Sonntag, 24. Mai 2020

Jenseits der Blogroll - 05/2020


Die Links und Fundstücke des Monats. Beginnen wir aus aktuellem Anlass mit der Rubrik Corona.

"Diese Männer werden in einem eigenen Raum zurückgelassen. Sie finden keinen Zugang zur Problematik und suchen verzweifelt nach einem Punkt, an dem sie ansetzen können. Anstatt innezuhalten und sich zu fragen, was das alles bedeutet, vergraben sie sich in Daten und spielen mit Statistiken herum, von denen sie selten wissen, welche Bedeutung sie haben und wie diese Daten überhaupt zustande kommen. Begriffe wie Triage, Durchseuchung, Herdenimmunität, Risikogruppen mit Vorerkrankung werden einfach so in den Raum geworfen, als wenn automatisch alle etwas damit anzufangen wissen. Sie graben und graben und finden nichts und rufen ihr Unverständnis in die Welt hinaus. Aber plötzlich werden ihre Ängste und Sorgen nicht mehr wahrgenommen, niemand will ihnen zuhören und entgegenkommen. Im Gegenteil sie werden als Störenfriede der Debatte wahrgenommen! Also wird noch lauter gerufen."

-- So heißt es in einem lesenswerten längeren Artikel von Ariane auf Deliberation Daily über die Coronakrise, hochintellektuelle weiße Männer wie Jakob Augstein und sie.

Georg Seeßlen über Freiheit in Zeiten von Covid-19.

Dirk von Gehlen ist des fruchtlosen Diskutierens mit den Wahnwichteln unter den Hygienedemonstranten müde und gibt ihnen fünf abschließende Sätze mit auf den Weg.

Onkel Michael erklärt, wieso Mai Thi Nguyen-Kim mit (verbalem) Unrat beworfen wird.

Henning Hirsch: Die Wohlstandsverwahrlosten.

"Ich glaube, dass wir Deutschen gelernt haben endlich nicht mehr herumzubusseln und sich bei Begrüßungen abzuschlecken. Was den Handschlag betrifft, so kann man den getrost auch abschaffen. Er hat sowieso längst nicht mehr die Bedeutung, die ich mit meinem Tierarztvater auf dem Viehmarkt erleben konnte, als man einen Gemeindebullen kaufte und die vielen tausend Mark mit einem Handschlag besiegelte. Den Managertypen, die bei einem Coach gelernt haben wie man mit Handschlag seinem Gegenüber den Ehering zertrümmert, um zu zeigen wer hier der Chef ist, denen konnte man sowieso nicht trauen." (Vincent Klink)

Politik. Stefan Laurin hält die Kontroverse um den von der Ruhrtriennale ausgeladenen Achille Mbembe für ein gutes Zeichen. Denn: Die Räume für Antisemiten werden enger.

"Achille Mbembe mag daherreden, wie er will. Es kommt auf einen törichten Intellektuellen mehr oder weniger nicht an. Aber es ist bedauerlich, dass Verlagslektoren, Stiftungskomitees, Festivalleiterinnen und womöglich sogar Kulturbeauftragte in Ministerien nicht lesen, was dasteht. Dass sie sich nicht die Zeit nehmen zu prüfen, wen sie zu einer großen Figur erklären. Gar zu einer moralischen Instanz." (Jürgen Kaube)

Wer "töricht" ein zu hartes Urteil findet, kann sich in dieser Artikelserie einen Einblick in die Arbeit Achille Mbembes verschaffen, für die er kritisch angegangen wurde: Teil 1 - Teil 2 - Teil 3 - Teil 4

Für George Packer sind die USA unter Trump ein Failed state.

Mischa Meier über den Mythos 'Völkerwanderung'. Die wurde gern als Erklärung herangezogen, wieso das Weströmische Reich im 5. Jahrhundert letztlich verschwand. Diagnose: Unter dem unkontrollierten Ansturm fremder Völkerscharen kollabiert. Kein Zufall, dass das ab 2015 wieder populär wurde. Aber: "Die Vorstellung, homogene Entitäten hätten sich um die Zeitenwende in Skandinavien auf den Weg gemacht, um Jahrhunderte später als Vandalen, Goten, Burgunder oder Franken in die römische Welt einzudringen, beruht auf einem romantischen Volksbegriff des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, der sich empirisch [...] und historisch [...] als obsolet erwiesen hat." (Meier, ebd.)

Kultur/Bildung. Nils Markwardt über Wissenschaftskommunikation in Zeiten von Corona.

Benjamin Edelstein zeichnet nach, wie konservative und kirchliche Kräfte nach 1945 in Westdeutschland eine grundlegende, von den Westalliierten geforderte Reform des quasiständischen dreigliedrigen Schulsystems verhinderten.

Inka Sauter über 'Volksthum' und andere 'Thumheiten'.

Musik. Die Tage ist Pete Townshend 75 geworden. Muss man nicht viele Worte machen, die viele andere schon gemacht haben. Man kann aber daran erinnern, dass der Mann auch ohne die Kollegen von 'The Who' überaus Gültiges rausgehauen hat. Zum Beispiel das Album 'White City' von 1985. Daraus live 'Give Blood'. Neben Mr. Townshend geben sich David Gilmour (Gitarre), Pino Palladino (Bass) und Simon Phillips (Schlachzeuch) die Ehre:


(Video im erweiterten Datenschutzmodus eingebettet. Anklicken generiert keine Cookies.)

Uwe Ebbinghaus analysiert sehr detailliert die Texte von 'Do kanns zaubre' und 'Verdamp lang her', die er zu Wolfgang Niedeckens besten zählt. Die beiden genannten gehören sicher zu seinen persönlichsten und auch phonetisch stärksten, wie Ebbinghaus auch überzeugend herausarbeitet. In Puncto Bildgewalt und verbalem Wumms aber reicht für mich nichts an 'Kristallnaach' heran.

Sport. Guido Kratschmer, inzwischen 67, galt für die Olympischen Spiele 1980 in Moskau als sicherer Titelfavorit im Zehnkampf. Dann kam der Boykott, an dem die BRD sich beteiligte, Großbritannien aber nicht. So gewann der britische Weltrekordler Daley Thompson Gold. Kratschmers Chancen waren in der Tat groß, denn gerade drei Wochen nach den Spielen überbot er Thompsons Weltrekord. Im Interview mit Frank Ketterer räumt er auch ein, dass er an den Folgen des Boykotts lange zu knabbern hatte.

Essen, Trinken, gutes Leben. Na, kennt sich jemand aus mit den ganzen Mehltypen und den dazugehörigen Zahlen (405, 550, 00,…) oder kryptischen Bezeichnungen wie 'vollgriffig'? Hilfe ist unterwegs.

Noch einmal Uwe Ebbinghaus. Hier interviewt er Dr. Fritz Briem, ehemals Dozent an der Fachhochschule Weihenstephan. Unter anderem dazu, wieso Craftbeer überschätzt und die Qualität deutschen Bieres weithin unterschätzt wird.

Das Rezept des Monats. Von der werten Frau Ziii aus Wien und ihren wunderbaren Interpretationen der k.u.k.-Küche war hier schon öfter die Rede (genauer hier, hier und hier). Leider ist in ihrem Blog seit 2018 nichts neues mehr erschienen, was ewig schade ist. Aber es gibt noch immer genug zu entdecken. Wie man Paprikahendl macht zum Beispiel. Es gibt sogar ernsthaft etwas zu lernen für unsereins Nicht-Wiener: Nämlich wie man eine Sauce mit Saurer Sahne (10 Prozent Fett) bindet, ohne dass sie ausflockt. Ein Tipp: Das Geheimnis liegt im 'Gmachtl'. Und was des ist, sehn's, das lesen's bittschön selbst nach.





9 Kommentare :

  1. "Genuss im Stil der neuen Zeit",

    nur dass es keine Zigaretten mehr sind, die qualmen. ;-)

    https://img.zeit.de/2020/19/gescheitert-bild-1/wide__820x461__desktop

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  2. Mischa Meier unterschlägt leider einen wesentlichen Punkt.
    Rom hat immer auch ganze Verbände ins Reich gelassen, meistens germanische. Dabei wurden aber immer strikt zwei Regeln eingehalten:
    Es waren immer mehr Legionäre vor Ort als wehrfähige Zuwanderer.
    Die Gruppen wurden nie an einer Stelle angesiedelt, sondern immer verteilt.
    Als die Goten 376 ins Reich übertraten, gejagt von den Hunnen, waren sie schlicht zu viele (wahrscheinlich einige Zehntausend), um mit einer passenden Zahl von Legionen konfrontiert zu werden, Rom hatte nicht mehr genug Truppen.
    Allerdings waren die Goten bereit, das Reich mit den eigenen Leuten und Waffen zu verteidigen, Rom verspielte diese Chance aus purer Arroganz, nutzte sie aber später beim Stoppen von Attila.
    Leider entsteht auch hier der Eindruck, daß es Meier eher um Multikulti geht als um eine sachliche Analyse.

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  3. Stefan: "In Puncto Bildgewalt und verbalem Wumms aber reicht für mich nichts an 'Kristallnaach' heran."

    Jetzt haste mich aber wieder getriggert. Gruss von Ch. Nast. ;-)

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    1. @Art Vanderley: Ich habe das nicht als Multikulti-Propaganda o.ä. gesehen. Es geht lediglich darum, einen Volks- (und Migrations-)begriff des 19. und frühen 20. Jh. nicht einfach auf die Spätantike zu übertragen. Vgl. auch: hier (und Maier ausführlicher hier).
      @altauto: Huiii, ävver dissmol op Kölsch...

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  4. Zum Mehl: Der Ausmahlungsgrad sagt nichts über die ernährungsphysikalische Qualität aus. Wird z. B. das 1000er Mehl von der Mühle in Säcken angeliefert. ist davon auszugehen, dass bereits wertvolle Inhaltsstoffe durch die Oxydation verloren gehen. In Öko-Bäckereien wird dagegen das Korn selbst gemahlen ud sofort verarbeitet:

    Hutzel in Bochum garantiert z. B.:

    Alle Zutaten aus kontrolliert-biologischem Anbau (außer Salz und Trinkwasser)
    Verarbeitung von regionalem Biogetreide auf eigener Steinmühle
    Verzicht auf künstliche Backhilfsmittel und Zusatzstoffe
    Keine Gentechnik
    Handwerkliche Strukturen und Mitbestimmung
    Volle Transparenz und Kontrolle, vom Feld bis in die Backstube.

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  5. Endlich! Mehl-Werbung bei den Fliegenden Brettern. Wurde aber auch Zeit.

    Was ist mit Bonetti Media? Testsieger Stiftung Warentest („test“ 5/2020: sehr gut mit Sternchen).

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    1. Na ja, man muss halt das nehmen, was der Themensauger Bonetti einem so lässt...

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  6. @Stefan
    Danke für die spannenden Verlinkungen.
    Meier will wohl v.a. auf den völkischen, mindestens aber genetischen Volksbegriff raus, und da hat er Recht, der macht keinen Sinn. In seinem zweiten, deutlich besseren Artikel beschreibt er anschaulich, was für eine wüste Mischung diese Gruppen wohl tatsächlich waren.
    Wesentlich ist auch der Widerspruch zu bisherigen Thesen, die "Barbaren" hätten das Reich zerstört.
    Viele Germanen waren wohl stark fasziniert von Rom und wollten eigentlich Teil des Reiches werden, die Goten sowieso, aber auch die Vandalen, die zu unrecht des "Vandalismus" bezichtigt werden (zumindest in Bezug auf Rom, im eigenen Reich haben sie Andersgläubige und Homosexuelle verfolgt)
    Ergänzt werden darf vielleicht noch, daß manche Historiker sprechen von der sog."Reichsidee", die weit über die Lebenszeit Westroms hinausging, eine Idee der Zivilisation an sich ist und die
    eigentlich bis heute existiert.
    Der Wiener Artikel ist sehr stark darin, Migration weder zu verharmlosen noch zu dämonisieren. Brauchen wir mehr davon.

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