicht nur dort, die eigentlichen Stars sind. Weil denen die scheitern, jene tragische Dimension innewohnt, die die meist eindimensionalen Helden vermissen lassen. (Nichts fuchst Strebertypen und Richtigmacher übrigens mehr, als wenn den Schul- und Studienabbrechern mit Knick im Lebenslauf die Herzen zufliegen und nicht ihnen.) Micky Maus, der Musterbürger, der stets brav seine Rechnungen bezahlt und dem immer alles gelingt? Langweilig! Keine Figur des Walt-Disney-Universums reicht in Puncto Popularität an den cholerischen Loser Donald Duck heran. Auch bei 'Asterix' ist es nicht die clevere, überlegte Hauptfigur, sondern der (nicht) dicke, dabei hochsensible, zutiefst romantisch veranlagte Gourmand Obelix, mit dem man mitfühlt und mitleidet. In der Welt von Spirou und Fantasio mauserte sich der chaotische Sidekick Gaston bald zum eigentlichen Liebling und bekam eine eigene Comicserie.

Somit ist es auch nichts ungewöhnliches, dass die Figur aus dem Brösel-Universum, die über die Jahre wohl am besten funktioniert hat, nicht die Hauptfigur Werner ist, sondern die des erwähnten Meister Röhrich. Röhrich ist eine nicht wirklich bösartige, aber hoch komische und punktgenau getroffene Karikatur eines deutschen Handwerksmeisters der Nachkriegszeit und vielleicht Brösels eigentliches Meisterwerk. Schusselig, spleenig, eigentlich komplett unbegabt als Handwerker, umständlich im Geiste und immer für Stunts gut, die eine Baustelle in einen rauchenden Trümmerhaufen verwandeln. Wenn er nicht gerade ein 'Schnüffelstück' setzt. Mein seliger Großvater war Elektromeister und Röhrich in vielem ähnlich, auch darin, dass er mitunter ordentlich Flurschaden hinterlassen und etliche Stromschläge kassiert hat im Leben. Über weniges können mein Vater und seine Brüder sich so kaputtlachen wie über Brösels Röhrich-Geschichten. 

Dagegen stinkt Werner selbst, dessen Leben sich im wesentlichen um Bölkstoff, an technisch veralteten Motorrädern rumzuschrauben bzw. sinnfrei und geräuschvoll auf ihnen durch die Gegend zu brettern sowie doofe Polizisten bzw. andere Autoritäten zu foppen dreht, schon ein wenig ab. Daher wurden die Geschichten, in denen Werner nicht als Röhrichs Lehrling auftritt, auch immer aufgeblasener, immer länger, komplexer, durchkomponierter und alberner. Die schwarzweißen Krakelzeichnungen wurden bunt, später computercoloriert. Eigentlich ist es kein Problem, dass die Figur Werner nicht altern darf. Permanente Gegenwart heißt das Prinzip und ist in Comics eher die Regel denn die Ausnahme. Dürfte sie altern, die Figur, dann wäre Werner heute vermutlich ein längst alkoholabstinenter Familienvater mit Häuschen im Grünen, der am Wochenende gelegentlich die geliebte Horex ausführe und von den alten Zeiten träumte. Oder Insasse einer Trinkerheilanstalt.

Altern ist nicht immer einfach. Auch Rötger 'Brösel' Feldmann kann ein Lied singen davon. 68 ist er inzwischen. Trinkt kaum mehr Bier, sondern meist Pfefferminztee, fährt nur noch selten Motorrad, ernährt sich gesund und liegt um acht im Bett. Von den Gewinnen ist kaum was geblieben. Pech, schlechte Berater, falsche Freunde, Fehlinvestitionen. Aber er klagt nicht. Jetzt erscheint nach 14 Jahren ein 13. 'Werner'-Band namens 'Wat nu?'. In dem geht es zum einen um eine Neuauflage des legendären Rennens von 1988, dem ersten Höhepunkt der 'Werner'-Welle, bei der der 'Red Porsche Killer' dieses Mal wirklich siegen soll. Zum anderen darum, dass Fracking Werners Leib- und Magenbrauerei in ihrer Existenz bedroht, was den Klempnerlehrling auf die Barrikaden bringt. Feldmann mag kein Intellektueller sein, aber er ist ein kluger Kopf. Weil er genau weiß, wie konservativ und nostalgisch das 'Werner'-Publikum tickt, spricht vieles dafür, dass der neue Band und das neuerliche Rennen, das im August tatsächlich stattfinden soll, Erfolge werden.

Mit Werner zu altern ist auch nicht leicht. So wenig saufen zwingend etwas mit Hedonismus zu tun hat, macht es einen noch nicht zu einem progressiven Anarchisten, wenn man frech zu Polizeibeamten, TÜV-Prüfern und Chefs ist ("Werner, du bist ein Querulant!"). Nutzt sich alles irgendwann mal ab. Ferner, und das ist der Punkt, verbirgt sich hinter seiner unangepassten, antiautoritären Fassade ein erzreaktionärer Kleinbürger, der seine aufgesetzte Lockerheit mitunter schnell ablegt. Wenn er dann zum Kämpfer wird, dann nicht zu einem für das Gute, sondern bloß für die eigenen Interessen.

Das vordringliche Lebensziel Werners und seiner Kumpels vom Zweiradverein um den wohl schwerhörigen und deswegen permanent rumbrüllenden Präsi ist nämlich, dass das Leben um Himmels Willen auf ewig so bleibt wie es ist. Veränderungen jeglicher Art, Innovationen gar, sind böse und daher prinzipiell zu bekämpfen. Die Motorräder und deren Technik haben spätestens aus den Fünfzigern zu stammen, man betrinkt sich stets mit demselben Bier und hängt bis ins kühle Grab mit denselben Leuten ab. Kann man alles selbstverständlich machen, nur ist der Grat zwischen Prinzipientreue und Verbohrtheit mitunter schmal. Verwechselt man beides, dann wird man leicht zum peinlichen Sonderling, der sich mit aller Gewalt dagegen stemmt, dass die Welt sich weiterdreht. Das Ergebnis ist nicht selten Doppelmoral.

Ist es etwa keine Doppelmoral, wenn eine Comicfigur, die einerseits nichts so sehr liebt, wie mit obsoleten Verbrennungsmotoren die Umwelt zu verpesten (und vollzulärmen), andererseits zum glühenden Naturschützer wird, sobald er seine kleine Welt gefährdet wähnt? Oder wenn ihr Zeichner, der in seinem jüngsten Elaborat Fracking anprangert, seit Jahren kein Problem hat, Werbung für einen großen Mineralölkonzern zu machen? Es ist daher vielleicht ein bisschen dünne, passt aber ins Bild, wenn Werner im jüngsten Band allein deswegen gegen Fracking in der norddeutschen Tiefebene kämpft, weil die Brauerei schließen muss, die seinen geliebten Bölkstoff herstellt. Leidet man mit so jemandem, fühlt man mit ihm? Nein, man sagt sich innerlich: Meine Güte, dann steig' halt auf ne andere Biermarke um. Davon geht die Welt weiß Gott nicht unter.

Werner sei jetzt Wutbürger, meint Timur Vermes. Das stimmt meines Erachtens nicht ganz, denn das war er schon immer. 1982, im zweiten Band, wird er von zwei Kumpels gefragt, was sie wählen sollten. Er antwortet sinngemäß, Wählen bedeute nichts anderes als die Wahl zu haben zwischen drei verschiedenfarbigen Haufen Scheiße. Als Werner nach großem Igitt verschwunden ist, sagt der eine zum anderen: Der hat noch was vergessen - grüne Flitzkacke. Haha, wie frech aber auch! Und hochaktuell. Mit dem Unterschied, dass die Palette heute noch um dunkelrote und wirklich braune Scheiße reicher ist. Auch wenn letztere blau lackiert ist.



1 Kommentar :

  1. Meister Röhrich als herausragende Nebenfigur – für mich überraschend, aber hat was, der Gedanke.

    Die zukunftsträchtigste(n) Nebenfigur(en) haben sich selbst rausgekickt. In einem Comic, an den ich mich noch deutlich erinnere, notiert Werner am Ententeich eifrig Entenwitze – die ihm die Enten erzählen. Als er die Mappe einpackt, belästigen ihn die Enten mit Copyright- und Merchandising-Ansprüchen. Werner verlässt das Szenario, die Notizblätter achtlos auf den Boden fallen lassend.

    Wie gesagt. Die Enten hätten es werden können. Selber schuld!

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