Mittwoch, 27. Mai 2020

Schmähkritik des Tages (38)


Heute: Marina Hyde über Dominc Cummings

"Half an hour late on Monday afternoon - like he's Mariah Carey and not some spad in inside-out pants - the Islington-dwelling humanities graduate took to Downing Street’s rose garden. There, he delivered the most preposterous address to a nation since Tiger Woods stood in front of an audience, including his mother, and apologised to his wife and sponsors. The difference is that Woods had a problem with cocktail waitresses, while Cummings fucks entire public health messages in the middle of a deadly pandemic. Also, he’s not remotely sorry. [...]

Cummings’ university history tutor once described him as »something like a Robespierre«, »determined to bring down things that don’t work«. Five years after his revolution, Robespierre himself was deemed to be something that didn’t really work, and was »brought down«, to euphemise the business of being relieved of your head in front of an ecstatic mob. I must say I found the footage of Cummings being screamed at in his street on Sunday distinctly disturbing when set alongside his account of his family’s house having become a target for threats of violence. This is never right. [...]

Anyone who imagines [Boris Johnson‘s] defence of Cummings is born of loyalty is unfamiliar with the concept »Boris Johnson«. This is actually a simple story: man with no ideas is too terrified to sack his ideas man. Or to put it in the complex intellectual terms it deserves, some street heckler once shou
ted at David Hasselhoff: »Oi! Hasselhoff! You’re nothing without your talking car!« Cummings is the talking car to Johnson’s Hasselhoff." (The Guardian, 26. Mai 2020)

Anmerkung: Boris Johnsons Chefberater Dominic Cummings gilt als sinistrer Mastermind hinter dem britischen Premier, der sowohl dessen erfolgreichen Wahlkampf als auch die 'Brexit'-Kampagne orchestriert hat. Ostern galt in Großbritannien eine "offizielle Richtlinie der Regierung […], dass Menschen mit Corona-Symptomen sich für sieben Tage und ihre Familienangehörige für 14 Tage in Hausquarantäne begeben sollen." Auf die gab Cummings einen Dreck, indem er und seine Frau zu seinen Eltern in die 400 km entfernte Grafschaft Durham fuhren und er trotz Corona-Symptomen mit seiner Familie Ausflüge unternahm.

Das zu bedauern oder sich zu entschuldigen, hielt Cummings für unangebracht, wie er auf der erwähnten Pressekonferenz zu Protokoll gab. Bei seiner Autofahrt habe es sich um einen Test gehandelt, ob sein Sehvormögen gelitten habe oder nicht. Auch sonst habe er alles richtig gemacht. Sein Chef Boris Johnson attestierte seinem wichtigsten Mann, "verantwortungsvoll, legal und mit Integrität" gehandelt zu haben und bezeichnete dessen Erklärungen als "plausibel".

Es ist absolut nichts Neues bzw. kann nicht mehr wirklich überraschen, dass Menschen ab einer gewissen Fallhöhe dazu neigen zu glauben, allgemein verbindliche Regeln und Vorgaben gelten immer nur für das gemeine Volk, keinesfalls aber für sie selbst. Bzw. sie hätten ob ihrer Wichtigkeit alles Recht, sich darüber hinwegzusetzen. Eine Schraubenumdrehung weiter ist hier allenfalls die Dreistigkeit, mit der das geschieht und die offene Verachtung für die Öffentlichkeit, die sich in den absurden Ausreden offenbart, die der hochintelligente Cummings der Presse hinwarf. Postdemokratie in Aktion eben.


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Übersetzung (ohne Gewähr):

"Am Montagnachmittag betrat der in Islington lebende Absolvent der Geisteswissenschaften den Rosengarten von Downing Street - eine halbe Stunde zu spät, als sei er Mariah Carey und nicht ein Spargeltarzan, dessen Hose auf links sitzt. Dort hielt er die absurdeste Ansprache an eine Nation seit Tiger Woods sich vor Publikum, darunter seine Mutter, bei seiner Frau und seinen Sponsoren entschuldigte. Der Unterschied ist, dass Woods ein Problem mit Bardamen hatte, während Cummings mitten in einer tödlichen Pandemie alle Sicherheitsvorkehrungen in die Tonne trat. Das tat ihn auch nicht im geringsten leid. […]

Cummings früherer Tutor für Geschichte an der Uni beschrieb ihn mal als »eine Art Robespierre«, »entschlossen, Dinge zu Fall zu bringen, die nicht funktionieren.« Fünf Jahre nach seiner Revolution wurde Robespierre seinerseits zu etwas gemacht, das nicht mehr wirklich funktionierte und wurde »zu Fall gebracht«, um den Vorgang, unter allgemeinem Hallo eines jubelnden Mobs seines Kopfes beraubt zu werden, ein wenig freundlicher zu schildern. Ich muss sagen, ich fand das Filmmaterial, in dem Cummings auf offener Straße angepöbelt wurde, ziemlich beunruhigend, wie auch die Tatsache, dass sein Privathaus zur Zielscheibe von Gewaltandrohungen geworden ist. So etwas ist niemals richtig. […]

Jeder, der nun denkt, Boris Johnsons Verteidigung Cummings' geschähe aus Loyalität, ist nicht vertraut mit dem Prinzip 'Boris Johnson'. Eigentlich ist die Geschichte einfach: Mann ohne Ideen ist zu feige, seinen Ideenmann zu feuern. Oder, um es in einen der Komplexität angemessenen intellektuellen Rahmen zu bringen: Ein Pöbler rief David Hasselhoff mal zu: »Ey, Hasselhoff, ohne dein sprechendes Auto bist du nichts!« Cummings ist Johnsons sprechendes Auto."




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