Sonntag, 23. August 2020

Aggressiv bodenständig


Ein Versuch über den momentan höchst erfolgreichen Witzeerzähler Markus Krebs

Vor kurzem meinte ein regelmäßiger hiesiger Leser, die jüngst verstorbene Witzestreubombe Fips Asmussen habe in einem gewissen Markus Krebs seinen würdigen Nachfolger gefunden. Der Gedanke ließ mich nun nicht mehr los. Zumal ich mit dem Œuvre des Herrn, der sich primär im Dunstkreis diverser, von mir gemiedener Privatsenderformate tummelt, vollständig unvertraut war. Also habe ich mich ein wenig umgetan. Mein Wissen über seine Arbeit beziehe ich vorwiegend aus dem zwanzigminütigen Auftritt 'Bonnie ohne Kleid – 1live Köln Comedy Nacht XXL 2019'. In der Hoffnung, damit einen halbwegs repräsentativen Zipfel seines Schaffens zu packen bekommen zu haben.

Und, wie war‘s? Sagen wir so: Die lustigste Humorshow aller Zeiten müsste eigentlich ein gemeinsamer Auftritt von Mario Barth und Markus Krebs sein. Weil minus und minus ja plus ergibt. Muhahaha! Das Problem ist: wenn Sie den verstanden haben, offenbaren Sie damit bereits jenen Rest an Bildung, der für den unbeschwerten Konsum eines Programms von Herrn Krebs eher hinderlich ist.

Doch das Positive zuerst: Das bei weitem sympathischte an ihm ist seine Webseite. Nur Infos über kommende Termine, sonst kein überflüssiger Schnickschnack. Gefällt mir. Ist selten geworden in diesen Tagen. Könnte auch Programm sein. Dazu später.

Eines jedenfalls ist Markus Krebs mit Sicherheit nicht, da muss ich gleich hier höflich aber bestimmt widersprechen: In irgendeiner Weise der Nachfolger Fips Asmussens. Wiewohl beide sich in Puncto Niveau nur wenig nehmen, sind sie doch unverkennbare Produkte ihrer jeweiligen Zeit und damit grundverschieden.

Asmussens Terrain war das, was man einst 'Herrenwitz' nannte. Das Prinzip des Herrenwitzes lebt von Grenzüberschreitung und funktioniert nur, solange noch Grenzen, zumindest Reste jenes Bewusstseins da sind, dass es einen Unterschied gibt zwischen öffentlich und privat, zwischen Dingen, die sich gehören und welchen, die sich nicht gehören. Zum Beispiel Intimes nicht in die Öffentlichkeit. In diesen digitalen Zeiten, in denen diese Grenzen zusehends verschwinden bzw. längst eingerissen sind, verfängt das kaum mehr. Also suchen welche sich neue Grenzen zum Überschreiten, und seien es imaginierte. Weswegen zum Beispiel ein Chis Tall so erfolgreich ist mit seiner ostentativ wie plump dargebrachten politischen Incorrectness.

Technisch arbeitete Asmussen mit der Schrotschuss-Technik: Er haute mittelgute bis grottenschlechte, überwiegend zotige Witze in solch schierer Menge und einer solch hohen Frequenz heraus, dass irgendwann zwangsläufig einer dabei war, den man doch irgendwie lustig fand. Und sei es bloß, weil er so schlecht war, dass er schon wieder gut war. Und dann hatte Fips, dieses schwere Maschinengewehr des Frohsinns, dich am Hacken. Dich mürbegeklopft. Weichgekocht. Sturmreif geschossen, um Bild zu bleiben. Und du hast mitgelacht. Auch über Dinge, von denen du wusstest, dass man darüber eigentlich nicht lacht. Vielleicht war das ja seine Kunst.

Bei Krebs ist das anders. Es geht vergleichsweise bedächtig zu. Wo Asmussen Grenzen überschritt, die zum Schluss kaum mehr existierten, geht Krebs den Weg in die Regression und nimmt uns mit in seine Welt. Er gibt den Typen aus der Kneipe, der immer einen auf Lager hat und noch einen und noch einen. Erzählt in einem fort Anekdötchen aus seiner Welt. Und beömmelt sich selbst am meisten darüber. (Wozu er gern einmal ein lustiges T-Shirt trägt. Etwa eines, auf dem geschrieben steht 'Brennholzverleih'.) Die einzige Uneindeutigkeit, die einem zugemutet wird, ist die, dass nicht ohne weiteres erkennbar ist, was an seiner Bühnenfigur Rolle ist und was Markus Krebs. Müsste ich das, was ich gesehen und gehört habe von ihm, mit einem Attribut belegen, dann fiele mir ein: Aggressiv bodenständig.

Diese Welt, in die er uns mitnimmt, ist höchst übersichtlich und dreht sich im Wesentlichen um die Fixpunkte Kneipe, Frauen und manchmal auch Autos. Das wahre Leben findet an der Theke statt und ähnlich wie bei Barth, in mancher Hinsicht sein Bruder im Geiste, erscheinen Frauen als eine Art notwendiges Übel. Nerven zwar rum, sind doof, aber nun mal unerlässlich zum frequenten Geschlechtsverkehr. Oder zumindest als Alibi, um vom halbschwulen Kneipenkumpelkreis nicht für homophil gehalten zu werden. Wenn Feminismus die Quittung für jahrtausendelanges Patriarchat sein soll, dann ist Markus Krebs vielleicht die für 100 Jahre Frauenbewegung und Feminismus, wer weiß.

Auch ein Studium kann eine Frau übrigens nicht retten. Denn zu viel Lernen macht in diesem Universum nicht klüger, sondern weltfremd. Auch in Krebsens Mikrokosmos regiert jene, im (meist verrohten) Restbürgertum sowie bei dem, was von der Arbeiterklasse übrig ist, felsenfest etablierte Geist-, Kunst- und Bildungsfeindlichkeit, die Bildung jenseits bloßer wirtschaftlicher Nutzbarkeit bloß mehr als elitäres Gedöns wahrnimmt, jedem kleinsten Ansatz von Verfeinerung mit teils heftigen Abwehrreaktionen begegnet und jedwede Ambition sofort als eitles Strebertum denunziert.

(Polemisieren gegen einen als ausschweifend, sexuell uneindeutig bzw. effeminiert empfundenen Lebensstil der Verfeinerung und des Genusses ('Zivilisation') bei gleichzeitigem Idealisieren der eigenen, bodenständigen, 'ehrlichen', urwüchsigen Lebensweise ('Kultur') ist übrigens ein antisemitischer und sehr deutscher Klassiker. Wurde abwechselnd mit Juden und Franzosen praktiziert. Lässt sich u.a. nachlesen bei Max Horkheimer (in 'Die Juden und Europa'). Das nur am Rande. Wollte es halt erwähnt haben.)

Heißt man nicht Hans Mentz, ist Humorkritik ein undankbarer Job. Es kippt schnell ins Dünkelhafte, wenn man an dem herumkritisiert, worüber andere sich so amüsieren und ich will da gewiss niemandem Vorschriften machen. Wenn ich nun sage, dass ich es während der gesamten 20 Minuten, die der Auftritt währte, nicht ein einziges Mal zuwege gebracht habe, auch nur zu kichern, dann liegt das nicht daran, dass ich‘s mir Gott weiß wie verkniffen hätte. Nein, es ging einfach nicht. Weil ich die Witze alle schon kannte. Von früher, von vor 30, 40 Jahren. Totgeritten, die Dinger. Kaliber: "Kommt ne Frau beim Gynäkologen!", "Ich hab ja auch mal innem Porno mitgespielt. Ich war der Ehemann, der am Anfang zur Arbeit geht." Wenn man sie nicht kennt, fühlt man sich doch an dieses Witzebuch erinnert, das man als Kind mal hatte.

Sicher, wie jeder ordentliche deutsche Witzarbeiter, kommt auch Krebs nicht über die Runden, ohne sich an vermeintlich Unterlegenen abzuarbeiten und sie der Lächerlichkeit preiszugeben. Ist man spätestens seit Stefan Raab so gewohnt. Nur muss man ihm zugute halten, dass er sich an ausgedachten Figuren abarbeitet und, anders als etwa ein Dieter Nuhr, keine realen Bevölkerungsgruppen in die Tonne tritt. Auch Rassismus ist bei ihm nicht ausmachen. Der Horizont, den er aufspannt, ist wohl schlicht zu eng dafür.

Immer wieder betont Krebs seine Duisburger Herkunft und seine Ruhrpott-Identität. Es ist die scheinbar so geordnete Welt der Siebziger und Achtziger vor dem großen Strukturwandel, die hier aufscheint. In der im Pott die Leute noch Arbeit auf dem Pütt hatten, mit der sich eine Familie ernähren ließ, der Opel vor der Tür stand, man noch Restvertrauen in die Politik hatte und in der es das größte Problem war, wenn das Bier alle war oder die Ische einem ein paar Fritten vom Teller klaute. Abgesehen davon, dass das nie wirklich stimmte und wenn, dann viel trister war, ist es ein geistarmer, tendenziell reaktionärer und trotz allen pubertären Sex-Geschwätzes auch kreuzbiederer Humor, der sich da vor einem entfaltet. Das ist Geschmackssache, aber nichts Verbotenes.

Die großen Fragen zum Schluss: Wie politisch ist Markus Krebs? Ist er überhaupt politisch? Was ist seine Rolle im System? Wie schon letztens erwähnt, ist nichts völlig unpolitisch, so vehement das auch immer betont werden mag. Obwohl Krebs Witzeleien keine oder kaum direkte politische Bezüge enthalten, sind sie deswegen nicht zwingend unpolitisch. Krebs bietet eine Flucht in eine übersichtlichere Welt, was bei vielen vielleicht nostalgische Gefühle auslösen mag. Das kann man fraglos blöd finden, problematisch ist da aber zunächst mal wenig dran. Wir haben alle unsere kleinen Fluchten.

Das bedeutet aber keineswegs, dass das nie zum Problem werden kann, im Gegenteil. Es bietet durchaus Andockstellen, die gewisse Milieus nutzen können, um die Krebsche Welt in ihr rückwärtsgewandtes, heimattümelndes politisches Weltbild zu integrieren. Studieren lässt sich das unter anderem am Beispiel eines Andreas Gabalier, der für sich in Anspruch nimmt, völlig unpolitisch zu sein und doch bloß die Herzen der 'einfachen Leut'' erfreuen zu wollen in dieser kalten, herzlosen Welt. Nur: von Markus Krebs ist derlei nicht bekannt.

So bleibt er bis auf weiteres, was er ist: Jemand, der mit dem professionellen Erzählen abgestandener, teils sexistischer, teils misogyner Witze, die man natürlich so finden kann oder so, ein berufliches Auskommen gefunden hat. Damit trägt er, gewollt oder nicht, mindestens bei zum weiteren Sedieren und Dummhalten der Massen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das allerdings ist ein Vorwurf, den man irgendwie jedem in der Unterhaltungsbranche Tätigen machen kann.






13 Kommentare :

  1. Was Asmussen und Krebs gemeinsam haben, ist die zusammenhanglose Aneinanerreihung von Kalauern, die beide vermutlich bei einem Besuch der Ceops-Pyramiden den in Stein gmeißelten Hyroglyphen entnommen haben. Alt und verstaubt. Zum Teil peinlich und zum Fremdschämen. Die Hohenpriester des Vergnügungspöbels.

    Der Schriftstellerin Gabriele Wohmann wird die Äußerung zugeschrieben, an den Vergnügungen einer Gesellschaft erkenne man ihr Elend.

    Paul Panzer und Rolf Miller sind da eine ganz andere Liga. Originell und kreativ.



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    1. Miller kreativ? Da wäre ich doch mal da auf Beispiele gespannt.

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    2. Beispiel: https://www.youtube.com/watch?v=scTFTYZb-QE

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    3. Paul Panzer? Nur doof.
      Der Echte fährt übrigens Achterbahn und schaut sich die schöne Scheisse mal von oben an.

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    4. Geht. Sowas bringt Priol in ein paar Nebensätzen pointiert unter. Aber da gehen die Geschmäcker wohl auseinander. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich mit Profifußball so gar nichts anfangen kann und will. Das war das einzig Gute bei Corona, dass einem eben keiner mit seinem Verein kam....

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  2. Müller als Stereotyp des Odenwälder Kleinbürgers...Klasse...das Problem ist, dass viele Leute heute das nicht mehr interpretieren können und wollen, siehe Frau Eckart...

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  3. "Weil minus und minus ja plus ergibt. Muhahaha!"

    Ist halt peinlich, wenn man auf die Dummheit anderer hinweisen möchte und ein Beispiel falsch darstellt. Müsste natürlich heißen: Weil minus MAL minus ja plus ergibt.

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  4. Über Krebs kann ich wenigstens je nach Stimmung noch lachen, beim Lesen dieses Beitrags hoffte ich bis zur letzten Zeile auf eine Pointe, oder etwas, was mir irgendwas bringen könnte, aber final konnte ich da nichts anderes als Intelektuelle Selbstbeweihräucherung vom Feinsten erkennen. Schreiben als Therapie. Leider wird man für das Lesen, nicht wie ein Therapeut für das Zuhören bezahlt, und hat man es dann durchgelesen, kann man auch nicht mehr zurück.

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    1. Anonym: Wer über diese proletigen Witze lachen kann, der hält auch den Wendler für einen begnadeten Sänger. Ist dieselbe Kulturschublade. Unterirdisch.

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    2. Witze können meinetwegen gern proletig/platt/versaut oder sonstwas sein, die Welt ist kein Volkserziehungsheim. Nur witzig sollten sie halt schon sein.

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  5. Eine kleine Korrektur: Das Ruhrgebiet, welches Markus Krebs beschreibt, ist mitnichten das ,,Komma lecker bei mich bei!''-Ruhrgebiet der Kohlekumpel, sondern das aktuelle, abgeranzte und arbeitslose.

    Ich persönlich finde ich ja schon lustig, aber ich hatte als Kind wohl einfach nur ein anderes Witzebuch. ;-)

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