Sonntag, 6. Juni 2021

Vermischtes und Zeugs


"Über Nacht soll Sachsen-Anhalt werden, was es nicht sein kann: der Nabel der Republik." (Ulrich Horn)

Anlässlich der heutigen Landtagswahl im Sachsen-Anhaltinischen wird es mal wieder Zeit für eine Medienkritik. Genauer gesagt, an der Praxis, die Wahl zum 'Stimmungstest' für ganz Deutschland aufzublasen. Das Problem daran ist: Um ein Stimmungstest zu sein, müsste das Land einigermaßen repräsentativ sein. Ein paar Fakten: Sachsen-Anhalt ist ein eher ländliches Bundesland mit gut 2 Millionen Einwohnern. Die beiden einzigen Großstädte mit über 100.000 Einwohnern sind Halle an der Saale und die Landeshauptstadt Magdeburg mit jeweils knapp 250.000 Einwohnern. Was ist daran repräsentativ?

Überhaupt werden Landtagswahlen überschätzt. Lange Zeit wäre es zum Beispiel völliger Kokolores gewesen, die Wahlen in zwei der größten Bundesländer, Bayern und Nordrhein-Westfalen nämlich, als Trendbarometer für die ganze Republik zu verstehen. Weil dort jahrzehntelang SPD und CSU die abonnierten Seriensieger waren, in Bayern meist mit absoluter Mehrheit. Man muss weder Wanderwitz heißen noch Demoskop sein, um hohe Stimmenanteile für die AfD zu prognostizieren. Die Gleichung lautet seit über 20 Jahren: ostdeutsch plus ländlich gleich Erfolge für Rechte. Fun fact: Sachsen-Anhalt hat eine vergleichsweise niedrige Arbeitslosenquote. Stimmung!

***

Im Jahr 2012 wurde der Europäischen Union der Friedensnobelpreis verliehen. Da stellt sich für mich als Bürger der EU die Frage: Darf ich mir 'Friedensnobelpreisträger 2012' auf die Visitenkarte drucken lassen?

***

Apropos AfD: Wenn mich wer dumm anmacht und etwa auf einem öffentlichen Parkplatz sagt: "Hey, das ist MEIN Parkplatz!", oder im Schwimmbad: "Heee, das ist MEINE Bahn!" -- dann gebe ich, wenn ich gut gelaunt bin, zur Antwort: "Echt, die haben Sie gekauft? Kann ich mal die Quittung sehen bitte?" Daran muss ich immer denken, wenn ich den Slogan "Hol’ dir dein Land zurück!" sehe, mit dem die AfD auf Tour ist. Und ich dann immer so: Woher nehmen AfD-Wähler und -Sympathisanten eigentlich die Gewissheit, dieses Land gehöre ihnen? Oder: Welches meinen die genau? Wahrscheinlich das ohne Klima- und Genderwahn und ohne Corona-Maßnahmen. Das, in dem Politiker, die nicht machen, was der Peergroup genehm ist, nicht abgewählt, sondern nach alter Väter Sitte und Brauch als 'Volksverräter' ihrer gerechten Strafe zugeführt werden? Oder meinen die das mit dem Matterhorn?

***

Der von mir weniger aus Gründen des Boykotts denn des Desinteresses nicht geschaute Sender Sat.1 hat nach massiver Kritik das Format 'Plötzlich arm, plötzlich reich' aus dem Programm genommen. Nach allem, was so zu erfahren war, mit recht. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Es gibt kein 'Unterschichtenfernsehen' (es gibt schließlich auch kein 'Oberschichtenfernsehen'). Schon gar nicht bei Privatsendern. Unterschicht ist nämlich keine werberelevante Zielgruppe. Derlei sozialpornographische Formate richten sich an die Mittelschicht. Zwecks Selbstvergewisserung. Boaaa, kuck mal, die Asozialen! Wie die sich gehen lassen! Die brauchen sich doch echt nicht zu wundern. Wie gut, dass wir da gaaanz anders sind, gell...






4 Kommentare :

  1. Und ich dann immer so: Woher nehmen AfD-Wähler und -Sympathisanten eigentlich die Gewissheit, dieses Land gehöre ihnen? Oder: Welches meinen die genau?

    Und was sagt eigentlich die AfD zur Vertreibung von Mietern durch Modernisierungen?

    AntwortenLöschen
  2. Beim Unterschichtenfernsehen würde ich wiedersprechen. Trotz mangelnder statistischer Gewissheit würde ich behaupten, dass vor allem arme Familien, denen Langzeitarbeitslosigkeit und Hartz IV nicht fremd sind, solche Sachen schauen.

    Die reiche Familie schaut so etwas nicht. Wir, das Akademikerpärchen, schauen so etwas nicht.

    Da gibt es doch sicher Untersuchungen...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Statistiken sind schwer zu finden. Ich konnte die Bachelorarbeit von Frau Heil auftreiben. Ab S. 59 lässt sich was finden, das auf die 'bürgerliche Mitte' (Sinus-Milieu) als Hauptzielgruppe hindeutet.

      Löschen
  3. Im Jahr 2012 wurde der Europäischen Union der Friedensnobelpreis verliehen. Da stellt sich für mich als Bürger der EU die Frage: Darf ich mir 'Friedensnobelpreisträger 2012' auf die Visitenkarte drucken lassen?

    Dann könnte man auch "Papst" auf die Visitenkarte drucken lassen, das waren "wir" doch auch mal. Oder "Weltmeister" oder was weiß ich noch alles.

    P.S.: Bestimmt ist der Herr Buurmann eigentlicht gar nicht Mitglied der EU, sondern Bürger eines Mitglieds. Insofern ist seine Argumentation ein wenig hakelig. Aber trotzdem hübsche Idee.

    AntwortenLöschen

Mit dem Absenden eines Kommentars stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zu. Zu statistischen Zwecken und um Missbrauch zu verhindern, speichert diese Webseite Name, E-Mail, Kommentar sowie IP-Adresse und Timestamp des Kommentars. Der Kommentar lässt sich später jederzeit wieder löschen. Näheres dazu ist unter 'Datenschutzerklärung' nachzulesen. Darüber hinaus gelten die Datenschutzbestimmungen von Google LLC.