Samstag, 23. Juli 2022

Jenseits der Blogroll - 07/2022

 
Bevor wir zu den Links und Fundstücken des Monats kommen, eine kleine Beobachtung: Mit will scheinen, dass  Teile der 'alternativen' Medien zunehmend dazu neigen, die andere Seite zu pathologisieren, mithin etwas tun, das sie anderen selbst gern vorwerfen. Dass Menschen sich aus rationalen Er- und Abwägungen heraus für oder gegen etwas entscheiden, mit dem man dann halt nicht einverstanden ist -- dergleichen aufklärerisches Gedankengut findet man immer seltener. Nein, wenn andere etwas tun, was man falsch findet, dann nur, weil sie irgendeine Neurose haben, ein schweres Kindheitstrauma spazierenführen. Sie tragen weiterhin Maske, weil sie irrationale Ängste haben. Mindestens. Geil darauf sind, sich Autoritäten unterzuordnen. Drunter machen sie’s nicht.

(Fun fact: Das Autoritärste, was mir bislang in dem Zusammenhang begegnet ist, war der Querspacko, der mich im Netto anbölkte, ich solle gefälligst meine Drecksfaschistenmaske abnehmen und fast noch handgreiflich geworden wäre. Nur ein Einzelfall, gewiss.)

Wer den russischen Angriffskrieg in der Ukraine verurteilt, sich für Waffenlieferungen und andere Unterstützung an die Ukraine ausspricht, tut das, logisch, weil er kriegsgeil ist, einen Waffenfetisch hat, ihm beim Anblick langer, harter Geschützrohre ("Gnihihihhi, er hat 'Rohr' gesagt!") und schlanker Raketenphalloi einer abgeht. Er immer noch in NS-Kategorien vom vernichtenswerten Iwan festsitzt. Nun mag das alles sein oder nicht. Nur spricht man damit dem anderen jegliche Fähigkeit ab, reflektierte Entscheidungen zu treffen, und man selbst befreit sich auch von lästigen intellektuellen Mühen bezogen auf die eigene Postition (zum Beispiel im Hinblick auf die Fragen, was man an Putin so toll findet). Und daher sehe ich mich außerstande, dergleichen Küchenpsychologie a'la Kleinmäxchen weiter ernst zu nehmen

Das vorweg. Wollte es mal loswerden. Vielleicht bin ich damit allein, vielleicht aber auch nicht.

Politik. Ein zweiteiliger Artikel von Daniel Ryser und Basil Schöni über die Schweizer Verschwörungsszene:

Teil 1: Nichts ist wahr und alles ist möglich.
Teil 2: Man muss es einfach glauben.

Christoph Butterwegge analysiert diverse Metaphern zur Erklärung der sozialen Klassen-Struktur im Umbruch.

Lars Quadfasel über nationalistische Linke.

"Über den nationalistischen Flügel der Linkspartei wird gerne gesagt, er strebe eine »Querfront« an. Was kritisch gemeint ist, stellt in Wirklichkeit jedoch ein unverdientes Kompliment dar. Denn worin das Rote in diesem vermeintlich rot-braunen Bündnis bestehen soll, bleibt ein Geheimnis. Wenn Ludwig-Erhard-Fans auf Stimmenfang bei Nazis gehen, spricht man normalerweise nicht von einer Querfront, sondern von einem Bündnis aus Mob und Elite. Warum sich daran etwas ändern soll, nur weil der Ludwig-Erhard-Fan nicht Friedrich Merz heißt, sondern zur Abwechslung einmal Sahra Wagenknecht, ist nicht recht einzusehen." (Quadfasel, a.a.O.)

Jörg Barberowski zum Ukraine-Krieg. Wird einigen nicht gefallen, ist aber wohl zuzustimmen. (Er hat’s übrigens zuerst gesehen.)

Interview mit dem Historiker Ulrich Herbert zum gleichen Thema, in dem einige wichtige Begrifflichkeiten geklärt werden.

Armin Nassehi sieht in dem jüngsten 'Offenen Brief' diverser Prominenter ein Beispiel für misslungenes Denken.

Apropos: Guillaume Paoli erläutert, warum Whataboutismus schwaches Denken ist

Thom Hartmann mit einem Szenario, wie der US-amerikanische Supreme Court Donald Trump 2024 wieder an die Macht helfen kann. Auch Atheisten sollten langsam vielleicht Beten in Erwägung ziehen. Nur damit man später nicht sagen kann, nicht alles versucht zu haben.

Stephan Anpalagan über die Verleumdung der Ferda Ataman.

Kultur/Gesellschaft/Gedöns
. Magnus Klaue erinnert an das Phänomen der 'Straßenfeger'-Krimis im Westdeutschland der 1960er. Die letzte Folge des Sechsteilers 'Das Halstuch' nach Francis Durbrigde, wurde damals für die geneigten Zuseher mit folgender Einleitung versehen:

"In Littleshaw, einem kleinen Ort in der Nähe von London, wartet Edward Collins vergeblich auf seine Schwester Faye. Am nächsten Tag wird sie tot aufgefunden, erwürgt mit einem Schal. Marian Hastings, die Verlobte des Gutsbesitzers Alistair Goodman, gibt an, Faye Collins am Abend vor ihrer Ermordung in Begleitung eines ihr unbekannten Herrn gesehen zu haben. Einige Tage später entdeckt sie ihn auf einem Zeitungsfoto wieder. Es handelt sich um den Verleger Clifton Morris. Gerald Quincey, ein Geigenschüler von Edward Collins, findet in seinem Geigenkasten das Halstuch, mit dem Faye Collins umgebracht worden ist. Kommissar Yates zeigt Morris den Schal. Er identifiziert ihn als seinen, bestreitet jedoch, irgendetwas mit dem Fall zu tun zu haben. Ein Arbeiter findet in der Nähe der Mordstelle das Feuerzeug von Clifton Morris. Kommissar Yates bringt Morris selbst das Feuerzeug, das ihm angeblich gestohlen wurde. Dabei gelingt es ihm, von Morris eine Schriftprobe zu bekommen. Die Schrift ist identisch mit der auf einer Geburtstagskarte an Faye Collins. Morris hat die Journalistin Diana Winston ausfindig machen können, mit der er am Abend des Mordes angeblich im Kino war. Kurz darauf erhält Morris einen Anruf von dem Revuegirl Kim Marshall. Sie sei in der Lage, ihm den Brief zu verschaffen, den er an Faye geschrieben habe. Sie fordert von Morris 18 000 Pfund für den Brief. Als er aus dem Nachtclub 'Finale' nach Hause kommt, ist die Polizei in seiner Wohnung. Diana Winston wurde auf seinem Sofa mit einem Schal erwürgt." (zit. in: Klaue, a.a.O.)

(Nur für den Fall, dass es jemanden interessiert, wo Loriot einst seine Inspirationen hernahm.)

Ein A-Z für Belgien-Anfänger. Ein lieber Mensch aus meinem Umfeld, der einst im Dreiländereck bei Aachen studiert hat, meinte mal, die beste französische Küche gebe es in Belgien. Weil sie, so wörtlich, "einfach versauter" sei.

Interview mit Pink Floyd-Schlagzeuger Nick Mason. Sympathischer Typ. War für Pink Floyd das, was Charlie Watts (+) für die Stones, Ringo Starr für die Beatles und Andrew Fletcher (+) für Depeche Mode war. Ein Stabilitätsanker. Der bodenständige Ruhepol, der zwei mit Riesenego ausgestattete kreative Alphatiere wie Roger Waters und David Gilmour zumindest zeitweise davon abhielt, sich an die Gurgel zu gehen und dafür sorgte, dass ein Hochsensibler wie Richard Wright (+) nicht unter die Räder geriet.

Nicola Schwarzmaier mit einem Plädoyer für das Drinnenbleiben bei schönem Wetter und gegen den grassierenden Draußenzwang

Musik. Jörg Thomann erinnert an den Song 'The Days Of Pearly Spencer'. Fast jeder hat ihn schon mal irgendwo im Radio gehört, aber keiner weiß Bescheid. (Die Pop-Anthologie der FAZ ist übrigens verdienstvoll.)

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass meine Kenntnisse der Rock- und Popmusik der DDR mit 'überaus lückenhaft', so im Sinne von 'mehr Lücken als Wissen', noch ausgesprochen höflich umschrieben sind. Um nicht zu sagen: äußerst schmeichelhaft. Klar, Karat kannte man als musikaffiner Wessi schon vor 1989, ebenso die Puhdys. Veronika Fischer, weil die damals rübergemacht hat. Nach 1989 hörte man auch mal was von City und ward durchaus angetan. Als Freund des Progressiven kam mir mal eine Band namens Stern Combo Meißen unter. Das war’s im Wesentlichen bei mir. Dass es 'drüben' auch eine Punk- und Metal-Szene gab -- umpf. Auch Renft kenne ich nur dem Namen nach und weil der Namensgeber recht früh verstorben ist. Wie gut die waren, habe ich letztens erst durch Zufall bemerkt:




Sport. Mann, Mann, Mann, 25 Jahre ist das auch schon wieder her, dass der Ruhrpott einen Sommer lang das Fußballherz Europas war. Wer zwischen Emscher, Lippe und Ruhr erinnert sich nicht an Lars Rickens kackfrech geschlenztes 3:1 gegen Juventus Turin und den Schalker Elfmeter-Triumph im Giuseppe-Meazza-Stadion in der Woche davor? Tempi passati.

Oliver Fritsch über die zahlreichen Verlierer des Wechsels von Robert Lewandowski nach Barcelona.

Ulli Hannemann ist genervt von Triathleten.

"Ist das nicht dieser Irrsinn, bei dem man erst meilenweit durch offene Gewässer schwimmt, sich anschließend auf dem Fahrrad einen Megawolf strampelt, und dann, wenn man eigentlich schon klinisch tot ist, mal eben noch einen Marathonlauf hintendran hängt? [...] Der Schauwert eines Amateurtriathlons ist ja begrenzt. Das Geheimnis liegt wohl in der uralten Faszination am fremden Leiden. Egal, ob Hinrichtungen, Autounfälle, Prominentenprozesse oder Dschungelcamps -- sie alle ziehen seit jeher Schaulustige an. Nur aus diesem Grund wurde das Fernsehen erfunden. Und seit Menschengedenken sehen Unsportliche Sportlichen bei ihren Leibesübungen zu. Der Profisport verdankt seine Existenz allein dem Phänomen, dass eine breite Masse Bewegungsferner sogar bereit ist, Geld dafür auszugeben, sich mit einer Mischung aus Bewunderung, Spott und Angstlust am Schweiße der Berufssportler zu ergötzen." (Hannemann, a.a.O.)

Tobias Müller erklärt uns, wie man von den Italienern essen lernen kann. In gewisser Weise eine Fortsetzung eines Artikels von 2013: Von den Chinesen essen lernen.

Udo Pollmer: Warum Omas Küche ein Missverständnis ist. Die meisten Omas sind inzwischen übrigens in meinem Alter bzw. geringfügig älter und mit Dosenmampf und Industriekram großgeworden. Just sayin'. 

Ich hasse diese Kochgenossen! Wie sie einem andauernd den Mund wässrig machen. Jetzt muss ich dringend nach Wien zum Praterwirt. Und ein von einem echten böhmischen Zappes gezapftes Budweiser Budvar aus dem Tank (Hladinka) will ich auch. 




Das Rezept. Es ist heiß. Es wird gegrillt. Es gibt Nudelsalat. Wer kennt ihn nicht aus Kinder- und Jugendtagen, jenen süßsäuerlichen, weißlich-öligen Matsch aus Gabelspaghetti oder Spirelli, Dosenerbsen, Fleischwurstwürfeln und Majo (bzw. Miracel Whip, wenn Mutti, Tante Erna oder wer immer das sonst zusammengerührt haben mochte, auf dem Gesundheitstrip war)? Platzierte man die Schüssel ungeschickterweise zu lange an einem zu warmen Ort, konnte es passieren, dass das Konglomerat wegen der Wurst und den in der Majonaise enthaltenen Eiern ein Eigenleben entwickelte und einen Vornamen bekam. Was sich mitunter ungut auf die Verdauung auswirkte.

Seit einiger Zeit sind auch italienische Varianten im Schwange, die mir weitaus besser gefallen. In Italien heißt so was 'Pasta fredda' und wird gerade an heißen Tagen gern genommen, wie ich gelernt habe. Leider finde ich das, was ich bislang als italienischen Nudelsalat vorgesetzt bekommen habe, meist arg over the top. Alles, was irgendwie als italienisch gilt, wird da zusammengerührt: Der unvermeidliche Balsamico (natürlich kein echter), Rucola (Kaninchenfutter), Parmesanspäne, Pinienkerne, getrocknete Tomaten -- kawumm! Wie man’s hingegen in Kalabrien macht, weiß man bei Splendido.






13 Kommentare :

  1. DasKleineTeilchen23. Juli 2022 um 16:58

    Vielleicht bin ich damit allein

    nope.

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  2. Wenn ich solche Kommentare wie oben sehe ("lesen" lohnt sich da ja nicht...), frage ich mich ernsthaft, ob da nur zur Schule HINgegangen oder womöglich auch HINEINgegangen wurde. Ist es echt so schwer, einen ganzen Satz zu schreiben? Der Blogbetreiber tuts ja auch, gut und ausführlich - da könnte man ja mit kompletten Sätzen kommentieren. Dann versteht man sogar, was gemeint ist.

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  3. DasKleineTeilchen23. Juli 2022 um 19:05

    mal wieder eine grossartige (wenn auch die ersten ausgespochen deprimierend sind, aber hey...) linksammlung; perfekt für einen passionierten, speziell wochenend-drinnie wie mich. und jetzt erst ma nen nudel"salat" zur belohnung.

    thnx!

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    1. Danke, gern.
      @Anonym, 18:48: Könnte auch sein, dass es tatsächlich ein Test war für die manchmal etwas holprige Kommentarfunktion.

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  4. Pilsner Urquell als Tankbier gibt's in Berlin z.B. in der Arminiusmarkthalle in Moabit (bei "Tastavin"), bei der "Wilden Renate" in Friedrichshain oder der Bar "Zum böhmischen Dorf" in Kreuzkölln. Sehr zu empfehlen, läuft die Kehle wie Sahne hinunter.

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    1. Eh eines der leckersten Pilse, das ich kenne. Nur knapp geschlagen von Cluss Kellerpils.

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  5. Wer bei Netto kauft, unterstützt Kinderhandel an alte weisse Pensionäre und Waffenhandel an russische nazi-islamistische Terroristen (MAERSK)

    (scnr)

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  6. Ey, lass mir meine Küchenpüschologie, ja?! X-D

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  7. Siewurdengelesen24. Juli 2022 um 16:38

    Das Interview Jörg Baberowski entspricht weitestgehend dem, was ich seit dem auch von mir nicht erwarteten Angriff Russlands so erwähnt habe und deshalb militärisches Unterstützen der Ukraine ablehnte, da dies nur dieses Morden auf Raten verlängert. Es ist bitter, angesichts des Leids und Zerstörens so etwas akzeptieren zu müssen, obwohl sich bisher zum Glück die Wenigsten ein Bild von Krieg machen mussten. Ebensowenig ist klar, wie sich Russland als Okkupant in einer kapitulierenden Ukraine verhalten hätte und wer spräche den Ukrainern ihr Recht ab, sich zu verteidigen?!
    Auch wenn dieser krieg sicher nicht so lief und läuft, wie sich das die russische Regierung vorgestellt hat, ist besagter langer Atem ein Grund, warum die Ukraine ohne Eingreifen Dritter auf Dauer keine Chance hat. Das uneinige Europa sehe ich dabei noch nicht einmal so sehr als den großen Faktor, wenn z.B. wie in D die "Opferbereitschaft" oder besser der Verzicht bei gleichzeitiger Teuerung zugunsten der wirklich betroffenen Armen abgefangen würde, statt bereits im Vorgriff wieder Unternehmen wie Uniper für ihre profitbedingten Fehlkalkulationen mit öffentlichem Geld zu sanieren. Und natürlich kann in den Regierungen niemand soziale Unruhen nach den ohnehin unruhigen Jahren wegen der Pandemie wollen und das ist nur ein Kalkül Putinscher Politik.

    Wenn einem dagegen selber der Arsch wegen materieller Sorgen auf Grundeis geht, sind Empathie und Verzichtswillen zugunsten Dritter eher zweitens - siehe Brecht: Erst kommt das Fressen und dann die Moral!

    Trotz dieser wie so oft nur halbfertigen Gedanken merci für die Ossi-Mucke, auch wenn selbst da noch viel mehr zu sagen wäre;-)

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  8. Bei dem verlinkten “Praterwirt“ handelt sichs indessen um Etikettenschwindel, da sich der mitnichten im Wiener Prater befindet, sondern bloß in der Praterstraße (sic) mit Schanigarten auf der Gasse vor dem Lokal. Tatsächlich im Prater befindet sich hingegen das traditionsreiche Schweizerhaus mit weitläufigem Biergarten unter schattigem Kastanienbaumbestand, wo das Budweiser Budvar Bier vom Fass ausgeschenkt wird.

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  9. Die Sauce für den "klassischen" Nudelsalat kann man durch Hinzugabe von im Kochwasser pürierten weißen Bohnen wunderbar veredeln: 1/3 Mayo, 1/3 Sauerrahm, 1/3 Bohnenpüree. Hatte ich vor ein paar Tagen auf dem Teller, war ganz großartig. Außer Nudeln waren noch Paradeiser, Pfefferoni und Geselchtes beteiligt. Nein, ich verrate nicht, in welchem Land ich mich gerade aufhalte.

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