Mein Problem mit Kantinen (Wdh.)
Ein Mittagesser bin ich schon lange nicht mehr. Zwar esse ich gern gut, aber dummerweise pflege ich nach einer ordentlichen Mahlzeit für längere Zeit in eine Art Fresskoma zu fallen. Muss ich nicht haben. Kann daran liegen, dass mein Organismus eher auf Nachteule gepolt ist. Wenn es im Sommer heiß ist, käme ich erst recht nicht auf die Idee, mir in der Mittagshitze noch etwas Warmes einzupfeifen. Normalerweise frühstücke ich solide, esse abends in aller Ruhe warm und rette mich mittags mit etwas Mitgebrachtem über den Tag. Mögen Ernährungsexperten meinetwegen rummoppern, aber so funktioniert's für mich nun einmal am besten.
Dann iss' doch was Leichtes, höre ich die Einwände schon, einen Salat oder so was. Ist natürlich eine Idee, aber in meinem Fall nicht ohne weiteres machbar. Zwar gibt es eine Kantine, in der ich auch den ermäßigten Preis bekomme, aber die haben nur selten was Leichtes. Weil das eine Außenstelle ist, die beliefert wird, gibt es auch immer nur ein Gericht pro Tag, das daher stundenlang in Warmhaltecontainern vor sich hin geschwappt ist. Was ginge noch? Frittenbude? Hm, zugegeben, hin und wieder mal. Mittagstisch im Restaurant? Das wäre natürlich cool, urban und überhaupt, aber leider bin ich nicht Krösus. Außerdem ist das nächste Etablissement zu weit weg.
Nett, aber ein wenig außerhalb - und kein Restaurant in der Nähe |
Abgesehen von meiner über die Jahre gewachsenen Abneigung gegen
reichliche Mittagessen, sind Kantinen sowieso nicht recht mein Fall. Ich
weiß auch nicht genau, warum. Unabhängig davon, wie gut oder schlecht
das Essen ist, sind das für mich belastete Orte. Stätten der Tristesse,
Boredom im Kubik. Der tägliche Gang zur Futterstelle, schlimmstenfalls
im immer gleichen Rudel zur immer gleichen Zeit, ist für mich der
Inbegriff eines zu Tode langweiligen Grauemausdaseins, in dem absolut
nichts mehr los ist. Möglicherweise habe ich da eine leichte Macke und
tue Leuten unrecht - wenn schon, irgendeinen Spleen braucht schließlich
jeder
Während meines Zivildienstes in einem Krankenhaus musste man mit in die Kantine, ob man wollte oder nicht. Es wurde schichtweise gegangen und wer nicht mitkam, machte sich verdächtig. Ob man sich etwa für was Besseres hielte, wurde dann schon mal spitz gefragt, man sei doch schließlich eine Gemeinschaft. Das Essen taugte meist nur zum reinen Bauchvollkriegen. Krankenhauskost halt. Dauernd irgendwas Labbriges mit Salzkartoffeln und gnadenlos überkochtem, aufgetauten Gemüse. Und Salzkartoffeln, immer wieder Salzkartoffeln. Gab es, Gipfel der Exotik, doch einmal Reis, dann war er nicht gesalzen und schmeckte nach Pappschachtel. Das einzig Positive war, dass ich als vom Staate Dienstverpflichteter freie Verpflegung hatte und nichts von meinem Sold abdrücken musste dafür.
Als Student habe ich während der Semesterferien ein paar mal als Bürobote in einer Bank gejobbt. (Ja, liebe Kinder, so was gab es damals noch.) Ohne groß nachzudenken, ging ich auch da jeden Tag in die Kantine. Das Essen war gar nicht mal schlecht. Manchmal gab es sogar Gyros oder Currywurst mit Pommes, Moussaka oder Lasagne. Am wohlsten habe ich mich immer bei den Blaumännern von der Haustechnik gefühlt. Die hauten kräftig rein, rissen dreckige Witze und redeten über Fußball. Vor allem aber hieß Pause für sie Pause. Wer es während dieser halben Stunde wagte, von der Arbeit zu reden, dem wurden schon mal Hiebe angedroht. Gefiel mir, der Ansatz.
Übel waren natürlich die ganzen Schlipsmichel und Kostümtussis, die sich dort herumtrieben. Die Karrieremenschen, die Macher und Entscheider. Die Schleimschnecken und Adabeis, die ihre Kantinengänge taktisch planten, damit sie mit den richtigen Leuten am Tisch saßen und von den richtigen Leuten mit den richtigen Leuten gesehen wurden. Networking, socializing, in der Pause Pause machen ist für Loser. Zur Strafe mussten sie über die grunzdämlichen Machosprüche ihrer Vorgesetzten lachen, denen sie um den Bart gingen. Mit solchen Menschen mochte ich schon damals nicht unnötig den Sauerstoff teilen, geschweige denn, mit ihnen essen.
Nun ist es ja nicht weiter ungewöhnlich und sollte einen nicht überraschen, dass in der Kantine einer Bank überdurchschnittlich viele solcher Nasen sich tummeln. Ist schließlich ihr Biotop. Sie waren auch gar nicht die Schlimmsten, fand ich. Nein, die Schlimmsten waren für mich die emotional Abgestorbenen, die Arbeitszombies. Sie taten mir leid. Vermutlich waren sie es, die mir Kantinen letztendlich vergrätzt haben, denn ich kann Menschen einfach nicht dauerhaft leiden sehen.
Ich habe Leute erlebt, intelligent, in gut bezahlten Positionen und gar nicht mal unnett, die vom täglichen Einerlei so stumpf geworden waren, dass das Essen in der Kantine für sie der einsame Höhepunkt des Tages war. Stundenlang konnten sie erzählen über die Qualität des Jägerschnitzels gestern oder über die Menge an Fleisch- und Wursteinlage in der Erbsensuppe letzte Woche. Wenn donnerstags der Speiseplan der nächsten Woche bekannt gegeben wurde, verbrachten sie immer den halben Tag damit, ihn gründlichst zu studieren und zu diskutieren. Mir dämmerte, sie hatten nichts anderes mehr.
Tag für Tag standen sie parat, Tablett und Besteck im Anschlag, noch bevor die Rollläden der Essensausgabe hochgingen. Der ungeliebte, geisttötende, entfremdete Mistjob hatte sie doof gemacht, zu Hause herrschte wahrscheinlich auch tote Hose und für ein erfüllendes, sinnstiftendes Hobby hatten sie längst keine Energie mehr übrig. Raus aus dem Elend konnten sie nicht, weil sie ja ihre Häuser und Autos abbezahlen mussten. Neben dem Suff am Wochenende war ihnen nur die Kantine geblieben als letzte Erinnerung daran, dass es noch anderes gibt im Leben als Arbeitarbeitarbeit. Mich deprimiert so was über die Maßen. Aber zurück zu meiner Mittagspause.
Während meines Zivildienstes in einem Krankenhaus musste man mit in die Kantine, ob man wollte oder nicht. Es wurde schichtweise gegangen und wer nicht mitkam, machte sich verdächtig. Ob man sich etwa für was Besseres hielte, wurde dann schon mal spitz gefragt, man sei doch schließlich eine Gemeinschaft. Das Essen taugte meist nur zum reinen Bauchvollkriegen. Krankenhauskost halt. Dauernd irgendwas Labbriges mit Salzkartoffeln und gnadenlos überkochtem, aufgetauten Gemüse. Und Salzkartoffeln, immer wieder Salzkartoffeln. Gab es, Gipfel der Exotik, doch einmal Reis, dann war er nicht gesalzen und schmeckte nach Pappschachtel. Das einzig Positive war, dass ich als vom Staate Dienstverpflichteter freie Verpflegung hatte und nichts von meinem Sold abdrücken musste dafür.
Als Student habe ich während der Semesterferien ein paar mal als Bürobote in einer Bank gejobbt. (Ja, liebe Kinder, so was gab es damals noch.) Ohne groß nachzudenken, ging ich auch da jeden Tag in die Kantine. Das Essen war gar nicht mal schlecht. Manchmal gab es sogar Gyros oder Currywurst mit Pommes, Moussaka oder Lasagne. Am wohlsten habe ich mich immer bei den Blaumännern von der Haustechnik gefühlt. Die hauten kräftig rein, rissen dreckige Witze und redeten über Fußball. Vor allem aber hieß Pause für sie Pause. Wer es während dieser halben Stunde wagte, von der Arbeit zu reden, dem wurden schon mal Hiebe angedroht. Gefiel mir, der Ansatz.
Übel waren natürlich die ganzen Schlipsmichel und Kostümtussis, die sich dort herumtrieben. Die Karrieremenschen, die Macher und Entscheider. Die Schleimschnecken und Adabeis, die ihre Kantinengänge taktisch planten, damit sie mit den richtigen Leuten am Tisch saßen und von den richtigen Leuten mit den richtigen Leuten gesehen wurden. Networking, socializing, in der Pause Pause machen ist für Loser. Zur Strafe mussten sie über die grunzdämlichen Machosprüche ihrer Vorgesetzten lachen, denen sie um den Bart gingen. Mit solchen Menschen mochte ich schon damals nicht unnötig den Sauerstoff teilen, geschweige denn, mit ihnen essen.
Nun ist es ja nicht weiter ungewöhnlich und sollte einen nicht überraschen, dass in der Kantine einer Bank überdurchschnittlich viele solcher Nasen sich tummeln. Ist schließlich ihr Biotop. Sie waren auch gar nicht die Schlimmsten, fand ich. Nein, die Schlimmsten waren für mich die emotional Abgestorbenen, die Arbeitszombies. Sie taten mir leid. Vermutlich waren sie es, die mir Kantinen letztendlich vergrätzt haben, denn ich kann Menschen einfach nicht dauerhaft leiden sehen.
Ich habe Leute erlebt, intelligent, in gut bezahlten Positionen und gar nicht mal unnett, die vom täglichen Einerlei so stumpf geworden waren, dass das Essen in der Kantine für sie der einsame Höhepunkt des Tages war. Stundenlang konnten sie erzählen über die Qualität des Jägerschnitzels gestern oder über die Menge an Fleisch- und Wursteinlage in der Erbsensuppe letzte Woche. Wenn donnerstags der Speiseplan der nächsten Woche bekannt gegeben wurde, verbrachten sie immer den halben Tag damit, ihn gründlichst zu studieren und zu diskutieren. Mir dämmerte, sie hatten nichts anderes mehr.
Tag für Tag standen sie parat, Tablett und Besteck im Anschlag, noch bevor die Rollläden der Essensausgabe hochgingen. Der ungeliebte, geisttötende, entfremdete Mistjob hatte sie doof gemacht, zu Hause herrschte wahrscheinlich auch tote Hose und für ein erfüllendes, sinnstiftendes Hobby hatten sie längst keine Energie mehr übrig. Raus aus dem Elend konnten sie nicht, weil sie ja ihre Häuser und Autos abbezahlen mussten. Neben dem Suff am Wochenende war ihnen nur die Kantine geblieben als letzte Erinnerung daran, dass es noch anderes gibt im Leben als Arbeitarbeitarbeit. Mich deprimiert so was über die Maßen. Aber zurück zu meiner Mittagspause.
Weil ich, wie gesagt, tagsüber nicht warm essen mag, bringe ich mir in
der Regel etwas von zu Hause mit. Meist Butterbrote und was
Obst oder Joghurt. Nichts gegen eine ordentliche Stulle! Gutes Brot mit
guter Butter (alles andere, wie diese angeblich so urgesunden,
geschmacksfreien Industriefettcremes, ist baba), gut was drauf, lecker.
Schmeckt und belastet nicht. Hat Generationen von Handwerkern und
Arbeitern zuverlässig satt gemacht. Noch lieber mache ich mir, very British,
ein, zwei Sandwiches. Mit allem drum und dran. Mit Tomaten- und
Gurkenscheiben plus Salatblatt, damit nichts durchweicht. Klappt aber
nur, wenn ich, Nachteule eben, morgens halbwegs aus dem Bett komme (und
die nötigen Zutaten im Haus sind, versteht sich).
Gegessen wird übrigens im Büro. Am Schreibtisch, manchmal die Füße auf der Heizung. Bei gutem Wetter auch gern im Freien, liegt der Bau, in den das Schicksal mich zum Schaffen abkommandiert hat, doch zur Hälfte im Grünen. Dass ich mich mittags lieber zurückziehe, liegt übrigens nicht an den Kollegen. Mein Beruf bringt es mit sich, dass ich viel reden muss und dauernd unter Menschen bin, da habe ich beim Essen gern meine Ruhe.
Gegessen wird übrigens im Büro. Am Schreibtisch, manchmal die Füße auf der Heizung. Bei gutem Wetter auch gern im Freien, liegt der Bau, in den das Schicksal mich zum Schaffen abkommandiert hat, doch zur Hälfte im Grünen. Dass ich mich mittags lieber zurückziehe, liegt übrigens nicht an den Kollegen. Mein Beruf bringt es mit sich, dass ich viel reden muss und dauernd unter Menschen bin, da habe ich beim Essen gern meine Ruhe.
Dieser Beitrag ist hier zuerst am 2. Juni 2014 erschienen. Als Teil einer Blogparade, zum Thema 'Mittagspause', zu der Friederike Kroitzsch auf ihrem LandLebenBlog aufgerufen hatte.
Sehr schöner Text, einerseits heiter, andrerseits todtraurig - wegen der ArbeitArbeitArbeit-Typen.
AntwortenLöschenVieles entspricht meinen Erfahrungen während einiger Jobs in Behörden. Neben dem "Höhepunkt Kantine" hatten die Frauen Kataloge (ja liebe Kinder, physische Warenkataloge aus Totholz!) und Reiseprospekte. Was demnächst gekauft wird und natürlich der Jahresurlaub - darum ging es.
Nicht zu vergessen die Feiern! Geburtstag, Jubiläen, Verabschiedung in die Rente. Bei letzterem Anlass kam ich mir vor wie auf einem Begräbnis, ungelogen! Am schlimmsten fand ich, dass das niemandem außer mir auffiehl. Wie der Rentner verabschiedet wurde - als fiele er direkt ins Grab!
Getrunken wurde nach viel, die Stimmung lockerte sich - und jemand sagte zu mir: Kommen Sie dóch zu uns, wenn sie fertig sind! Hier können Sie gleich mit BAT 2 A anfangen!
Ich lächelte leicht verstört und brachte keinen Ton heraus. Weil es im Kopf laut brüllte: Nicht für alles Geld der Welt!